Widerständige Städte – Paul Sörensens ZPTh-Artikel in der Diskussion

Das aktuelle Heft (1/2019) der Zeitschrift für Politische Theorie ist frisch erschienen und die beiden Gastherausgeber*innen Robin Celikates und Frauke Höntzsch versammeln darin Beiträge zu dem Themenschwerpunkt „Widerstand, transnational“. Christian Leonhard und Martin Nonhoff  entwickeln das Konzept der ,widerständigen Differenz‘, um die Praxis transnationaler sozialer Bewegungen widerstandstheoretisch zu erfassen; Henning Hahn entwirft den Grundriss einer normativen Theorie globalen zivilen Ungehorsams und Sebastian Berg und Thorsten Thiel untersuchen Widerstand und die Formierung von Ordnung in der digitalen Konstellation. Neben diesen Beiträgen zum Thema Widerstand enthält das Heft außerdem noch eine Abhandlung von Mario Schäbel zum Verhältnis von Marx und Adornos negativer Dialektik sowie von Karsten Schubert zur anti-anarchistischen Foucault-Lektüre.

Paul Sörensens Aufsatz zu Widerstand findet Stadt. Präfigurative Praxis als transnationale Politik ,rebellischer Städte‘ gehört ebenfalls zum aktuellen ZPTh-Schwerpunkt. Wir freuen uns, dass wir ihn im Rahmen unserer bewährten Zusammenarbeit mit der ZPTh kostenlos zum Download zur Verfügung stellen können – und dass Verena Frick den Aufschlag zur Debatte übernimmt. Wir laden zugleich alle herzlich ein, mit in die Diskussion einzusteigen und die Kommentarspalten zu füllen. Paul Sörensen wird dann auf den Kommentar und die Diskussion antworten. Los geht‘s heute mit dem Kommentar von Verena Frick:

Widerständige Städte

Im Zuge der neuzeitlichen Verstaatlichung der Politik stehen Städte nur noch selten im Fokus der Politischen Theorie. Wer sich aus politiktheoretischer Perspektive dennoch der Stadt zuwendet, setzt sich rasch dem Verdacht aus, ein ,eigentliches‘ antikes Polis-Ideal gegen die Verwirklichungsbedingungen moderner Demokratien auszuspielen. Über die meist vorschnelle Identifizierung von Stadt und Polis droht der Politischen Theorie jedoch zu entgehen, dass Städte unter den Bedingungen der Globalisierung als Orte des Politischen neue Relevanz erfahren. Unsere Nachbardisziplinen der Soziologie und Humangeographie analysieren längst, wie sich Städte im 21. Jahrhundert zu umkämpften Räumen entwickeln, in denen sich gesellschaftliche Herausforderungen wie soziale Ungleichheit, Klimawandel oder Migration verdichten, und die zugleich verstärkt politischen Gestaltungsanspruch reklamieren. Paul Sörensens bemerkenswerter Beitrag bricht das Schweigen der Politischen Theorie und lenkt am Beispiel der neuen munizipalistischen Bewegungen den politiktheoretischen Blick auf Städte als eigenständige Räume politischen Handelns. Dabei verfolgt er ein zweifaches Erkenntnisinteresse: Der Text will einen Beitrag zur politischen Theorie des Widerstands leisten, die Sörensen um das Konzept der „munizipalistischen Präfiguration“ erweitert, und zugleich vermisst er das politische Transformationspotenzial, das von den rebellischen Städten in transnationaler Perspektive ausgeht. Der Beitrag liefert wichtige Argumente, warum sich die politische Theorie stärker als bislang der Stadt zuwenden sollte, gleichwohl bin ich skeptisch, dass die Widerstandstheorie dafür den geeigneten Weg weist. Ihr anti-staatlicher, auf Kritik und Kontestation gerichteter Fokus ist schwerlich geeignet, normative Leitbilder für die propagierte gesellschaftliche Transformation zu entwickeln.

Die Praxis des städtischen Widerstands

Unter dem Begriff des ,Neuen Munizipalismus‘ firmieren eine Reihe unterschiedlicher politischer Bewegungen weltweit, denen Sörensen zufolge gemeinsam ist, dass sie ihre Programmatik und Forderungen auf die Stadt ausrichten und den städtischen Raum als transformativ-widerständigen Ort verstehen. Dazu zählen etwa das sanctuary city movement, zu dem sich seit den 1980er Jahren vorwiegend US-amerikanische Städte als Opposition gegen die nationale Migrationspolitik formiert haben, die zahllosen Recht-auf-Stadt-Initiativen oder die Bewegung Barcelona en Comú (vormals Guanyem Barcelona), die nach der Finanzkrise mit dem Versprechen einer partizipativen und redistributiven Stadtpolitik angetreten ist und seit 2015 die Bürgermeister*in stellt. Sörensen erkennt in den Aktivitäten dieser Bewegungen die gemeinsame Strategie, autonome Selbstorganisation mit institutionellem Handeln zu verbinden. Widerstand erscheint hier nicht als primär weltentziehende Praxis, die sich der Zusammenarbeit mit bestehenden städtischen Institutionen verweigert, sondern beabsichtigt ganz im Gegenteil ,den Marsch durch die Institutionen‘, um sie im Sinne der eigenen politischen Ziele anzueignen und umzubilden.

Mit den gängigen Theorien des Widerstands lässt sich diese Doppelstrategie aus autonomer Selbstorganisation und institutionellem Handeln, wie Sörensen überzeugend argumentiert, indes nur schwer erfassen: Vertreter*innen der Hardt/Negri-Tradition kennzeichnen Widerstand durch die Ablehnung klassischer Institutionen und propagieren vielmehr die Etablierung autonomer Räume, Vertreter*innen der Laclau/Mouffe-Tradition wiederum verorten Widerstand im Kampf um Hegemonie und votieren für die parteiförmig-parlamentarische Machtübernahme explizit staatlicher Institutionen. Um diese Leerstelle zu füllen und das Transformationspotenzial der munizipalistischen Bewegungen zu erfassen, entwickelt der Beitrag den vielversprechenden Vorschlag, die Praxis der städtischen Bewegungen mit dem Konzept der „munizipalistischen Präfiguration“ zu erfassen.

Neue Institutionalität durch Widerstand

Es mag zunächst überraschen, dass Sörensen – gerade um die institutionenbildende und ‑transformierende Seite der Munizipalismen abzubilden – auf das Konzept der präfigurativen Politik zurückgreift, wie es im Umfeld des deutschen Anarchismus, namentlich von Gustav Landauer, entwickelt wurde. Doch Sörensen löst es von den anarchistischen Wurzeln Landauers, der noch den weltabgewandten Rückzug in den ländlichen Sozialismus propagierte und damit die Hoffnung verband, die herrschenden Verhältnisse würden durch „den zwanglosen Zwang der experimentell vorgelebten Alternative“ (S. 35) irgendwann einfach absterben. Stattdessen reduziert Sörensen das Konzept auf seinen semantischen Kern: Präfiguration bezeichnet demnach erstens ethisches Handeln, das die Kongruenz zwischen ethischen Normen und nötigen Mitteln wahrt, und zweitens die Praxis des Aufbaus von Gegeninstitutionen und sozialen Strukturen, die die Realisierbarkeit der ethischen Maxime demonstrieren. Damit kommen nun die kommunalen Institutionen selbst, wie Sörensen schreibt, „als Orte (transformatorischer) präfigurativer Praxis in den Blick“ (S. 37), mit deren Übernahme durch die munizipalistischen Bewegungen eine neue Institutionalität hergestellt werden könne.

Eine analytische Stärke dieses Ansatzes scheint mir, dass der Blick geschärft wird für das präfigurative Potenzial institutioneller Innovationen wie wir sie im Kleinen in vielen Städten bereits heute beobachten können, die sich gegen die Auswüchse der neoliberalen Stadtentwicklung stemmen (der Beitrag verweist etwa auf Reformen des Liegenschaftsvergabesystems in Leipzig) – ohne das Ziel umfassender gesellschaftlicher Transformation aufzugeben. Zugleich ist der Ansatz auch in systematischer Hinsicht fruchtbar, da er eine Dialektik von Destitution und Konstitution der Praxis städtischen Widerstands erhellt, die die vorwiegend auf Konflikt konzentrierte politische Theorie des Widerstands um Konstellationen der Institutionalisierung bereichert. Damit geraten Institutionen als Verwirklichungschance widerständiger Politik in den Blick.

Auf diese Weise reicht das Konzept der munizipalistischen Präfiguration – ob vom Autor auch tatsächlich intendiert, sei dahingestellt – auch stärker assoziativ grundierten Politikvorstellungen gewissermaßen die Hand. Institutionelle und bürgerschaftliche Transformation als Voraussetzung für die Demokratisierung der Demokratie stehen etwa im Zentrum partizipativer Demokratietheorien. Sie setzen nicht zufällig, wie Benjamin Barbers Idee der new cosmopolis zeigt, auf das spezifische Integrationspotenzial städtischer Politik. Und was die in Aussicht gestellte neue Institutionalität anbelangt, ergeben sich Anknüpfungspunkte an die Forschung zu demokratischen Innovationen, deren Erprobung eines der Kernanliegen vieler munizipalistischer Bewegungen ist.

Zugleich zeigen sich mit Blick auf die konstituierende Dimension präfigurativer Politik auch die Grenzen einer widerstandstheoretischen Perspektive auf die rebellischen Städte. Denn anders als in den vorgenannten assoziativen Demokratietheorien, bleiben normative Anforderungen an die präfigurativ zu schaffenden Institutionen offen. Dem von Sörensen favorisierten „produktiven Widerstandsverständnis“ (S. 40) fehlen demokratietheoretische Leitbilder für die alternative städtische Ordnung oder zumindest Hinweise, wie eine solche aussehen könnte. Unbestrittenermaßen ist eine politische Theorie der Stadt – abgesehen von einzelnen Ansätzen wie Margaret Kohns urban commonwealth – derzeit noch ein Desideratum. Inwiefern dazu aber von einer widerstandstheoretischen Perspektive Impulse ausgehen können, bleibt nach der Lektüre des Beitrags unklar. Auch Sörensens Konzept der munizipalistischen Präfiguration ist mit seinem Fokus auf Kontestation und Kritik letztlich doch in einer gewissen Selbstbezüglichkeit der Widerstandstheorie verhaftet.

Zum Transformationspotenzial rebellischer Städte

Aber lohnt es sich für die Politische Theorie überhaupt, Energie auf eine solche politische Theorie der Stadt zu verwenden?  Und kann in den rebellischen Städten eine verallgemeinerungsfähige politische Praxis entstehen, die zur gesamtgesellschaftlichen Transformation taugt? Sörensen bejaht diese Fragen und will die munizipalistischen Bewegungen so vor der normativen Irrelevanz retten, die Michael Walzer ihnen kürzlich noch attestiert hat. Dem ist im Ergebnis nur zuzustimmen, Skepsis ist allerdings gegenüber der von Sörensen eingeschlagenen widerstandstheoretischen Route angebracht, die im Nationalstaat traditionell nur ihren bevorzugten Gegner erblickt.

Sörensen zufolge ist es gerade die Kopplung von Widerstand und Transformation gepaart mit einer dezidiert transnational ausgerichteten Strategie der Vernetzung zwischen den munizipalistischen Bewegungen, die einer transnationalen Widerstandspraxis mit „Ansteckungseffekten“ den Weg bahnt. Am Ende könnte nichts weniger stehen als die „Aufhebung einer nationalstaatlich verfassten Weltordnung von unten“ (S. 42) und die Infragestellung des staatlichen Monopols auf territoriale Souveränität. An ihre Stelle würde ein postnationales urban citizenship treten, das „die (national)staatlich-herrschaftsförmige Einteilung von Citizens und Non-Citizens“ (S. 43) zu unterlaufen in der Lage sei. Mit seiner Schlussfolgerung liegt Sörensen dann wieder ganz bei Gustav Landauer, der inzwischen gewissermaßen vom Land in die Stadt gezogen ist: Der zwanglose Zwang der nunmehr urban gelebten Alternative soll der nationalstaatlichen Logik ihre Selbstverständlichkeit nehmen und sie entkräften.

Offen bleibt dabei, wodurch die partikularen rebellischen Städte eigentlich das Mandat für die gesamtgesellschaftliche Transformation erhalten. Sörensen will die Stadt zwar nicht lediglich als Bühne verstehen, bietet aber über das klassische Kriterium der Dichte hinaus wenig Argumente, die für eine besondere Relevanz des Städtischen für demokratische Ordnungen sprechen. Dabei droht insbesondere der antistaatliche Affekt den relationalen Charakter der Stadt zu verkennen. Zwar konstituieren Städte eigene Räume des Politischen, als politische Einheiten sind sie gleichwohl nur in Beziehungen denkbar. Historisch betrachtet war es vor allem der soziale und politische Gegensatz von Stadt und Land, der dem Begriff der Stadt Kontur verlieh. Bis heute ist in den Stadtbegriff das emanzipatorische Versprechen auf individuelle und kollektive Handlungsfreiheit eingeschrieben, das von der urbanen Lebensweise und entsprechenden Autonomierechten gestützt wird. Die Realisierungschancen dieses Versprechens sind wiederum abhängig von den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen städtischen Handelns und damit besonders durch das Verhältnis von Stadt und Staat präformiert. Das demokratische und transformatorische Potenzial der Städte hängt davon ab, wie das Verhältnis zwischen den beiden ausgestaltet ist.

Damit die rebellischen Städte langfristigen Erfolg haben und transformative Kraft entfalten können, müssen wir also vielmehr, wie etwa Ran Hirschl in seinem dieser Tage erscheinenden Buch argumentiert, bei diesem Verhältnis ansetzen. Den Staat dabei ausschließlich als Gegner zu betrachten oder die staatliche Ebene ganz zu umgehen, blendet nicht nur das Ausmaß der Verbindung zwischen Stadt und Staat aus, sondern auch die Rolle des Staates als potentieller Garant einer erkämpften neuen Institutionalität. Denn eine verallgemeinerungsfähige politische Praxis kann in den rebellischen Städten nur entstehen, wenn sie mit dem Gleichheitsversprechen der Demokratie in Einklang gebracht und in egalitarisierender Weise allen substaatlichen Einheiten eröffnet wird – für zahme Dörfer wie für rebellische Städte. Ohne ,den Staat‘ als vermittelnde Instanz dafür drohen die munizipalistischen Bewegungen tatsächlich entweder in die Falle der Irrelevanz zu tappen oder aber den Weg in ein neues Mittelalter zu weisen, in dem irgendwann womöglich reale und virtuelle Mauern die rebellischen Städte als Inseln der Demokratie umgeben.

Verena Frick ist Akademische Rätin a. Z. am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte der Georg-August-Universität Göttingen, Mitglied des Redaktionsteams dieses blogs und spezialisiert auf das Verhältnis von Politik und Recht, den demokratischen Konstitutionalismus sowie die politische Theorie der Stadt.

7 Kommentare zu “Widerständige Städte – Paul Sörensens ZPTh-Artikel in der Diskussion

  1. „Im Bereich der Politikwissenschaft und insbesondere auch der politischen Theorie wurde der
    Stadt hingegen, von einigen Ausnahmen abgesehen, nahezu keine Aufmerksamkeit zuteil
    (vgl. Prell 2016: 89 ff.).3“

    Also dass „der Stadt … nahezu keine Aufmerksamkeit zuteil“ wurde, ist zunächst ein wenig nachvollziehbarer Primär-Befund, wenn man bedenkt, dass sich der Name der beiden engen verwandten Disziplinen doch der „Polis“ verdankt. Sicher ist das Politische meist auch entlang des „terreur“ um’s „terroire“ begriffen worden, aber das letztere schloss ja die Städte darin mindestens ein, wenn sie nicht gleich eigentlicher Konfliktgegenstand in der Dimension geografisch-politischer u. wirtschaftlicher Ausdehnung, Herrschaft, Konkurrenz usw. waren. Jedenfalls möchte man kaum von bis dato auf’s Ländliche, Maritime o. ä. fokussierter Polit. Theorie o. Pol.-Wiss. ausgehen, die sich kaum der Stadt – ob implizit o. ausdrücklich – gewidmet hätte.

    Da sehe ich die erste Einseitigkeit, die das Gebäude schnell schwanken lässt, und der in einer Replik nochmal nachgegangen werden sollte, – und angesichts einiger angerissener/verwiesener Literatur ja wohl auch noch nachgegangen werden kann.

    Die zweite Einseitigkeit sehe ich im – nach erster Durchsicht -, nahezu vollst. Fehlen eines Fokus auf die ebenfalls zunehmenden RECHTEN Auftritte – mit inzw. womöglich wieder tieferen Verankerungen – auf/in der kommunal-urbanen Sphäre. Dem Text zufolge muss man den Eindruck gewinnen, hier wäre das Feld von m.o.w. emanzipativ-partizipatorisch-demokratisch-sozial-ökolog. Versuchen dominiert, was so aber m. W. noch nicht systematisch bestimmt wurde. Zumindest in den urban-kommunalen Suborganisationen wie Kirchengemeinden, Vereinsmeiereien, Unter-Räten/Stadtteilgremien, Initiativen, Polizeien, Infrawerkern u. Behörden usw. ist da dem Vernehmen nach doch Einiges auch im ziemlich rechten Gange.

  2. Vielen Dank für die erste(n) Rückmeldung(en). Bevor ich etwas ausführlicher auf Verenas Kommentar eingehen werde, an dieser Stelle schon ein paar kurze Anmerkungen zum Kommentar von „dos“.

    Mit Blick auf die erste Einseitigkeitsdiagnose würde ich vermuten, dass ihr weniger ein Dissens in der Sache, als möglicherweise eine unpräzise Formulierung meinerseits zugrunde liegt. So bezog sich meine Einschätzung zur Ausblendung von Stadt in politischen Theorien auf zeitgenössische bzw. jüngere politische Theorien, deren Bezugsgröße in aller Regel ja dann doch der (National-)Staat oder die suprastaatliche Ebene ist. Davon unbenommen ist der Hinweis von „dos“ richtig, dass dabei Städte als Elemente dieser übergeordneten Bezugsgröße zumindest stets mitgemeint seien und mitverhandelt werden. Gleichwohl ging es mir bei meiner Diagnose um die Nichtexistenz von – jüngeren – Theorien, die die Stadt, in Verena Fricks Worten, dezidiert „als eigenständige Räume politischen Handelns“ unter die Lupe nehmen. Ganz unabhängig davon denke ich aber nicht, dass dadurch das argumentative Gehäuse des Beitrags ins Schwanken gerät, insofern die widerstandstheoretische Deutung der stadtpolitischen Initiativen als welterschließende Praxis davon ja nicht berührt wird. Womöglich habe ich diesen ersten Hinweis bisher aber nur falsch verstanden und könnte nach nochmaliger Präzisierung nachlegen.

  3. Des zweiten Einseitigkeitsvorwurfs bekenne ich mich jedoch umfassend schuldig. Rechte urbane Umtriebe spielen im vorliegenden Beitrag keine Rolle und dadurch mag tatsächlich der Eindruck entstehen, das stadtpolitische Feld werde ausschließlich von linken (so übersetze ich vereinfachend ‚emanzipativ-partizipatorisch-demokratisch-sozial-ökolog.‘) Akteuren beackert. Dass dem mitnichten so ist, beleuchtete etwa die Zeitschrift sub\urban erst vergangenes Jahr in ihrer Schwerpunktausgabe »Stadt von rechts?« (https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/issue/view/40/27). Unbestreitbar gibt es derartige Tendenzen und es läge mir fern, diese in Abrede zu stellen. Insofern kann ich an dieser Stelle zu meiner Verteidigung nur sagen, dass im vorliegenden Beitrag – wie von „dos“ selbst festgehalten – lediglich eine Fokussierung auf ein Phänomen vorgenommen wurde, damit aber keinesfalls ein umfassendes Bild stadtpolitischer Bestrebungen und Bewegungen zu zeichnen beansprucht wurde.

  4. Ja danke erstmal der raschen RüMe!
    Das war erstmal eine m. o. w. spontane Reaktion von mir auf Ihren Text , – Fricke, die ja gleich eingangs die erste „Einseitigkeit“ hermeneutisch wohlwollend bzw. fehlende Ausdrücklichkeit nachformulierend i. I. Sinne wohl recht verständig schon adressiert hatte („Im Zuge der neuzeitlichen Verstaatlichung der Politik stehen Städte nur noch selten im Fokus der Politischen Theorie. …“), hatte ich da gar nicht (mehr) im Sinn, denn hier schien mir die nähere Lektüre von Frickes Kommentar ohne Ihren Text zu kennen nicht ergiebig, – was sich ja jetzt geändert hat.
    Man wird ja vlt. auch an Ihrer AW auf Fricke sehen, inwieweit welche Geltungsansprüche wie z. B. „die widerstandstheoretische Deutung der stadtpolitischen Initiativen als welterschließende Praxis“ von fehlender oder vlt. doch existierender Polit. Th. der Urbanität(en; siehe Frickes Lit. bis Ran Hirschl, – auch Soziologen, Sozio-Geografen u. ä. HABEN ja jeweils Polit. Th.’n zu Städten, – ob sie wollen/wie zureichend/ oder nicht … ) u. ä. „nicht berührt“ werden.
    Denn ohne die u. a. Stoibersche Propaganda eines „Europas der Regionen“ von rechts, die vor über 20 Jahren einsetzte, wären die „Städte“ längst nicht da, wo sie heute sind, – auch und gerade als „Widerstandshort“ rechter Couleurs, illusorisch-dysfunktionaler Separatismen, duodezialer Nationaliäten und durchaus csu-tauglicher bis duisburg-kompatibler Bürgermeister-Herrlichkeiten.
    Sicher muss/darf/soll/kann man nicht immer alles auf einmal adressieren, aber es würde mich wundern, wenn solche Beschränkungen/Fokussierungen nicht auch auf die Ansprüche/Verallgemeinerungsoptionen durchschlügen: Wo ständig von Barcelona u. ä. gesprochen wird, sollte von Rom nicht – wie hier – stets geschwiegen werden, – wenn’s was gelten soll.
    Im übrigen ist das Thema derart vielgestaltig, in der Sache zu dynamisch und zu undurchdrungen, – Stichwort Mega-Cities: mit der dreifachen Bevölkerung Griechenlands haben/gewinnen solche eine andere, eher eigenstaatliche Stellung bei gleichzeitiger Abhängigkeit von globalkommerziell bis hegemonial-imperial aufgestellten Infrastrukturen der Digitalität ohne normierend-normativen Einfluß auch jenseits der ICANN nehmen zu können/zu wollen usw., dass mir da jeder widerstandstheoretische Ansatz, da verfrüht, alsbald
    unter die Räder zu kommen scheint.
    „autonome Selbstorganisation mit institutionellem Handeln zu verbinden“, – das machen ja auch die Mafien und unter der Kleinraspelung des Nationalstaatlichen zugunsten pseudo-technokratischer Politiken (ja wären sie, wenn schon nicht normativ, so doch wenigstens je technisch-sachlogisch überhaupt versiert!) oberhalb der Nationalstaaten scheint mir das ursprünglich eher rechte Projekt der Kleinteilungen eben letztendlich auf die altbekannten Dispositive der „Familie(n)“ mit ihren Pa- u. Matronen, Paschas, Patriarchen und eben „Paten“ mit ihren Clientelismen zuzulaufen. Das Fehlen/Aushöhlen solidarvermittelnder Großadressen wie es Nationalstaaten nun mal im west-, mittel- u. nordeuropäischen Raum waren und noch sind, wirft zwangsläufig die Familien in die Sozialbresche, die sich das inzwischen – nach langer Phase einer ggü. Orient und Südeuropa nachholenden Politik der Besitzanhäufung im sozialen Mittelstand – sogar auch tlw. leisten können, aber wer mehr braucht, tja, der muss eben zu einem Paten o. ä. gehen können. Die 57 zusätztlichen Leipziger Sozial(?)-Wohnungen aus der Liegenschaftsvergabe reissen nicht heraus, was der a priori höchst „widerständig“ angetretene Strang des parlamentarischen Weges in Berlin an eben durchaus in dieser Weise interessierter Dysfunktionalität in der Wohnungsfrage seit Jahren versenkt (hat). Und wer ein Gedächtnis hat, der fragt sich, wie der Weg vom unsäglichen LaGeSo-Versagen ggü. Flüchtlingen zur „sanctuary city“ o. ä. wohl verlaufen könnte. Ich komme da zunächst auf die üblichen, von CDU bis SED gängigen Verfahren der Schönrednerei und papierner Solidaradressen. Und die Aufnahme in urbane Obhut in angeblicher „Eigenverantwortung“ ist sicher eine der besten Notlösungen, die man kriegen kann, vergl. dazu auch das schon offiziell so bezeichnete Paten-System, vor allem im Südwesten der BRD, wonach quasi für einen Migranten/Flüchtenden individuell „gebürgt“ wurde, was zu erheblichen Geldforderungen an diese „Paten“ führte, um die gerichtlich gestritten wurde und wohl noch wird (?) , aber auch das trägt normativ natürlich keine 5 Meter weit, Stichwort Verlassen der Urbanzone ohne Aufenthaltstitel … Verallgemeinert würde das allerdings zu bequemen Arbeitsheeren führen, die aus dem jeweiligen Stadt-Moloch nicht rauskönnen/-dürfen, – Katar, das China der 80ger bis 2000er Jahre u. v. a. lassen grüßen. Natürlich KÖNNTE man auch das wieder durch eine Vielzahl von Städte-Bilateralitäten auflösen, Passierscheine usw., aber woher nimmt man den Optimismus, den fachlich-sachlich wie normativ schwachen Kommunalverwaltungen jeweils noch das Managment von ca. 150 Bilateralitäten in so engen u. schwierigen Fragen von den Sprachen bis zur „Unterkunft“, erst recht dem notwendigen entfalteten Wohnen usw. zuzutrauen?
    Von daher bleibt m. E. das Widerständigste im Feld der Städte UND „Gemeinden“, dass eben das konkrete Leben sich zuallererst in der je kommunalen Sphäre realisiert, sei sie ländlich oder städtisch geprägt. DORT kommen daher normative und funktionale Zwangsläufigkeiten derart zusammen, dass „Widerstand“ aller Couleurs von dort natürlich seinen Ausgang/Erstmanifestation nimmt, entwickeln sich zwar durchaus „Autonomien“/Handlungsspielräume des Kommunalen, nicht nur des Urbanen, aber eben nur notgedrungen, weil übergeordnete Regelungen, Ressourcen u. Kompetenzen ausbleiben bzw. vor-ort nichts nützen. Das ist aber durchaus seit Langem Teil der polit. Theorie, dass kommunal das auszubaden hängenbleibt, was übergeordnete Strukturen nicht leisten können u./o. wollen, dürfen, sollen usw.
    Und der Transparenzanschein, der im Bereich der Verfechter von kleinteiligeren „Autonomien“ so lecker leuchtet, ist womöglich bloß der Ignoranz der Arkan-Dimensionen von Politik geschuldet. Nicht dass die Kommunalpolitik da nichts zu bieten hätte, aber die Tennisclub-Hubereien, Maschmeyerismen usw. lassen diesbezüglich immer noch einen Riesen-Raum/viel Luft nach oben/ für alle erdenklichen Groß- u. Mittelplayer, der eigentlich unter anderem auch vom Nationalstaatlichen ausgefüllt werden müsste.

    Und es mutet seltsam an, Widerständigkeit ausgerechnet dort zu suchen, wo seit geraumer Zeit auf das durch Öffentlichkeit garantierte Wahlgeheimnis zugunsten von 30-%-Anteilen an Briefstimmen zunehmend verzichtet wird. Da wird in „souveränen“ Individuen gedacht, die diese im übl. Lebensumfeld statt Wahlkabine eben gerade NICHT sind und oft auch gar nicht sein können u. wollen. Das Digitale hat an den neuen Widerständigkeiten, Bürger-Mächten u. Partizipationswünschen/-optionen etc. hohen Anteil, – aber das auch in eine, eben gar nicht „einfache“, zunächst auch nicht „sparsame“ Befähigung zur digitalen Wahl/Abstimmung zu bringen, – unter z. T. technisch , organisatorisch und know-how/ergonomiemäßig höchst anspruchsvoller Wahrung des Wahlgeheimnisses – ist durch Kleinteiligkeiten der regional-kommunalen Art erst recht nicht durchführbar und übersteigt sogar deutlich die Föderal-Ebene, – wie auch die Digitalisierung, wo nützlich o. notwendig, des Lernens u. der Bildung.

  5. Frau Frick muss ich um Entschuldigung für das „Fricke“ bitten, auf das ich bei der Genitivbildung leider gerutscht bin und beibehalten habe – Sorry!

    „Um den munizipalistischen Projekten als präfigurative Politik analytisch gerecht werden zu können,
    bedeutet dies zuvorderst die Anerkennung einer Ausweitung des als ‚legitim‘ erachteten
    transformationspolitischen Terrains der Präfiguration, womit vor allem das Verhältnis zu
    (repräsentativen) Institutionen und dem Staat angesprochen ist. Die munizipalistische
    Bewegung lässt in vielen Fällen den für das ‚horizontalistische Lager‘ charakteristischen,
    institutionenaversen Antirepäsentationalismus hinter sich und widmet sich theoretisch wie
    praktisch der Frage nach anderen, besseren Formen der Repräsentation, anstatt diese
    rundheraus zu desavouieren. Damit wird die Idee der Präfiguration auch in die Institutio-
    nen getragen.13“
    Aber gerade bei letzteren, den „anderen, besseren Formen der Repräsentation“ hapert’s ja ganz massiv, fallen Desiderate u. die Mittel ihrer Erreichung bzw. der Aufschein des Zweckes selbst schon in den Mitteln, mit denen er ja erst erreicht werden soll, ebenso auseinander wie ehedem, so dass die Frage nach der Präfigurativität/Vorbildlichkeit der akt. Munizipalismen (M.) in einem proaktiv-welterschließenden Sinn von Widerstand u. dessen Theorie jenseit der passiv-defensiv-destruktiv vorherrschenden Vetoismen zumindest nach ihrem 1. Kriterium mit „Nein“ zu beantworten wäre und ebenso beim 2. Krit. , der Gegeninstituionalität(en), ein klares „Nein“ ernten müsste. Mir ist aus den M. keine sonderliche Antwort darauf bekannt worden, „WIE“ (welche) Institutionen beschaffen sein sollten u. beschaffen sein können, die die Hoffnungen eines eher „proaktiven“ Widerstandes u. seiner Theorien der sich hier andeutenden Art rechtfertigen könnte: Das Meiste des aus den M. selbst hervorgegangenen und im Urbeitrag anzitierten Materials diesbzgl. ergeht sich in allg., sehr schönen Absichtsvorstellungen, Programmatiken u. Selbstdeutungen. Wo’s konkreter wird/werden soll, so bei der nachgereichten Doku der Berliner Enteignungsinitiative „Deutsche Wohnen & Co.“, die angeblich „hochkomplexe eigentums- und demokratietheoretische Reflexionen mit Blick auf die Wohnraumfrage anstellt“. Zwar ist das Feld zweifellos „hochkomplex“, aber dieser pamphletistisch-apodiktische Auftritt dort kann das m. o. w. hilflose Umherirren zw. AöR und „genossenschaftlicher Rückvergütung“, zw. Überschuss-, Gewinn- & Akkumulationsverbot, Ausrichtung/Limitierung auf „Bedarfe“ (das sind bloß die allg. anerkennbaren Bedürfnisse) statt realer Bedürfnisse, über-/u. unterschießenden Bedarfen usw. nicht wirklich verbergen, und grenzt als Beleg gerade im Rahmen einer ‚eher zum Nicht-Idalen tendierenden‘ Theoriebildung, die sich S. in seiner Replik bescheinigt, an eine Frechheit.
    Dabei sind selbstverständlich manche außerakademischen Debatten ihren akademischen Pendants auch mal „voraus“, – nur eben leider nicht in den aufgeführten Belegen – da herrscht (wie auch beim Autor: Landauer als Präfigurant der angeblichen akt. Präfigurationen) ein Zug zu vielzu Altbekanntem u. Gescheitertem in mal ausdrücklichen, mal implizit gehaltenen ‚Rückgriffen‘ vor -, und erst recht trifft das Verdikt der Selbstreferenzialität die gschaftlhuberische Emsigkeit der CfPs, Kongresse, Symposien u. div. anderer Meetings und immer neuer „Zusammenschlüsse“, Plattformen etc. weitgehend desselben Personals, sowie die konstatierte Nachfrageschwäche nach deren Elaboraten ganz massiv zu.

    to be continued …

  6. Korrektur:
    Wo’s konkreter wird/werden soll, so bei der nachgereichten Doku der Berliner Enteignungsinitiative „Deutsche Wohnen & Co.“, die angeblich „hochkomplexe eigentums- und demokratietheoretische Reflexionen mit Blick auf die Wohnraumfrage anstellt“ ist das Feld zwar zweifellos „hochkomplex“, aber dieser …

  7. Aber neben diesen zutreffenden Punkten in den beiden Texten des Autors hierzu trifft das eine oder andere davon eben auch auf diese selbst, ihre Sujets u. Materialien/Literaturen ebenfalls zu. Die ostentative Betriebsamkeit i. d. Polit. Theorie u. verwandten Disziplinen z. B. zeigt sich eben von den M-Gegnern bis zu den heftigsten Aktivisten der M-Sache, so dass die so kaum vermeidbare, hohe Redundanz des Gesamt-Outputs scheinbar durchaus die „Nachfrage“ einbrechen lässt. Aber hohe Redundanzen kennen wir von allen kognitiven und kreativen Prozessen, vom repetitiven Üben eines Instrumentes bis zur AI. Die R. wird nämlich gebraucht, weil es sich je nur um 75-95%ige Redundanzen der Inhalte/Zeichen handelt und die Differenzen von 5- bis 25% ein Material im wichtigen Spiel der Perspektiven-Bildung darstellen. Bei den Augen z. B. reicht die marginale Abweichung zwischen ihnen immerhin dazu aus, die Raumdimension um ein Vielfaches gegenüber der Monokularität besser zu erschließen. Das könnte also vlt. auch in der „selbstreferenziellen“ Betriebsamkeit der Polit. Th., Stichwort „Vernetzung“/Digitum, also auch der Fall sein, – als eben kognitives Netz. Aber man muß von den Redundanzen halt auch mal wieder runter …
    tbc …

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