Am 12. und 13. Oktober fand am Hannah Arendt Center for Politics and Humanities am Bard College die Konferenz “Crises of Democracy: Thinking in Dark Times” statt. Um diese bzw. genauer um die Einladung von Marc Jongen als Vortragender entspinnt sich derzeit eine öffentliche Diskussion. Jongen ist Mitglied der jüngst gewählten AfD Bundestagsfraktion und wurde von der FAZ 2016 als Parteiphilosoph der AfD porträtiert. Die Veranstaltung ist in Gänze hier anzusehen, Jongens Vortrag sowie die Erwiderung von Ian Buruma und die anschließende Diskussion mit dem Publikum gibt es hier als Video. Im Anschluss an die Veranstaltung begann eine Initiative einen mittlerweile veröffentlichten offenen Brief zu formulieren.
Bereits vor dessen Veröffentlichung nahm der Direktor des Hannah Arendt Centers, Roger Berkowitz, Stellung und verteidigte die Entscheidung, Jongen einzuladen. Neben dem offenen Brief, der von sehr viele politischen Philosophen und Arendt-Kennern unterzeichnet ist, gibt es auf Medium noch eine separate Diskussion, in der zunächst Patchen Markell die Einladung Jongens durch Berkowitz Einladung kritisiert, ohne sich aber dem offenen Brief anzuschließen. Auf diese liegt mittlerweile auch eine weitere Erwiderung von Berkowitz vor, unter der Antwort sammeln sich zudem weitere Stellungnahmen. Die Diskussion ist sicher auch im deutschen Kontext von großem Interesse, da es neben Fragen der freien Meinungsäußerung und der Universität als Ort des Streits unterschiedlicher Sichtweisen, um generelle Dinge wie die Politik offener Briefe, den Diskurs mit Rechten, die Rolle von Twitter für den politischen Diskurs und die Frage der Position/Vereinnahmung Hannah Arendts geht.
– Update: Neue Replik von Corey Robin auf Berkowitz –
– Update 2: Roger Berkowitz hat auf den offenen Brief reagiert: Sein Statement findet ihr: hier –
– Update 3: Christian Volk im Interview mit dem Deutschlandfunk zu Einladung und offenen Brief: hier
– Update 4: Artikel von John Ganz in The Baffler, der auf Einladung, Vortrag und Arendts Engagement abstellt: hier –
– Update 5: In der ZEIT hat Hannes Bajohr einen Überblick und Bewertung der Auseinandersetzung veröffentlicht: hier –
– Update 6: Weitere Überblicke/ Stellungsnahmen zur Debatte in Frankfurter Rundschau (hier) und Frankfurter Allgemeine Zeitung (hier) –
– Update 7: Ian Buruma, der auf der Konferenz Jongen kommentierte, hat seine Sicht der Kontroverse aufgeschrieben: hier –
Dr. Reinhard Nowak
Ich hatte Dr. Marc Jongen im Mai 2017 zu einem „philosophischen Streitgespräch“ nach Schwäbisch Gmünd eingeladen. Wir hatten zwei jeweils 10-minütige Statements verabredet, mit anschließender offener Diskussion:
„Offene Gesellschaft“ oder „Volksgemeinschaft“ / Wozu brauchen wir eine „Leitkultur“?
Dr. Jongen spricht als Politiker. Philosophische Theoreme (etwa von Platon oder Nietzsche) werden zu diesem Zweck benutzt und ihr ursprünglicher Argumentationszusammenhang wird dabei unkenntlich oder umgedreht.
Da dies nicht jedem auffällt, gilt er als Partei“philosoph“. Er ist rhetorisch geübt, doch begrifflich sehr vage. Dies gehört natürlich auch zur Rhetorik.