Die ordoliberale Disziplinierung Europas? Lesenotiz zu Thomas Biebricher „Die politische Theorie des Neoliberalismus“

„Neoliberalismus“ ist ein schillernder Begriff. Abhängig davon aus welcher Denkrichtung er beleuchtet wird, gilt er den Einen als Inbegriff freiheitlichen Denkens, den Anderen hingegen als Kampfbegriff zur Stigmatisierung (wirtschafts-)politischer Positionen, die staatlich verordnete, redistributive Maßnahmen sozialer Gerechtigkeit zugunsten des freien Wirkens der Marktkräfte mit aller Macht zu verhindern suchen. Staat und Markt sind in der allgemeinen Wahrnehmung ohnehin jenes Paar, dessen Beziehung im neoliberalen Denken, egal von welcher Seite es betrachtet wird, den zentralen Anker darstellt. Nach Lektüre der nun in deutscher Übersetzung im Suhrkamp-Verlag erschienenen Habilitationsschrift von Thomas Biebricher, ist eben jener Beziehungsstatus wohl eher als „kompliziert“ zu kennzeichnen, wird doch deutlich, dass eine angenommene Gegnerschaft beider Partner vor dem Hintergrund des vielgestaltigen und keinesfalls konsensualen neoliberalen Denkens, auf einem zu unterkomplexen Verständnis dieser Dichotomie beruht.

(mehr …)

Weiterlesen

Ringvorlesung: Demokratie in der Krise? (Frankfurt)

Am Frankfurter Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ findet im nun bald beginnenden Sommersemester eine Ringvorlesung zum Thema „Demokratie in der Krise? Bruch, Regression und Resilienz“ statt. Die hochkarätig besetzte Vorlesungsreihe wird in diesem Sommer von Martin Saar und Thomas Biebricher organisiert. Mit Vorträgen von: Oliver Marchart, Catherine Colliot-Thélène, Michael Walzer, Ulrike Guérot, Oliver Nachtwey, John P. McCormick, Regina Kreide und Philip Manow. Die Vorträge finden (mit einer Ausnahme) jeweils Mittwochs am Campus Westend im HZ 6 statt. Alle weiteren Infos zur inhaltlichen Konzeption, Terminen, Vortragenden und Vorträgen findet ihr auf der Website des Clusters oder ausführlich hier im PDF.

Weiterlesen

Podcast: Thomas Biebricher – Gouvernementalität und die Kritik des Neoliberalismus

Plakat_Zukunft_der_Politischen_Theorie-001Der Neoliberalismus ist einer der umstrittensten Begriffe der gegenwärtigen Sozialwissenschaften, ein „essentially contested concept“ – für die einen ist er ein politischer Kampfbegriff, für die anderen ein fast universell einsetzbares Analyseraster für heutige Gesellschaften. Thomas Biebricher, der neben zahlreichen Aufsätzen zu dem Thema auch eine Einführung in „den“ Neoliberalismus veröffentlicht hat, versucht beides zu vermeiden und in Verbindung mit Foucaults Begriff der Gouvernementalität aus dem stigmatisierten Begriff ein präzises Analysewerkzeug zu gewinnen.  Entlang der foucaultschen Achsen Wissen, Macht und Subjekt zeichnet er die Regierungspraxis der Gouvernementalität als spezifische Mischung aus Theorie und Praxis nach. Die Verbindung mit dem Neoliberalismus ergibt sich vor allem daraus, dass der Neoliberalismus kein Ökonomismus ist, sondern auf den Laissez-faire-Liberalismus mit der Einsicht reagiert, dass der Staat, die Regierung, das Funktionieren der Märkte sicherstellen muss. Die neoliberale Gouvernementalität soll stabile Märkte ermöglichen. Verbunden ist dies bspw. mit einer Subjektform, die nicht wie der homo oeconomicus einseitig durch Nutzenmaximierung bestimmt ist, sondern die durch ein spannungsreiches Verhältnis von Risikobereitschaft und Vorsorge, Freiheit und Verantwortung geprägt ist. Diese Form der Analyse ermöglicht, so Biebricher, eine neue Form der Kritik, da sie erst die Alternativen sichtbar macht, indem sie die Machtmechanismen aufdeckt, die Techniken der Wissensproduktion offenlegt und uns Subjekte nach dem Preis der Emanzipation fragen lässt.

Audio: Download

Audio-Stream:

Das Video gibt’s nach dem Sprung:

(mehr …)

Weiterlesen

Wiedergelesen: Kleine Geschichte des Neoliberalismus, oder: Der Weg zur Knechtschaft

Wiedergelesen-Beitrag zu Friedrich August von Hayeks The Road to Serfdom, London: Routledge 1944 (dt.: Der Weg zur Knechtschaft, in: Gesammelte Schriften in deutscher Sprache: Abt. B, Bücher 1, hrsg. v. Manfred E. Streit, Tübingen: Mohr Siebeck 2004).

 

Hayek selbst war vermutlich am meisten überrascht von seiner plötzlichen Berühmtheit in den USA. Angereist aus Großbritannien, um eine Reihe kleinerer Vorträge anlässlich der Veröffentlichung seines neuesten Buchs im Jahr zuvor zu halten, sah er sich schon auf der ersten Station seiner Reise in der New Yorker Town Hall einem vollbesetzten Auditorium von dreitausend Zuhörern gegenüber. Der Verlagsagent ließ ihn kurz davor noch wissen, dass er nicht nur 45 Minuten sondern genau eine Stunde sprechen müsse, da der Vortrag auch im Radio übertragen würde und so besser ins Sendeformat passe.

Vor genau 70 Jahren wurde Friedrich August von Hayeks The Road to Serfdom (dt.: Der Weg zur Knechtschaft) veröffentlicht, und die Publikation sollte sich als einschneidendes Ereignis nicht nur für Hayeks Leben, sondern auch für die Geschichte des modernen Kapitalismus erweisen. (mehr …)

Weiterlesen