Ungarn: Auch die Philosophen werden angegriffen

Haben wir da plötzlich einen autoritären Staat mitten in Europa? Nun, zumindest einen, dessen – demokratisch gewählte! – Regierung demokratische Grundrechte wie die Presse- und Meinungsfreiheit massiv beschneidet (pusztaranger hat eine umfangreiche Presseschau zur Debatte um das neue Mediengesetz zusammengestellt), Repressalien gegen Regimekritiker einsetzt und seine Zweidrittelmehrheit im Parlament dazu nutzt, ihre Macht zu zementieren („Verfassungsbarbarei„, sagt der Verfassungsblog). Jetzt treffen die politischen Angriffe auch Philosophen.
Laszlo Tengelyi vom Philosophischen Seminar der Bergischen Universität Wuppertal spricht in einem offenen Brief von einer regelrechten „Hetzjagd gegen Philosophen“. Betroffen sind u.a. Agnes Heller, Mihály Vajda, Sándor Radnóti: Die Regierung hat Anzeige gegen sie erstattet, wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in der Verwendung von EU-Fördermitteln. Auch das Georg-Lukács-Archiv könnte Opfer der politischen Stimmung im Land werden – zahlreichen ForscherInnen droht hier die Entlassung (der Freitag dokumentiert hier einen Aufruf der internationalen Georg Lukács-Gesellschaft).

„Wir machen uns Sorgen“, schreiben Julian Nida-Rümelin und Jürgen Habermas in einem Aufruf in der Süddeutschen Zeitung, in dem sie von der EU-Kommission fordern, sich um die Einhaltung der Menschenrechte „im eigenen Haus“ zu kümmern und nicht nur das ungarische Mediengesetz, sondern auch die ungarische Regierungspraxis daraufhin zu überprüfen, ob hier nicht „wesentliche Grundsätze einer liberalen Verfassungsordnung verletzt werden“.

Nach der Einschätzung des ungarischen Historikers György Dalos seien Elemente der ungarischen Regierungspolitik, wie die Einführung des Mediengesetzes, „stalinistisch„. Zwar glaube er nicht, dass Orbán eine Diktatur errichten wolle, vermutet aber, Ungarn könne „einfach eine sehr unangenehme, schlechte Demokratie werden, die niemandem gefällt. Es gibt ja solche Systeme: Alle äußeren Merkmale einer Demokratie sind vorhanden, es existieren bloß keine Demokraten mehr.” (Hier das Interview in der taz)

Minutenaktuelle Informationen zu den Protesten in Ungarn gibt’s über diese österreichische Facebook-Seite; hier kann eine Petition unterzeichnet werden, die sich gegen die Angriffe auf die ungarischen Philosophen und Intellektuellen richtet.

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