Bataille reloaded: Für einen radikal aufgeklärten Souveränitätsbegriff

Weiter geht es in unserer Blogpost-Reihe zu Souveränität mit Daniel Liebs Plädoyer für einen Souveränitätsbegriff, der radikal aufgeklärt ist.

Meine Angst ist endlich absolut und souverän. Meine tote Souveränität liegt auf der Straße“. Diese Zeilen stellt der Schriftsteller Georges Bataille (1897 – 1962) seinem Frühwerk Madame Edwarda voran. Mit dieser zunächst verwirrenden Formulierung wird das tradierte Verständnis von Souveränität, das von Bodin über Hobbes bis hin zu Batailles Zeitgenossen Carl Schmitt reicht, einer Irritation unterzogen: Bataille leitet seinen Souveränitätsbegriff augenscheinlich nicht vom Staat respektive vom Volk, sondern vom individuellen Seelenleben (Meine Angst) ab. Wie ein Blick in Batailles theoretisches Werk zeigt, ist damit eine Kultur- und Kapitalismuskritik verbunden, die an der Dichotomie von Natur versus Kultur ansetzt: er postuliert, dass infolge der Unterwerfung der Natur im Zuge der europäischen Aufklärung eine sukzessive Verdrängung vieler Aspekte einherging, die jenseits der Ratio liegen. Dieser Prozess – so die These dieses Blogposts – hat sich im Zuge des Neoliberalismus seit den 1970er Jahren noch einmal radikalisiert. Neben dem (vermeintlich) Nicht-Menschlichen betrifft diese Verdrängung auch die Felder der Emotionalität sowie kollektiver Existenzen. Ziel dieses Blogposts ist es, Batailles Kritik an der rationalen Epistemologie der Nützlichkeit und Verwertbarkeit aus ihrem diskursiven Schattendasein hervorzuholen und mit aktuellen Debatten um eine Neue radikale Aufklärung zu verknüpfen. Souveränität erscheint so einerseits als Moment einer innersubjektiven Versöhnung von Rationalität und Emotionalität, indem anstelle eines singularisierten Zwangs zur (Selbst-)Ausbeutung der Arbeitskraft eine neue kollektive Autonomie eröffnet wird. Andererseits als äußere Versöhnung des Menschen mit der Welt, indem an die Stelle einer Ausbeutung natürlicher Ressourcen eine solidarische Haltung rückt, die eine nachhaltige Koexistenz von Mensch und Natur antizipiert. (mehr …)

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Souveränität als Macht im Dienste des Friedens             

Zum Start unserer Blogpost-Reihe zum Thema Souveränität erinnert Laetitia Ramelet daran, dass Souveränität nicht zuletzt bei Hobbes und Pufendorf im Dienst des Friedens steht.

Wer Souverän oder Souveränin ist, verfügt über die oberste Gewalt innerhalb eines Staates und ist von keiner anderen Instanz abhängig, weder im In- noch im Ausland. Zumindest entspricht dies der Auffassung berühmter Staatstheoretiker wie Jean Bodin, Thomas Hobbes oder Samuel Pufendorf, die den Begriff weit über die frühe Neuzeit hinaus entscheidend geprägt haben. Ihnen zufolge soll Souveränität absolut sein, was heißt, dass ihr keine institutionellen Schranken gesetzt werden dürfen − nicht einmal, um eventuelle Machtmissbräuche zu verhindern. Viele sehen hier eine extreme Auffassung des Begriffs, die staatlicher Willkür Tür und Tor öffnet. Aus diesem Grund ist jedoch eine andere interessante Facette dieser Theorien in Vergessenheit geraten. Bei diesen Autoren ist Souveränität mit einer Reihe von moralischen Verpflichtungen verknüpft, die alle darauf abzielen, den Frieden zu gewährleisten. Aus Sicht von Hobbes und Pufendorf bildet der Frieden nämlich den primären Zweck des Staates sowie den Grund für die Zustimmung der Staatssubjekte zur Autorität der Herrschenden. Gerade jetzt, wenn sich Krisen kumulieren, Polarisierung droht und sich Grundsatzfragen zu unserem Verhältnis zur Macht des Staates aufdrängen, kann dieses Verständnis von Souveränität Inspiration bieten. Es basiert nämlich auf einer Grundsatzüberlegung zu den Voraussetzungen eines Lebens in politischer Gemeinschaft. (mehr …)

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Blogdebatte: Souveränität

Liebe Theorieblog-Leser*innen,

auch in diesem Jahr hat unser sommerlicher Call for Blogposts, diesmal zum Thema Souveränität, großen Rücklauf hervorgerufen. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal für die ganz unterschiedlichen Beitragsvorschläge. Unsere Auswahl deckt auch in diesem Jahr verschiedene Zugänge zu Souveränität und vielfältige Aspekte der Debatte um den gewählten Begriff ab.

Die Texte, die wir in den nächsten zwei Wochen veröffentlichen, beleuchten die ideengeschichtlichen Ursprünge des Souveränitätsdenkens und seine in Teilen vergessen Aspekte. Sie argumentieren für ein Weiterdenken von Volkssouveränität in Kontexten pluraler Demoi bzw. für ein radikal aufgeklärtes Verständnis menschlicher Souveränität, das eine Neuverortung des Menschen in seiner natürlichen Umwelt anstrebt. Sie kritisieren, dass Souveränität gegenwärtig im Kontext der Digitalisierung mehr als Label denn als sinnvolle Kategorie verwendet wird oder stellen anarchistische staatlichen Souveränitätskonzeptionen gegenüber.

Die gewählten Beiträge werfen somit systematische und praktische Fragen auf und laden sicherlich auch zu kontroversen Diskussionen ein. Alle Leser*innen laden wir an dieser Stelle herzlich ein, aktiv mitzudiskutieren. Wie immer sind Zustimmung und Kritik, Ergänzungen und alternative Perspektiven in den Kommentarspalten willkommen – auf dass wir eine möglichst lebendige und vielfältige Debatte führen können. (mehr …)

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Call for Blogposts: Souveränität!?

Auch in diesem Sommer schreibt der Theorieblog wieder einen Call for Blogposts aus. Nachdem wir uns im vergangenen Jahr mit dem Konzept der „Sorge“ auseinandergesetzt haben, wollen wir uns in diesem Jahr dem Begriff der Souveränität zuwenden. Wir freuen uns wie immer über zahlreiche Ideen und Beiträge zum Thema. Den kompletten Call und alle weiteren Informationen gibt es nach dem Klick. (mehr …)

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CfP „Gesichter der Souveränität“ Villa Vigoni

Doktorand*innen und Postdocs aufgepasst: Das deutsch-italienische Zentrum für den Europäischen Dialog Villa Vigoni veranstaltet von 16.-19.5.2022 eine deutsch-italienische Tagung zum Thema „Wie viele Gesichter hat die Souveränität?/ Quante facce ha la sovranità?“. Grundidee der von Fernando D’Aniello (Napoli) und Verena Frick (Göttingen) organisierten interdisziplinären Tagung ist es, ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine grundsätzliche Vergewisserung über Zukunft und Gegenwart der Souveränitätsidee in Europa anzustrengen. Hierzu sollen Vertreter*innen aus politischer Theorie und Philosophie mit Jurist*innen diskutieren. Der CfP richtet sich vor allem an fortgeschrittene Doktorand*innen und Early Postdocs, die Deadline für Beitragsvorschläge ist der 30.11.2021. Alle ausführlichen Informationen finden sich hier.

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Podcast: Julia Schulze Wessel – Grenzgänger – Flüchtlinge, Sans-Papiers und die Transformation der Demokratie

Die letzten werden die ersten sein – oder eben andersrum. Wir freuen uns mit den Vortrag von Julia Schulze Wessel, den sie außerplanmäßig am 22.06 nachgeholt hat, die Vorlesungsreihe nun beschließen zu können. Wir danken allen Referentinnen und Referenten, die die Reihe ermöglicht haben, dem Theorieblog, der eine wunderbare Plattform bot und natürlich allen Zuschauern und Hörern der Podcasts. Der folgende Text stammt von meiner Kollegin Helene Gerhards.

Plakat_Zukunft_der_Politischen_Theorie-001Julia Schulze Wessel (TU Dresden) befasst sich seit langem mit der Figur des Flüchtlings aus politiktheoretischer Perspektive – wo die Forschung zum Flüchtling, zu Migrationspolitik und internationaler Verrechtlichung von Asylpolitik gerade aus dem Boden schießt, beweist sie einen fundierten und kritischen Zugang zu diesen zur Zeit stark debattierten Thematiken. Zunächst zeigt Schulze Wessel auf, wie die politische Theorie im Fahrwasser Hannah Arendts, Michel Agiers und Zygmunt Baumans den Flüchtling als eine apolitische Subjektivität schreibt, die lediglich hinsichtlich des Verlustes der sozialen Welt, der politischen Welt und der menschlichen Würde verstanden wurde. Um den Flüchtling eben nicht nur als Mangelwesen zu konzeptualisieren, sondern auch seine Potentiale als politischer Akteur in den Blick zu bekommen, stellt Schulze Wessel den Flüchtling in Gestalt der undokumentierten Migrantin als eine Grenzfigur dar, insofern er das Containerdenken in seiner territorialen und zugehörigkeitstheoretischen Dimension herausfordert. Nicht nur beweist er demokratische Transformationskraft, wenn er die Hervorbringung eines spontanen Kontrollraumes und damit die Aporien des modernen Nationalstaates samt seines reglementierenden Grenzregimes sichtbar macht, auch verweist er auf die Möglichkeit der politischen Selbstermächtigung, Grenzverletzungen in performativen Akten zu begehen und damit der ständigen Viktimisierung praktisch eine Absage zu erteilen. Das schwierige Verhältnis zwischen Regierung und Emanzipation, das Ausbrechen aus traditionellen Anerkennungsformen, der gestalterische Akt mobiler (nicht)politischer Subjekte – die politische Theorie hat genug Instrumente, analytisch und beurteilend mit gegenwärtigen politischen Erscheinungen umzugehen. Sie muss sich ihrer nur bedienen.

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Podcast: Christian Volk – Staat und Souveränität in der transnationalen Konstellation

Wie vergangene Woche angekündigt präsentieren wir euch heute den ersten Podcast zur Vortragsreihe „Zur Zukunft der Politischen Theorie im 21. Jahrhundert“, der am 26.04.2016 an der Universität Göttingen gehalten wurde. Aller Anfang ist schwer, weshalb die Tonqualität des hervorragenden Vortrags  leider zu wünschen übrig lässt. Wir tun unser bestes, um den Podcast nächste Woche in besserer Tonqualität anbieten zu können. Nächste Woche folgt: Franziska Martinsen – Das europäische Subjekt der Menschenrechte.
Plakat_Zukunft_der_Politischen_Theorie-001
Der Vortrag „Staat und Souveränität in der transnationalen Konstellation“ geht auf die Arbeit des DFG-Projekts „Der Begriff der Souveränität in der transnationalen Konstellation“ zurück, das Christian Volk geleitet hat und fasst die zentralen Ergebnisse zusammen. Christian Volk fragt, ob sich das Politische in Zeiten der Globalisierung mit dem Begriff der Souveränität noch angemessen beschreiben lässt und ob dieser seine normative Fundierungsfunktion dadurch eingebüßt hat. Durch die Trends in der globalen Rechtsentwicklung, wie die Zunahme der durch den UN-Sicherheitsrat erlassenen Sanktionen, die Einschränkung des Konsensprinzips in der internationalen Politik, das Entstehen neuer Gerichte und Tribunale und das Hinzutreten neuer Völkerrechtssubjekte wird das Konzept der Souveränität zunehmend herausgefordert, wenn nicht gar gänzlich in Frage gestellt. Volk zeigt durch den Vergleich von zwei Autorenpaaren, wie die Struktur des Souveränitätsbegriffs selbst eine angemessene Lösung für die diagnostizierten Probleme verstellt. Hans Kelsen und Carl Schmitt, Dieter Grimm und Jean Cohen werden als „feindliche Brüder“ (Wolfgang Eßbach) gegenüber gestellt und so die Ontologie des Souveränitätsdenkens herausgearbeitet. Volk macht deutlich, wie das souvernänitätstheoretische Denken den Blick auf den Netzwerkcharakter gegenwärtiger politischer Praktiken, die Vielzahl von neuen Akteuren und die spezifische transnationale Prägung der gegenwärtigen Politik verstellt.

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Im Netz der Marktstaaten – Workshop zu Souveränität und Internet in New York

Die Erosion nationalstaatlicher Souveränität ist in kaum einem Politikfeld derart ersichtlich wie in der Internet Governance. Die (zwischen-)staatliche und transnationale Regulierung des Internets ist eine schwierige Aufgabe, da die stetig an Volumen zunehmenden Informations- und Kommunikationsflüsse im „Netz der Netze“ geographische, politische, juristische und kulturelle Grenzen überschreiten. Wie kann der Nationalstaat seine Kernaufgaben in einem dezentralisiert organisierten Netzwerk erfüllen? Haben territorial gebundene Strukturen überhaupt eine legitime Daseinsberechtigung im Cyberspace oder sollte das Netz möglichst frei von nationalstaatlichen Einflüssen sein, so wie es frühe Internetutopisten forderten? Dem Spannungsverhältnis zwischen traditionellen Souveränitätskonzepten und den Herausforderungen der Internet Governance widmete sich der interdisziplinäre Workshop On Sovereignty, National Security, and Internet Governance, der am 11./12. Dezember 2014 auf Einladung von Milton Mueller in New York City stattfand. (mehr …)

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