Der Liberalismus gegen sich selbst und die Rückkehr des Kalten Krieges. Ein Gespräch mit Samuel Moyn – Teil 2

Während der erste Teil des Gesprächs zwischen Samuel Moyn und Julian Nicolai Hofmann, der gestern hier auf dem Blog erschienen ist, auf die zentralen Begriffe, Argumente und Referenzautorinnen und -autoren von Liberalism against Itself eingeht, adressiert der zweite Teil nun einen breiteren theoretischen Kontext. Darin sprechen die beiden über die Krise der liberalen Demokratie, Varianten des Cold War Liberalism und Frage, wie der Liberalismus überleben kann.   (mehr …)

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Der Liberalismus gegen sich selbst und die Rückkehr des Kalten Krieges. Ein Gespräch mit Samuel Moyn – Teil 1

Ist der Liberalismus noch zu retten? Während globale Krisen, neue Konflikte und populistische Bedrohungsszenarien die liberalen politischen Ordnungen zunehmend verunsichern, feiert eine totgeglaubte Weltsicht ihr schleichendes Comeback: Die Denkmuster eines Cold War Liberalism scheinen im Klima von Krieg, allgemeiner Aufrüstung wie auch einer politisch verordneten Verteidigung der Freiheit erneut auf dem Vormarsch zu sein. Samuel Moyn, hat mit Liberalism against Itself. Cold War Liberals and the Making of our Times (Yale University Press) ein Buch über die intellektuelle Genese dieser (historisch) spezifischen Spielart des Liberalismus verfasst. Darin diagnostiziert er eine folgenschwere Selbstzersetzung zentraler Elemente der liberalen Denktradition.  

Einst sei der Liberalismus als Flaggschiff der Emanzipation angetreten, habe seine theoretische Schlagkraft aus dem kritischen Geist der Aufklärung geschöpft und eine zutiefst optimistische Geschichtsauffassung vertreten. Anfang des 20. Jahrhunderts habe dieser Liberalismus jedoch zu erodieren begonnen – ein Prozess, der letztlich, begleitet vom theatralischen Säbelrasseln des Kalten Krieges, zu einer vollständigen Degeneration seiner ursprünglichen politischen Motive geführt habe. Liberales Denken sei auf neoliberale Marktfantasien oder neokonservativen Moralismus zusammengeschrumpft. In Liberalism against Itself entwickelt Moyn seine These über die Erosion des Liberalismus und den politischen Denkkosmos des Kalten Kriegs anhand der Darstellung verschiedener historisch-theoretischer Portraits: Beeinflusst durch die Erfahrung des Nationalsozialismus wie auch die Bedrohung durch den sowjetischen Kommunismus strebten Autorinnen und Autoren wie Judith Shklar, Isaiah Berlin, Karl Popper, Gertrude Himmelfarb, Hannah Arendt und Lionel Trilling danach, die utopischen, progressiven und auch radikalen Elemente aus dem liberalen Denken zu verbannen. Diese Vertreterinnen und Vertreter eines Cold War Liberalism entkernten den Liberalismus, schufen ein Denken, das jede emanzipatorische Agenda abgeschrieben hatte und begnügten sich damit, bestehende Freiheiten auch mit repressiven Mitteln zu verteidigen. Übrig blieb eine Politik der Angst, die den Schutz der fragilen demokratischen Gesellschaft gegen innere wie äußere Bedrohungen zum lähmenden politischen Leitmotiv erhoben hatte.  

Über sein aktuelles Buch und die Rückkehr des Kalten Krieges sprach Samuel Moyn, Chancellor Kent Professor of Law and History an der Yale University, mit Julian Nicolai Hofmann, Yale Visiting Fellow und Doktorand am Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte der Technischen Universität Darmstadt. Das Gespräch entstand im Februar 2024 in New Haven, Connecticut. Der Theorieblog bringt dieses Gespräch in zwei Teilen, der heutige erste Teil geht auf die zentralen Begriffe, Argumente und Referenzautorinnen und -autoren von Liberalism against Itself ein, der morgige zweite Teil adressiert einen breiteren theoretischen Kontext.

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CfP: Michel Foucault – Erneute Zwischenbilanz einer Rezeption (Frankfurt)

Im Rahmen des globalen “Foucault: 40 Years after”-Netzwerks veranstalten Thomas Biebricher, Jonas Lang, und Jannik Oestmann vom 03.-05.07.2024 einen Nachwuchsworkshop an der Goethe-Universität Frankfurt, der in der Tradition der Frankfurter Foucault-Konferenz 2001 erneut eine
Zwischenbilanz zur theorie- und ideengeschichtlichen Rezeption Michel Foucaults ziehen möchte. Geplant ist eine Zweiteilung des Workshops in einen theoretischen und einen ideengeschichtlichen Teil – zu beiden Bereichen wird nach Beitragsvorschlägen gesucht.

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CfA: Oligarchische Finanzmärkte – gefesselte Demokratie? (Darmstadt)

Am 21. und 22. November 2024 veranstalten Dirk Jörke, Janosch Prinz und Oliver Weber einen Workshop an der TU Darmstadt, der sich dem „Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und potentiell oligarchischer Finanzmacht“ widmet. Wie blickt die Politische Theorie auf das Verhältnis von Demokratie und Finanzmärkten? Kann deren Erscheinung als heutiger Ausdruck ideengeschichtlich bekannter oligarchischer Machtansprüche gedeutet werden? Welche programmatischen Angebote zur Verhältnisbestimmung von Demokratie und Kapital lassen sich ideengeschichtlichen Beiträgen entnehmen? Was bietet hier die aktuelle politische Philosophie?

Diesen und weiteren Fragen zum Verhältnis von Finanzmacht und Demokratie sollen im Rahmen des Workshops Raum für Präsentationen von Forschungsarbeiten und gemeinsame Gesprächsmöglichkeiten geboten werden. Die Veranstaltung schließt unmittelbar an die Ergebnisse und Fragestellungen der u.a von Aaron Sahr und Sebastian Huhnholz organisierten Workshops zur Politischen Theorie öffentlicher Finanzen in Darmstadt und am Hamburger Institut für Sozialforschung an.

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Programm zur Sektionstagung „Politische Theorie nach dem Eurozentrismus“

Vom 13.-15. März 2024 findet die Frühjahrstagung der Sektion „Politische Theorie und Ideengeschichte“ der DVPW an der Universität Rostock statt. Das finale Programm zur Tagung, die dieses Jahr unter dem Titel „Politische Theorie nach dem Eurozentrismus“ steht, findet ihr nun hier. Die Veranstalter:innen bitten um Anmeldung (bis spätestens 01. März 2024) unter: wsf.cpt@uni-rostock.de

 

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Zeitlichkeit und Wirtschaftswachstum

Heute veröffentlichen wir in unserer Blogpost-Reihe zum Thema Zeit einen Text von David Bockelt, in dem das Verhältnis von Zeitlichkeit und wirtschaftlichem Handeln beleuchtet wird.

Der Beitrag richtet seinen Blick auf den Zusammenhang zwischen den temporalen Dispositionen und dem wirtschaftlichen Handeln der Menschen. Anhand von vergangenen Geschichtsbildern und Zukunftsvorstellungen lässt sich nachzeichnen, wie sich auch die ökonomische Reflexion und Praxis wandelte. Zeit, Zeitlichkeit und Geschichte können demnach als sinnvolle Kategorien der Reflexion über ökonomische Ideengeschichte etabliert werden.

Geschichtsbilder im Wandel der Zeit 

Das antike Geschichtsbild speiste sich aus einem spezifischen Wirklichkeitsbegriff, der auf Anschauung, Evidenz und Gegenwart fußt. Die antiken Griechen fragten nicht nach einem telos der Geschichte, sondern nach ihrem logos. Im Rückgriff auf den eben erwähnten Wirklichkeitsbegriff besteht dieser logos in der periodischen Wiederkehr des immer Gleichen: Die Geschichte durchläuft zyklische Stadien von Aufstieg und Verfall, was zwar für Variationen in der konkreten Ausprägung der Ereignisse sorgt, es ist jedoch nicht vorstellbar, dass sich Gegebenheiten durch den Zeitverlauf hindurch fundamental verändern. Die Zukunft hält nichts Neues bereit. Dies zeigt sich in den kaum explizierten Zukunftserwartungen dieser Zeit: Ein individuelles Gefühl des Überlebt-Werdens kann sich aufgrund der Vorstellung der geschichtlichen Quasi-Statik nicht einstellen. Ein systematischer Wachstumsgedanke lässt sich nicht in Einklang bringen mit dem antiken Geschichts- und Zeitbild (Koselleck; Hölscher). (mehr …)

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Kongresssplitter: Über die Situiertheit gesellschaftlicher Krisendiagnosen 

— 3.B Critical feminist perspectives on Diagnoses of Crisis — 

Eine Tagung, die sich dem Thema (Un-)Sicherheit gewidmet hat, bietet reichlich Anknüpfungspunkte für feministische Perspektiven: Welche Sicherheitsbedürfnisse finden Gehör und welche Perspektiven werden ausgeblendet? Wie lassen sich permanente Krisenerfahrungen marginalisierter Gruppen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit (Un-)Sicherheit und Krise berücksichtigen? Das von der Sektion Politik und Geschlecht der DVPW gestaltete Panel “Critical feminist perspectives on Diagnoses of Crisis: Foregrounding Vulnerability and Intersecting Histories of Domination” stellte diese Fragen ins Zentrum und zielte auf die inhaltliche Erweiterung politiktheoretischer Fragestellungen, methodische Offenheit und die Öffnung bestehender Kanons.   (mehr …)

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CfA Wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in an der TU Darmstadt (50%, ab 15. Oktober)

Am Arbeitsbereich Politische Theorie und Ideengeschichte (Prof. Dirk Jörke) der TU Darmstadt ist ab dem 15. Oktober 2023 eine Stelle als Wissenschaftiche:r Mitarbeiter:in zu besetzen. Die Stelle ist auf drei Jahre befristet.

Voraussetzung für die Einstellung ist ein guter oder sehr guter wissenschaftlicher Masterabschluss in Politikwissenschaft oder vergleichbare Studiengänge. Die Studienschwerpunkte sowie das Thema der Masterarbeit sollen im Bereich der politischen Theorie und Ideengeschichte liegen und die bisherigen und zukünftigen Forschungen und Publikationen sich in das Profil des Fachgebiets einfügen. Bewerbungsschluss ist der 27. September 2023. Die Bewerbungsunterlagen elektronisch in einem PDF-Dokument unter Angabe der Kenn-Nr. 563 an: joerke@pg.tudarmstadt.de

Die Ausschreibung kann hier eingesehen werden.

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CfP „Das ideengeschichtliche Argument in der Politischen Theorie“ (Augsburg)

Am 16. und 17. Februar 2024 organisiert Marcus Llanque in Augsburg einen Workshop zum Thema „Das ideengeschichtliche Argument in der Politischen Theorie“. In diesem Workshop soll das „und“ in dem traditionellen Namen der Disziplin „Politische Theorie und Ideengeschichte“ eingehender untersucht werden: Sind Politische Theorie und Ideengeschichte zwei traditionell nahe stehende Disziplinen, die aber nicht viel miteinander zu tun haben und unabhängig voneinander operieren können? Beschäftigt sich die Ideengeschichte mit „vergangener“ Politischer Theorie und diese mit ihren „aktuellen“, „modernen“ oder „gegenwärtigen“ Varianten? Oder aber haben ideengeschichtliche Argumentationen einen grundlegenden Stellenwert in Politischen Theorien, ohne welche diese nicht auskommen – diese aber vernachlässigen zu analysieren? (mehr …)

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Theoriekongress 2023 in Bremen – Anmeldung offen

Vom 27. bis zum 29. September 2023 findet in Bremen der erste deutsche Theoriekongress statt. Unter dem Rahmenthema „Politische Theorie in Zeiten der Unsicherheit“ erstreckt sich ein Programm mit mehr als 40 Panels aus den unterschiedlichen Bereichen der politischen Theorie und Ideengeschichte. Die Website zum Kongress inklusive des Programms sind online: https://www.uni-bremen.de/politische-theorie-in-zeiten-der-ungewissheit

Der Ablauf ist etwas anders als bei anderen regulären Sektionstagungen, deshalb folgende Informationen auch hier im Detail:

  1. Die Anmeldung ist geöffnet und erfolgt in diesem Fall über eine Anmeldemaske, die über die Kongresshomepage oder unter folgenden Links zu erreichen ist:
    https://www.uni-bremen.de/politische-theorie-in-zeiten-der-ungewissheit/anmeldung (deutsch) https://www.uni-bremen.de/en/politische-theorie-in-zeiten-der-ungewissheit/registration (englisch)Aufgrund von Raumkapazitäten ist die Anzahl der nicht-aktiven Teilnehmer:innen begrenzt. Das Organisationsteam empfiehlt entsprechend eine rasche Anmeldung (first come, first served). Die finale Anmeldefrist ist der 1. August.
  2. Es steht ein begrenztes Zimmerkontingent im Tagungshotel sowie in einem weiteren nahegelegenen Hotel zu Uni-Tarifen Verfügung. Der Buchungsschluss für diese Zimmer ist der 2. August. Mit der Anmeldebestätigung für den Kongress erhalten die Teilnehmenden detaillierte Informationen zu diesen Unterkunftsmöglichkeiten sowie die benötigten Codeworts.
  3. Schließlich zu Gebühren und Verpflegung: Der Kongress kann ohne Tagungsgebühren stattfinden. Zugleich können Kosten für Unterkunft und Anreise nicht übernommen werden.
    Wer mag, kann zudem kostenlos in der Universitätsmensa zu Mittag essen. Am Donnerstag (28. September) findet zudem ein Kongressdinner statt, an dem allerdings leider maximal 170 Menschen teilnehmen können. Aktive Teilnehmer:innen (Referent:innen, Panelorganisator:innen und -leiter:innen) haben dabei Vorrang. Die Kosten des Dinners werden durch die Konferenzorganisation übernommen, Getränke müssen individuell bezahlt werden. Die Anmeldung für die Mensaessen sowie für die Teilnahme am Kongressdinner erfolgt ebenfalls bei der Kongressanmeldung (erneut gilt: first come, first served).

Bei Fragen steht das Konferenzteam unter uncertain@uni-bremen.de zur Verfügung.

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