Bodins Souveränitätsverständnis und das republikanische Ordnungsideal der Freiwilligkeit – ein Impuls aus vorstaatlichen Zeiten

Heute schließen wir unsere Blogpost-Reihe zu „Souveränität“ mit einem Beitrag von Eva-Sophie Mörschel ab, der Überlegungen zur Relevanz und Aktualität von Bodins Souveränitätsbegriff anstellt.

Seit Jean Bodin die Definition des Souveränitätsbegriffs auf eine machtpolitische Bedeutung ausgeweitet hatte, konnte Souveränität allmählich zum Grundbegriff der Moderne aufsteigen. Die “Six livres de la république” erschienen 1576, als die Legitimation vorstaatlicher Herrschaftsformen in Europa zunehmend in Frage gestellt wurde. Bodins naturrechtliche und universalgeschichtliche Überlegungen kündigten eine politische Versöhnung in Zeiten erbitterter Kämpfe um die Thronfolge und der damit verbundenen Verfolgung hunderttausender Hugenotten im Herrschaftsbereich des Hauses Valois an. Aus seiner Überarbeitung der aristotelischen Regierungsformenlehre leitete Bodin einen Vorschlag für eine neuartige republikanische Form der monarchischen Regierung ab, die er teleologisch durch das Streben nach der freiwilligen Anerkennung naturrechtlicher Pflichten fundierte. Dieser neue normative Zweck der öffentlichen Ordnung sollte dem königlichen Privatkabinett des Ancien Régimes als Leitfaden dienen, um den religiösen, sozialen und politischen Wandel beherrschbar zu machen und den Weg in eine prosperierende Zukunft zu bestreiten. Um die Voraussetzungen zu schaffen, denen es bedürfe, um die Anerkennung naturrechtlicher Pflichten zu verwirklichen, müsse nur das Wesen der politischen Macht – die Souveränität – ‚richtig‘ verstanden und in Form einer republikanischen Ordnung in Kraft gesetzt werden. (mehr …)

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Replik auf Leon Schettler: In der Struktur liegt der Zwang, nicht im Handeln der Akteure

Diese Replik auf den Beitrag „Austerität oder Grexit“ versteht sich rein analytisch und möchte auf zwei Dinge aufmerksam machen: Nämlich dass erstens weite Teile der philosophischen Literatur über coercion und allen voran Robert Nozick durchaus geneigt sind, zu einem anderen Schluss als Leon Schettler zu kommen; und dass zweitens das grundlegendere Problem nicht in Handlungsweisen liegt, die Zwang bedeuten, sondern in Strukturen, die diese Handlungsweisen ermöglichen oder gar selbst Zwang verkörpern. (mehr …)

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Austerität oder ‚Grexit‘! Andersons Konzeption von Zwang und die Griechenlandkrise

Die weitläufige Auffassung, dass die Eurogruppe mit Griechenland vor drei Wochen über ein weiteres Rettungspaket „verhandelt“ habe, führt in die Irre. Denn Verhandlungen zu führen bedeutet die auf Freiwilligkeit basierende Erörterung eines Sachverhaltes mit dem Ziel der Herbeiführung eines Interessensausgleichs zwischen den Verhandlungspartnern. Tatsächlich aber handelte es sich bei dieser Interaktion im Kern um einen durch politische Drohungen erzeugten Druck, der Griechenland dazu bewegte, etwas gegen seinen eigenen Willen zu tun – kurz: es handelte sich um „Zwang“. Insbesondere die deutsche Bundesregierung hat dabei bewusst ihre Macht eingesetzt, um Griechenland ihren Vorstellungen zu unterwerfen. Diese Einsicht ist zentral, da sie in moralischer wie politischer Hinsicht folgenreich für das Nachdenken über eine bessere Europäische Union ist. (mehr …)

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