Dolf Sternberger und das Grundgesetz als „lebende Verfassung“  

Nachdem Alexander Gallus gestern die kritischen intellektuellen Stimmen präsentiert hat, die den Prozess der Grundgesetzentstehung auch begleiteten, widmet sich Jens Hacke im zweiten Blogbeitrag zum Jubiläum der Verkündigung des Grundgesetzes in besonderer Weise Dolf Sternberger und der Entwicklung seines Verhältnisses zum Grundgesetz.

Kaum ein Begriff ist so eng mit dem Grundgesetz verwoben wie derjenige des Verfassungspatriotismus. Dolf Sternberger hatte ihn in seinem gleichnamigen FAZ-Leitartikel zum 30. Jahrestag im Jahr 1979 öffentlichkeitswirksam geprägt – bevor Jürgen Habermas in den 1980er Jahren zu seiner weiteren Verbreitung beigetragen hat. Bekanntlich bereitete er mit seinem Bekenntnis zum Verfassungspatriotismus seine Diskurstheorie des demokratischen Rechtsstaates vor, die er in Faktizität und Geltung ausarbeiten sollte. Es ist oft darauf hingewiesen worden, dass der Aristoteliker Sternberger im Unterschied zu Habermas ein zugänglicheres, auf die Einübung demokratischer Lebensformen orientiertes Konzept verfolgte. In der Tat hatte Sternberger die Idee des Verfassungspatriotismus schon früh entwickelt. Sie begleitet die Gründungs- und Formationsphase der Bundesrepublik und findet sich bei ihm gebündelt in der Vorstellung einer „lebenden Verfassung“. Sternbergers flexibles Verständnis einer im besten Sinne „freiheitlich demokratischen Grundordnung“ absolvierte dabei bestimmte Anpassungsprozesse, die Aufschluss über Lernerfahrungen geben. (mehr …)

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Kritik und Konstruktion. Betrachtungen zur Intellectual History der Grundgesetzentstehung 

Anlässlich des 75. Jahrestags der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 veröffentlicht der Theorieblog heute und morgen zwei Beiträge, die die Debatten um das Grundgesetz ideenhistorisch betrachten. Den Auftakt macht Alexander Gallus aus Perspektive der Intellectual History.

Auch wenn der 23. Mai als der Tag, an dem das Grundgesetz verkündet wurde, weder nationaler Gedenk- noch gesetzlicher Feiertag ist, markiert er doch wie kaum ein zweites Datum den Gründungsmoment der Bundesrepublik. Anlässlich des fünfundsiebzigsten Jubiläums erscheint es umso angebrachter, diesen herausgehobenen Erinnerungsort der neuesten deutschen Geschichte prominent herauszustellen. Dieser Aufgabe hat sich das Bonner Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit der Ausstellung „Unser Grundgesetz“ und einer sie begleitenden Veranstaltungsreihe unter der Überschrift „Ein großer Wurf“ gestellt. 

Die Verabschiedung des Grundgesetzes erscheint so besehen wie die Grundsteinlegung für die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik, jener viel beschworenen „geglückten Demokratie“ (Edgar Wolfrum). Die Geschichte vom Siegeszug einer Verfassung, die anfangs nur als Transitorium gelten sollte und eben deshalb den Titel „Grundgesetz“ erhielt, wird nicht zuletzt damit erklärt, dass es über die institutionellen, prozeduralen und normativen Grundlagen des neuen Staates hinaus bald als Dokument galt, das eine lebendige Demokratie ermöglichte und sogar so etwas wie einen „Verfassungspatriotismus“ hervorzurufen vermochte. 

Intellektuelle Skepsis – oder: kein Zauber des Anfangs 

Wer sich zurückbegibt in die Jahre, als die verfassungsrechtliche Neuordnung (West‑)Deutschlands zur Disposition stand, betritt hingegen ein kontroverses Feld, das neben fachkompetenten Juristen und politisch mandatierten Entscheidungsträgern auch ‚freischwebende‘ Intellektuelle mit bestellen wollten. Die letztgenannte Gruppe soll in exemplarischer Weise in den Blick geraten, um darzulegen, wie wenig Anlass das Grundgesetz von einer entstehungsgeschichtlichen Warte aus gab, in diesem Vorgang einen feierwürdigen Gründungsakt als Beginn der bis heute anhaltenden success story zu erkennen.  (mehr …)

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CfP: 75 Jahre Grundgesetz (Femina Politica)

Für einen von ihnen betreuten Schwerpunkt in der Femina Politica zu „75 Jahre Grundgesetz – Perspektiven feministisch-politikwissenschaftlicher Rechtskritik“ laden Gesine Fuchs und Gabriele Wilde zur Einreichung von Beitragsvorschlägen ein. Erwünscht sind insbesondere theoretische und theoriegeleitete empirische Beiträge, die sich mit der gesellschaftspolitischen Bilanz und Zukunft des Grundgesetzes befassen und dabei – ausgehend auch von neuen rechtsphilosophischen Ausdeutungen des Begriffs der Würde – den Fokus auf individuelle und soziale Aspekte grundrechtlicher Regelungen richten und deren Auswirkungen auf zivilgesellschaftliche, öffentliche und familiale Lebensordnungen kritisch hinterfragen. Vorschläge sollen dabei bis zum 26. Juni 2023 eingereicht werden. Weitere Informationen zum geplanten Schwerpunkt und möglicher Beiträge finden sich hier.

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Vortragsreihen zu Demokratie und Grundgesetz in Siegen

Elemente, Herausforderungen und Chancen der Demokratie stehen immer donnerstags um 20 Uhr im Fokus einer Reihe von öffentlichen Abendvorträgen des von der Universität Siegen ins Leben gerufenen Forums Siegen. Theoretische Perspektiven macht dabei am 18. Mai 2017 insbesondere Emanuel Richter (RWTH Aachen) mit einem Vortrag zu „Was ist Demokratie? Argumente gegen deren Beliebigkeit“ stark. Theoretische Perspektiven durchziehen aber auch die Vorträge zu politischer Bildung (Christian Zimmermann) oder demokratischer Selbstbestimmung und Staatsbürgerschaft (Anna Meine).

Zudem liest die Universität Siegen im Rahmen des Programms „Eine Uni – ein Buch“ in diesem Semester das Grundgesetz. Zu den Aktivitäten und Aktionen gehört dabei auch die Ringvorlesung Donnerstags um 6. Diskutiert werden u.a. philosophische, juristische und politikwissenschaftliche Perspektiven auf das Grundgesetz – von Grundfragen der Freiheit und Menschenwürde über Möglichkeiten des Verfassungswandels bis zum Spannungsfeld von Gleichheit und Differenz.

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Konferenz in Dresden: Verfassung und Transzendenz

Am 25. und 26. November 2011 findet an der TU Dresden – im Rahmen des SFB 804 und der DVPW-Themengruppe „Verfassung und Politik“ eine Tagung zu „Verfassung und Transzendenz“ statt. Erörtert werden soll die in Konstitutionen angelegte Spannung zwischen Verfügbarkeit und Unverfügbarkeit. Es geht also sowohl um die symbolische Dimension von Verfassungen wie um deren Geltungsgründe und Stabilisierungsmechanismen. Tagungsort ist die Bibliothek des SFB  und Interessenten werden gebeten,  sich vorab bei Daniel Schulz (daniel.schulz@tu-dresden.de) anzumelden. Das Programm mit Beschreibung, Vortragenden (u.a. Samuel Salzborn, Sabrina Zucca, Oliver Lembcke und Joachim Bühler) und weiteren Infos findet ihr hier.

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