DVPW 2018: Materielle Grenzziehungen der Demokratie – ein Tagungsbericht als Spurensuche

Heute begibt sich unsere Kongressberichtsreihe auf die Zielgerade: Last but not least blicken Sebastian Berg und Ann-Kathrin Koster auf den DVPW-Kongress zurück und zeigen, inwiefern in Frankfurt die materiellen Grenzen der Demokratie diskutiert wurden.

Die Voraussetzungen der Demokratie – technische, ökologische, territoriale oder ökonomische – schienen beinahe im postfundamental turn demokratischer Ungründbarkeit und virtueller Entgrenzung des Digitalen verschwunden gewesen zu sein. Doch die Prekarisierung des einstigen demokratischen Siegeszugs in der Gegenwart realisiert sich auch in Begleitung sozioökonomischer Verteilungsfragen und technischer Entfremdungskritik, so dass für die Politikwissenschaft eine „Wiederkehr der Dinge“ (Balke) konstatiert werden kann, in denen sich Grenzen der Demokratie manifestieren. Auf dem 27. DVPW-Kongress wollten wir daher den materiellen Spuren dieser Grenzziehungen folgen und ihre Bedeutung für die Gegenwartsdiagnosen der Demokratie entlang dreier Dimensionen näher beleuchten: das Materielle als Bedingung, seine Kontrolle sowie als Verlusterfahrung. (mehr …)

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Den Staat wieder spüren – Heimat und Infrastruktur

— Amina Nolte und Carola Westermeier richten zum Start der letzten Woche unserer Heimat!?-Reihe den Blick auf die Bedeutung von Infrastruktur und damit auf die materielle Dimension von Heimat und Heimatpolitik. —

„Zusammenhalt“ und „gleichwertige Lebensverhältnisse“ sind die erklärten Ziele des Bundesministeriums des Innern, für Bau und – seit dieser Legislaturperiode – Heimat. Viele öffentliche Beiträge, die sich mit dem Heimatbegriff beschäftigen, haben darauf aufmerksam gemacht, dass Diskurse um Zugehörigkeit auch immer Ausgrenzungsprozesse erzeugen und dass ein Gefühl von Heimat mitunter Ergebnis eines langen Prozesses sein kann. Was in diesen Diskussionen wenig Beachtung gefunden hat, sind die sich konkretisierenden politischen Maßnahmen, die keineswegs nur auf Identitätsdiskurse und Leitkultur abzielen, sondern eine durchaus handfeste materielle Dimension implizieren. Ganz konkret geht es dem Bundesministerium in Bezug auf Heimat weniger um Emotionen und Identitäten als „um Infrastruktur, um Kultur, um Daseinsvorsorge. Da müssen sehr handfeste strukturpolitische Entscheidungen getroffen werden,” wie der Abteilungsleiter des neuen Heimatministeriums kürzlich im STERN erklärte. Auf diese Weise bekommt der eher abstrakte und umstrittene Heimatbegriff mittels des scheinbar unproblematischen Begriffs der Infrastruktur eine konsensfähige materielle Grundlage. Denn angesichts maroder Straßen, schlechter Netzversorgung und chronisch überlasteter Bahntrassen wird der Aufruf zum Infrastrukturausbau gemeinhin sehr begrüßt. Der Ausbau und Betrieb von Infrastrukturen als zentralen Versorgungssystemen, die Gesellschaft erst ermöglichen, steht jedoch in einem engen Zusammenhang mit dem Ausbau der Sicherung eben dieser Systeme. Infrastrukturpolitik, hier verstanden als techno- und biopolitische Regierung der Gesellschaft, wird somit zum Gegenstand sicherheitspolitischer Bedenken und Maßnahmen, durch die staatliche Akteure in Kooperation mit privaten Anbietern ihren Zugriff auf die Bevölkerung unhinterfragt ausbauen können. Der Zusammenhang von Heimat, (privatisierter) Infrastruktur und Sicherheit soll deshalb in diesem Beitrag einer kritischen Analyse unterzogen werden. (mehr …)

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