Betreff: Wiedergelesen

Unter dem Titel „Wiedergelesen“ öffnet der theorieblog eine neue Sparte in unserer Debattenrubrik. Denn auch zeitlose Texte sind zeitgebunden. Sie entstehen historisch-konkret, verändern sich entsprechend mit der Zeit und sind interpretationsoffen. Lektüren verändern vielleicht nicht Wortlaute, wohl aber deren Bedeutungen; jede Neulektüre und nicht zuletzt Neuübersetzungen belehren, dass das einst Gelesene und Geschriebene ein eigenes Leben lebt, sich weiterentwickelt, mal verblasst, oft verselbstständigt und gelegentlich ganz vom Original entfernt.

Nicht wenige unser häufig auf Formeln reduzierten Klassiker des politischen Denkens wurden über die Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte auf Schlagworte reduziert, leben bisweilen eher vom Ruf als vom Inhalt.

Was etwa ist das „Machiavellian Moment“ (Pocock) – oder wann? Was besagt die „politische Theorie des Besitzindividualismus“ eigentlich (Macpherson)? Und wann erzeugen Verfahren „Legitimation“ (Luhmann)? Ist der „Leviathan“ ein Staat (Hobbes), gab Marx einer „Kommunistischen Partei“ ein Manifest? Wieso benennt Kant, der Königsberg nie verließ, seinen Traktat über den „ewigen Frieden“ nach einer holländischen Kneipe? Welchen „Ausnahmezustand“ hat wer eigentlich „souverän“ beendet (Schmitt), ist der Kapitalismus calvinistisch (Weber), und meinte die „Banalität des Bösen“ (Arendt) denn wirklich, Eichmann sei ein letztlich tumb ergebener Dienstbote der Teufelei gewesen?

Wir laden zum Neu-, Wieder-, Mit- und Gegenlesen ein, hoffen auf Vergewisserungen und Revisionen und freuen uns über rege Beteiligung! Den Auftakt übernimmt zu unserer Freude Caspar Hirschi mit einer aktualisierenden Umwidmung von Luhmanns legendärem Frühtext über die Legitimation durch Verfahren. Im Abstand von je zwei Wochen folgen zunächst Sebastian Huhnholz über Macphersons Besitzindividualismusdeutung, Reinhard Mehring zu Ingeborg Maus’ Über Volkssouveränität und  Matthias Hansl über Mills Repräsentationsschrift.

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