ZPTh-Call: Politische Kultur und Theorie

Die Zeitschrift für Politische Theorie  sucht Beiträge für eine Schwerpunktausgabe 2013 zum Thema „Politische Theorie(n) der Politischen Kultur“. Die Herausgeber Paula Diehl und Samuel Salzborn bitten um maximal dreiseitige Vorschläge bis zum 30. Juli 2012; alle weiteren Infos gibt es nach dem Klick!

Die politische Kulturforschung erlebt gegenwärtig eine Renaissance. Während im deutschsprachigen Raum die Erforschung von politischer Kultur in den letzten Jahren oft auf die Messung einer rein quantitativ-statistischen (Einstellungs-)Dimension beschränkt blieb, entwickelt sich der politische Kulturbegriff im englischen Sprachraum seit einiger Zeit (wieder) zu einem der wesentlichen Instrumente, mit dessen Hilfe politische Konflikte und die Frage nach der Akzeptanz oder Ablehnung bestehender politischer Ordnungen analysiert werden. Dabei gerät die subjektive Dimension des Politischen, die Frage der Vermittlung zwischen Individuum und Struktur, wieder in den Mittelpunkt der Forschung, bei der es zwar auch – wie in der quantitativen Einstellungsforschung – um die Ermittlung von Zustimmungen und Ablehnungen zu politischen Konzepten geht, aber viel mehr noch versucht wird, mit dem Konzept der Politischen Kultur systematisch einen Raum zu erschließen, in dem das gesamte Interaktionsfeld des Politischen vermessbar wird – einschließlich seiner theoretischen, historischen und dynamischen Dimensionen.
In den letzten zehn Jahren fokussiert die politische Kulturforschung insofern international wieder stärker auf einen qualitativ entwickelten und theoretisch explizierten Begriff von politischer Kultur, der diese als analytische Kategorie für politische Konflikte entlang weltanschaulicher, ethnischer und religiöser Fragen konzeptionell nutzbar machen will (Ansätze u.a. von Bennich-Björkman, Carr, Henderson und Woshinsky). Im deutschen Sprachraum liegt die Dominanz der politischen Kulturforschung zwar nach wie vor im quantitativ-empirischen Bereich, doch hat auch hier Schuppert kürzlich eine konzeptionelle Wende eingefordert, bei der sich der Blick der politischen Kulturforschung wieder stärker von der Einstellungs- auf die Vorstellungsebene und damit die politisch-kulturelle Analyse von Weltanschauungen verlagern sollte, um damit – in den Worten Schupperts – das politische Kulturkonzept von „seinem subjektiven Kopf und den darin enthaltenen Meinungen und Einstellungen auf seine strukturellen und institutionellen Füße“ zu stellen.
Zentral ist insofern erstens die Rückkopplung an das politiktheoretische Fundament, das die Kriterien für die Analyse und Beurteilung politisch-kultureller Phänomene liefern kann und zweitens die Verknüpfung mit der politischen Ideengeschichte, die den Kontext der Entstehung und Veränderung kultureller Praxen erschließen lässt. Einige innovative Ansätze hierfür finden sich auch in der Geschichtswissenschaft; vor allem die historische Ritual- und Symbolforschung ist darum bemüht, eine Brücke zwischen kultureller Praxis und politischer Ideen zu schlagen, politische Semantik, politische Symbolik, Bilder und Rituale sind hierfür grundlegend. Inzwischen hat sich in Deutschland die Bildwissenschaft als trans- und interdisziplinärer Forschungszweig (Sachs-Hombach) etabliert. Für die politische Kulturforschung erscheint sie besonders produktiv mit Blick auf die Frage, wie diese
Forschungsfelder an die politische Theorie angebunden werden können und welche Schnittstellen zwischen ihnen existieren, die eine stärker politikwissenschaftliche Adaptation bedürfen?
Von Bedeutung sind auch die Arbeiten der britischen und amerikanischen Cultural Studies (Hall, Fiske) und der Kulturwissenschaften im weitesten Sinne. Sie haben dazu beigetragen, den Begriff des Politischen zu erweitern und die Aufmerksamkeit auf politische Prozesse innerhalb der kulturellen Produktion zu lenken. Kunst, Massenmedien, Pop-Kultur und Konsum sind einige der Orte, in denen politische Kultur untersucht werden kann. Während die Cultural Studies Ansätze entwickelt haben, die den Machtbegriff ausweitet und auf die Bedeutung der drei Kategorien Gender, Class und Race aufmerksam gemacht hat, haben die deutschen kulturwissenschaftlichen Disziplinen stärker aktuelle politische Phänomene behandelt, die von der Politikwissenschaft und von der politischen Theorie nicht berücksichtigt wurde: politische Unterhaltung, Inszenierung und Bilderproduktion wenden nach wie vor schwerpunktmäßig von Geschichts- und Theaterwissenschaften behandelt. Hier stellt sich die Frage nach dem Beitrag der Culture Studies und der Kulturwissenschaften für politikwissenschaftliche Forschung der politischen Kultur: Von welchem Kulturbegriff soll man ausgehen? Wie wird das Politische definiert? Welche theoretischen und methodischen Ansätze sind für eine Aktualisierung der politischen Kulturforschung besonders produktiv? In dem Schwerpunktheft der ZPTh soll der Versuch unternommen werden, den politischen Kulturbegriff historisch-theoretisch zu rekonstruieren und vor dem Hintergrund der internationalen Debatten mögliche theoretische Konzeptionen von politischer Kultur zu diskutieren. Gewünscht sind Vorschläge für Beiträge aus folgenden Themenfeldern:
1. Ideengeschichte: Konzepte der politischen Kulturforschung in ihrer Genese, die die Entwicklungen und Etappen der politischen Kulturforschung und der ihr jeweils zugrunde liegenden Begriffsverständnisse von (politischer) Kultur rekonstruieren. Gefragt werden könnte hier auch nach der Wechselwirkung und Interaktion zwischen den einzelnen politischen Kulturverständnissen in der Ideengeschichte und ihrem Verhältnis im Spannungsfeld von Integration und Differenz.
2. Auseinandersetzung mit der aktuellen Debatte der nationalen und internationalen Perspektiven der politischen Kulturforschung, die unter theoretischer Prämisse diskutiert werden sollen. Hierbei kann es auch um eine methodologische Positionsbestimmung im Verhältnis zur empirischen politischen Kulturforschung gehen.
3. Anknüpfungspunkte des Konzepts der politischen Kultur zu anderen aktuellen Theorie-Diskussionen, wie sie beispielsweise im Bereich der Internationalen Politischen Theorie geführt werden. In welcher Beziehung stehen normative und empirische Kulturbegriffe in Relation zur internationalen Politik, welche Bedeutung hat (politische) Kultur mit Blick auf symmetrische und asymmetrische Konflikte in den internationalen Beziehungen?
4. Politische Theorie und interdisziplinäre Zugänge wie Cultural Studies, Kultursoziologie, Medien- und Kulturwissenschaften: Gefragt sind hier theoretische bzw. methodologische Überlegungen zu den Perspektiven und den Grenzen des
Dialogs der Politischen Theorie und ihrer Nachbardisziplinen mit Blick auf das politische Kulturkonzept.
Vorschläge für Beiträge werden im Umfang von max. drei Seiten erbeten bis zum 30. Juli 2012. Ein Feedback durch die Herausgeber/innen erfolgt bis zum 31. August 2012. Die Deadline für die Einreichung der Aufsätze liegt am 28. Februar 2013. Anschließend durchlaufen die Aufsätze das reguläre peer review-Verfahren der ZPTh. Das Erscheinen des Themenschwerpunktes ist vorgesehen für das Heft 2/2013 der „Zeitschrift für Politische Theorie“.
E-Mail-Kontakte: pauladiehl@gmx.com und salzborn@demokratieforschung.net