Dass alle politischen Gemeinwesen Einnahmen benötigen, um ihre Aufgaben durch Ausgaben zu decken, ist ein Gemeinplatz. Weit weniger unumstritten und keineswegs klar ist, welche Formen diese Einnahmen haben (Arbeitsdienste, Staatswirtschaft, Spenden, Steuern, Schulden, Raub etc.), welche Akteure sie an-, ein- oder hintertreiben, wodurch sie legitimiert werden und woher die materiellen Ressourcen der politischen Reproduktion von Gesellschaft ‚herrschaftlich‘ und ‚wirtschaftlich‘ besehen kommen (Produktion, Expropriation, Extraktion). Entsprechend vielzählig sind auch die wissenschaftlichen Disziplinen, die sich der Öffentlichen Hand, dem Fiskus, der Politischen Ökonomie und allerlei Finanzinstitutionen oder Fiskalregimen deskriptiv, analytisch bis normativ widmen.
Sicher: Staatshaushalte im engeren Sinne befinden sich dem Vernehmen nach immer ‚irgendwie‘ in der ‚Krise‘. Und zumal jüngere Ereignisse – schlagworthaft nur: Cum ex, Schuldenbremse, Sondervermögen – bestätigen, dass und warum Öffentliche Finanzen, Haushalts- und Steuerpolitik Standardthemen der Politischen Ökonomie sind. Demgegenüber sind genuin politiktheoretische Einordnungen und Reflexionen etwa durch die Politische Ideengeschichte, durch vergleichende Politische Theorie und die Soziologie allerdings weit weniger vital. Haben wir es hier mit einem Problem der (wechselseitigen) Wahrnehmung, der defizitären Konsolidierung betreffender Arbeiten oder einer tatsächlichen Lücke in der Forschungslandschaft zu tun?
Nach einer Reihe vorangegangener Veranstaltungen breiterer und sammelnder Art (z.B. hier und hier) richten nun Aaron Sahr (Hamburger Institut für Sozialforschung u. Leuphana-Universität Lüneburg) und Sebastian Huhnholz (LMU München u. FAU Erlangen-Nürnberg) in Kooperation mit dem theorieblog einen workshop aus, der unter dem Titel „Wozu politische Theorie(n) öffentlicher Finanzen“ das Thema fokussiert. Aufgerufen werden dabei die Rolle der Politische Theorie als Disziplin, deren Verhältnis zur finanz-, geld-, wirtschafts- und fiskalthematischen Theorienbildung der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften im breiteren Sinne sowie der trans- bis interdisziplinäre Forschungstand. Ziele des workshops sind themenfokussiert vertiefte Forschungsvernetzung zum einen, zum anderen die ‚doppelt theoretische‘, also theoriegenerierende und theoriereflektierte Vermessung des Status quo: Wirtschaftsordnung, Zwangsabgaben, Steuermoral und Klassiker_innenperspektiven werden miteinander in Bezug gebracht und zentrale Konzepte „öffentlicher Finanzen“ auf ihre theoretischen und diskursiven Gehalte befragt (insb. Geldschöpfung, Privateigentum, Kreditwüdigkeit und Zentralbankentum). Ein Gesamtüberblick findet sich hier.
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