Warum Solidarität kein ‚leerer Signifikant‘ ist

— Nach Ulf Tranows Auseinandersetzung mit Solidarität als analytischem und normativem Begriff diskutiert Stefan Wallaschek in unserer Solidaritäts!?-Debatte heute die grundsätzliche Frage, ob Solidarität ein leerer Signifikant oder ein umkämpftes Konzept ist. —

 

We don’t demand solidarity; we appeal to solidarity“
Jodi Dean ‚Reflective Solidarity‘ (1995)

Solidarität ist in aller Munde. Dabei erleben wir nicht nur eine diskursive Referenz auf Solidarität von linken Akteuren bei Protesten und Demonstrationen, sondern auch von konservativer und sogar rechtsradikaler Seite wird der Begriff gegenwärtig genutzt. Bei dieser Akteurs- und Diskurslage könnte man verleitet sein, Solidarität als ‚leeren Signifikanten‘ zu bezeichnen. Solidarität würde dann als bedeutungsleer gelten, der sich begrifflich alles aneignet und damit so flexibel ist, dass sich auch benachbarte Begriffe unter diesem Banner subsumieren ließen. So intuitiv dies erscheinen mag, werde ich im Folgenden argumentieren, dass dies das Laclau’sche Konzept des ‚empty signifier‘ zu sehr vereinfacht und obendrein die Spezifik des Solidaritätsbegriffes verpasst. Vielmehr handelt es sich, so mein alternativer Vorschlag, bei Solidarität um ein ‚contested concept‘ im Anschluss an Gallie, der die diskursive Umkämpftheit und begriffliche Varianz hervorhebt (mehr …)

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Die Zukunft der Solidarität – (keine) zwei Meinungen

„Solidarität“ ist, nicht zuletzt im Kontext der diversen ‚Krisen‘ der jüngeren Vergangenheit, in aller Munde und erfährt auch aus politik- bzw. sozialwissenschaftlicher Perspektive (wieder) zunehmend Aufmerksamkeit. Deshalb kann es nicht überraschen, dass auch Heinz Budes jüngst unter dem Titel „Solidarität. Die Zukunft einer großen Idee“ (Hanser 2019, 176 Seiten) veröffentliche Überlegungen eine rasche Rezeption erfahren haben. Hier auf dem Theorieblog schlägt sich dies darin nieder, dass wir mit einer ‚doppelten‘ Lesenotiz von Stefan Wallaschek und Marie Wachinger gleich zwei Perspektiven auf Budes Buch bekommen. Wie immer dürfen natürlich aber auch hier weitere Eindrücke gerne im Kommentarbereich ergänzt werden.

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„Quo vadis, Chantal Mouffe?“ Replik auf Astrid Séville

Frank Prady: „I am not your enemy.“

Alicia Florrick: „I know, you are my opponent.“

(Good Wife, Staffel 6, Folge 9)

 

Herzlichen Dank an Astrid Séville für ihre Diskussion und anregenden Gedanken in ihrem Blogbeitrag zu meinem Beitrag in der ZPTH [pdf]. Ich gehe in drei Schritten vor, um auf ihre Kritikpunkte zu antworten. Zuerst werde ich die „So what?!“-Zweifel der Replik besprechen, danach gehe ich auf Sévilles Unterscheidung von Mouffe als Theoretikerin und Bürgerin ein und zuletzt widme ich mich ihrer Kritik der zu schwachen Radikalität. Nachfolgend möchte ich zeigen, dass man mit Mouffe viel zu sagen hat, wenn man sie in Kombination mit anderen Theorien sprechen lässt. Gerade die Kritikpunkte eins und drei von Séville können damit produktiv angegangen werden.

 

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Wiedergelesen: Intoleranz ist Toleranz ist Intoleranz: Herbert Marcuses „Repressive Toleranz“

Wiedergelesen-Beitrag zu: Marcuse, Herbert (1984 [1965]): Repressive Toleranz. Mit einer Nachschrift von 1968. In: Herbert Marcuse Schriften. Band 8. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 136-166.

 

Die „Frankfurter Schule“ wird in der Klassikerrezeption oft auf Adorno und Horkheimer reduziert. Dabei wird verkannt, dass mit Herbert Marcuse ein ebenso engagierter Intellektueller die Kritische Theorie entscheidend mitprägte. Marcuses dezidiert politische Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen machen seine Wichtigkeit für die Kritische Theorie aus. In der Verknüpfung aus theoretischer Reflexion und politischem Engagement unterscheidet sich Marcuse erheblich von gegenwärtigen TheoretikerInnen; diese suchen vor allem fachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen und greifen nur noch selten als kritische Intellektuelle in die öffentlichen Debatten ein.

Ich will mich in die inhaltliche Auseinandersetzung mit Marcuses aufwirbelndem Essay „Repressive Toleranz“ aus dem Jahr 1965 begeben. Toleranz, so meine These im Anschluss an Marcuse, kann nur als ambivalenter Begriff für Theorie und Praxis verstanden werden. Während Toleranz theoretisch zwischen Verschleierung und Wahrheit pendelt, bewegt sie sich in der Praxis zwischen Duldung und Emanzipation (siehe Abb.1). (mehr …)

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Quo vadis, gute Lehre? Diskussionsbericht vom DVPW-Kongress

Ausgehend von einer Kritik einer Bonner Professorin im Frühjahr 2012 über „wassertrinkende“ Studierende in ihrer Veranstaltung und der darauffolgenden Diskussion unter Lehrenden organisierten Sybille de la Rosa und Stefan Skupien auf dem 25. DVPW-Kongress in Tübingen eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: „Gute Lehre – Was tun? Variationen der Lehre in den Politikwissenschaften“. Für das Podium waren Kai-Uwe Schnapp (Hamburg), Astrid Lorenz (Leipzig), Stefanie Walter (Heidelberg) und Julia Kümper (Osnabrück) vertreten. Im Vordergrund standen die zu verbessernde Schreibfähigkeit der Studierenden, eine strukturiertere und geschultere Lehre sowie der Austausch der Studierenden untereinander. (mehr …)

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