Radikaldemokratische Sprachlosigkeit. Lesenotiz zu Chantal Mouffes Towards a Green Democratic Revolution

Für (radikale) Demokratietheoretiker_innen muss der Titel von Chantal Mouffes neuem Buch, Towards a Green Democratic Revolution, wie ein verheißungsvolles Versprechen klingen. Denn im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs um die „Klimakrise“ steht die Demokratie seit Längerem im Verdacht, für die verhandelte Problembewältigung ungeeignet zu sein. Nicht nur hat Demokratie den Ruf notorischer Langsamkeit in der Entscheidungsfindung, sie scheint auch untrennbar verquickt mit einem modernen Emanzipationsbegriff, der eine Lösung des Selbsterhaltungsproblems voraussetzt und jenes „prometheische“ Naturverhältnis impliziert, das dem anthropogenen Klimawandel zugrunde liegt. In den Klimabewegungen, die den Anspruch erheben, Fürsprecher der gesellschaftlich nachwachsenden wie der kommenden Generationen zu sein, setzt sich – so diagnostiziert es jedenfalls Philipp Staab in seinem jüngst erschienenen Buch Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft – zunehmend eine neue, demokratieskeptische Vision des (Klima-)Politischen durch, die sich auch auf den Begriff einer „rationalen Technokratie des Überlebens“ bringen lässt.

Towards a Green Democratic Revolution ist von Mouffe und ihrem Verlag als schlagkräftige Erwiderung auf diesen Diskurs positioniert – vermag den geschürten Erwartungen aber nicht zu entsprechen. Die Frage nach dem Verhältnis von Demokratie und der klimapolitisch herausgeforderten Gegenwart findet überhaupt nur im letzten der vier Kapitel des Buches statt, die zusammen 67 großzügig gesetzte Seiten umfassen. Die ersten drei bestehen wesentlich aus kurzen Synopsen von Vorgängertiteln Mouffes, und können, insofern deren Schwächen und Stärken von einer umfangreichen politik- und sozialwissenschaftlichen Literatur bereits herausgearbeitet worden sind, in einer Rezension des neuen Buches getrost übergangen werden, zumal Mouffe selbst sie als Hinführungen zu ihrem vierten Kapitel präsentiert. Es enthält sehr viel und sehr wenig zugleich: sehr viele Verweise auf die multiplen Herausforderungen, die die „anthropozäne“ Gegenwart für Gesellschaften bereithält, sehr wenig systematische Auseinandersetzungen damit; sehr viel optimistische Rhetorik, in der die Klimakrise zum Kairos der demokratischen und linken Sache wird, sehr wenig Theoriearbeit. (mehr …)

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„Quo vadis, Chantal Mouffe?“ Replik auf Astrid Séville

Frank Prady: „I am not your enemy.“

Alicia Florrick: „I know, you are my opponent.“

(Good Wife, Staffel 6, Folge 9)

 

Herzlichen Dank an Astrid Séville für ihre Diskussion und anregenden Gedanken in ihrem Blogbeitrag zu meinem Beitrag in der ZPTH [pdf]. Ich gehe in drei Schritten vor, um auf ihre Kritikpunkte zu antworten. Zuerst werde ich die „So what?!“-Zweifel der Replik besprechen, danach gehe ich auf Sévilles Unterscheidung von Mouffe als Theoretikerin und Bürgerin ein und zuletzt widme ich mich ihrer Kritik der zu schwachen Radikalität. Nachfolgend möchte ich zeigen, dass man mit Mouffe viel zu sagen hat, wenn man sie in Kombination mit anderen Theorien sprechen lässt. Gerade die Kritikpunkte eins und drei von Séville können damit produktiv angegangen werden.

 

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CfP: „The Extreme Centre“ – Symposium zur Zukunft der Demokratie (Köln)

Die Akademie der Künste der Welt lädt Studierende aus Deutschland und Europa zu einem Workshop zur Zukunft der Demokratie im 21. Jahrhundert ein. Der Workshop findet im Rahmen des Symposiums „The Extreme Centre“ am 18. und 19. April 2017 in Köln statt. Diskutanten sind unter anderem Chantal Mouffe, Agnes Heller, Tariq Ali und Saskia Sassen. Bewerbungen (Motivationsschreiben, Kurzbiographie, Vorschlag zur Diskussion) werden bis zum 15. Februar erbeten (paszkowski@academycologne.org), den ausführlichen Call gibt es hier auf Deutsch und Englisch.

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ZPTh-Replik auf Nina Eggers: Konfliktiver Liberalismus als gegenhegemoniales Projekt

Zunächst sind wir Nina Eggers zu großem Dank verpflichtet. Selten enthielt eine Kritik so viel Zustimmung. Indem wir Mouffe als eine Liberale lesen, öffnen wir eine neue Perspektive auf ihr Werk. Dabei folgt Nina Eggers fast durchgehend unseren Thesen und unterstreicht selbst noch einmal Mouffes „Verteidigung der Errungenschaften liberaler Demokratien“ und ihren „liberalen Pluralismus“. Umso verwunderlicher ist dann ihre kritische Pointierung, wir würden Mouffe als eine „verkappte Liberale“ „entlarven“ wollen. Mouffe ist in unserer Lesart keine „verkappte“ Liberale, sondern eine Liberale, die – ihrem eigenen hegemonietheoretischen Ansatz folgend – für ein anderes, alternatives Verständnis des Liberalismus eintritt. Zu „entlarven“ gibt es hier folglich nichts. Vielmehr geht es ihr und ging es auch uns darum, Traditionslinien dieses anderen Liberalismus aufzuzeigen. (mehr …)

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Wiedergelesen: Die Theorie der Hegemonie

Wiedergelesen-Beitrag zu Ernesto Laclau und Chantal Mouffe: Hegemony and Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics, London, New York: Verso 1985 (dt. v. Michael Hintz, Gerd Vorwallner. Wien: Passagen 1991).

 

Oft hat der Tod eines Autors den bemerkenswerten Effekt, sein Werk erneut ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen. Im Falle des jüngst verstorbenen Ernesto Laclaus ist zu erwarten, dass das Interesse an seiner posthumen Monographie The Rhetorical Foundations of Society besonders groß sein wird. Doch Laclaus Tod gibt auch Anlass dazu, den Blick in die Vergangenheit zu richten. Wie steht es um die Aktualität jenes Werkes, das den Startpunkt für den Postmarxismus Laclaus und Chantal Mouffes bedeutete? Die bald 30 Jahre, die seit der Veröffentlichung von Hegemony and Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics im Jahr 1985 zurückliegen, wirken im kurzlebigen Archipel der politischen Theorie wie eine kleine Ewigkeit. Zuletzt ist es um Hegemony ruhiger geworden. Jedoch sind die Anliegen, die Laclau und Mouffe vor einer Generation beschäftigten, längst nicht von der Tagesordnung. In diesem Beitrag plädiere ich thesenhaft dafür, dass Hegemony and Socialist Strategy ein moderner Klassiker der Sozial- und politischen Theorie ist. Laclau und Mouffe entwerfen in diesem Buch erstmals eine poststrukturalistische Diskurstheorie als umfassende Gesellschaftstheorie; sie legen die Pfeiler für eine postfundamentalistische politische Ontologie; letztlich relancieren sie das sozialistische Projekt in neuartiger Weise als Projekt der radikalen Demokratie. Poststrukturalistische Gesellschaftstheorie, politische Ontologie und politisches Projekt, dies ist die Erbschaft, die Hegemony and Socialist Strategy für die Gegenwart hinterlässt. (mehr …)

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CfP: ZPTh-Themenheft zu Chantal Mouffe

Chantal Mouffe ist ohne Frage eine der vieldiskutierten Autorinnen der Gegenwart. Insbesondere ihre demokratie- und gesellschaftstheoretischen Überlegungen sind Grundlage und Anstoß einer Vielzahl wichtiger Debatten in unserer Disziplin. Die Zeitschrift für Politische Theorie (ZPTh) hat sich nun entschlossen, Chantal Mouffe ein Themenheft zu widmen. Herausgeber des Themenhefts sind Oliver Flügel-Martinsen und Oliver Marchart. Einsendeschluss für Beiträge, die nicht länger als 50.000 Zeichen sein sollten, ist der 15. März 2014 – um Interessenbekundung vorab wird gebeten. Alle Infos und eine Umschreibung des Themenzuschnitts hier als PDF. Bis zum 31. Januar 2014 läuft im Übrigen auch noch der ZPTh CFP zum Sonderheft „Repbulikanismus“.

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