Geoffroy de Lagasneries kommender Aufstand. Zum Elend politik-philosophischer Deutungen des Digitalen

Geoffroy de Lagasnerie: Die Kunst der Revolte – Snowden, Assange, Manning. Berlin: Suhrkamp 2016.

Geoffroy de Lagasnerie - Kunst der Revolte, Suhrkamp 2016

Von Geoffroy de Lagasnerie, der sich anschickt, die große Tradition der öffentlichen Intellektuellen Frankreichs zu beerben, liegt mit Die Kunst der Revolte. Snowden, Assange, Manning seit Anfang Februar ein erster Essay in deutscher Übersetzung vor. Das bei Suhrkamp erschienene Bändchen spart nicht an Grandezza und formuliert plakativ als These, dass wir „gegenwärtig das Auftauchen von etwas Neuem“ (11) erleben. De Lagasnerie zeigt Mut zur zeitdiagnostischen Positionierung, möchte das Klein-Klein innertheoretischer Argumente beiseiteschieben und stattdessen eine Globalanalyse der Gegenwart, ihrer Widersprüche und vor allem ihrer Gegenkräfte liefern. Indem er sich dabei an die Front des Digitalen und Vernetzten begibt, betritt er ja tatsächlich gewissermaßen Neuland. Der Umstand, dass er die Tragweite des Vorhabens richtig einschätzt, besagt aber natürlich noch lange nicht, dass auch dessen begriffliche, theoretische und analytische Qualität überzeugt – und in allen drei Belangen bleibt die Kunst der Revolte doch erheblich hinter den geweckten Erwartungen zurück. (mehr …)

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Durchs PRISM geguckt: Die NSA-Leaks in politiktheoretischer Perspektive

Die durch Edward Snowden geleakten NSA-Files haben eine heftige Empörungswelle ausgelöst. Viele der grundlegenden Fragen, die durch die Datensammlung des amerikanischen Geheimdiensts aufgeworfen werden, sind dabei auch in der politischen Theorie von großer Relevanz und eignen sich, um über den Tag hinaus in der akademischen Auseinandersetzung bedacht zu werden. So erzeugt die sich manifestierende Tendenz zum Überwachungsstaat, die Beurteilung des Handelns von Edward Snowden und das Verhältnis von privaten Internetfirmen und Staatsgewalt reichlich Reflektionsbedarf. Dieser Blogbeitrag möchte daher die wichtigsten Positionen der oben genannten Diskursstränge kurz vorstellen und zugleich versuchen, die aufgeworfenen Fragen in eine stärker abstrakt-allgemeine Problemstellung hinüberzuleiten. (mehr …)

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Wikileaks-Reflexion in Frankfurt und neuer sicherheitspolitischer Blog

Am kommenden Mittwoch, 09.11.2011, findet in Frankfurt ein Workshop plus Podiumsdiskussion zu Wikileaks statt. Der Workshop beginnt morgens um 11 Uhr und setzt sich in seinem ersten Panel schwerpunktmäßig mit demokratietheoretischen Fragestellungen zu Whistleblowing und Transparenz auseinander, im zweiten Block dann mit eher empirischen Fragen zu den Auswirkungen von ‚leaking‘ auf Außenpolitik und Diplomatie. Am Abend findet eine öffentliche Podiumsdiskussion statt, auf der Wolfram v. Heynitz (Auswärtiges Amt), Guido Strack (Whistleblower Netzwerk) und Christoph Bieber (Uni Duisburg-Essen) die Folgen von Wikileaks für Diplomatie und Demokratie diskutieren. Alle Infos und die genauen Zeiten hier.

Im Zuge der Veranstaltung wurde zudem ein neuer Blog gestartet: http://www.sicherheitspolitik-blog.de/. Auf diesem werden in der nächsten Zeit die Ergebnisse eines Wikileaks-Forschungsseminar aus dem Sommersemester 2011 präsentiert, bevor das thematische Spektrum auf weitere – durchaus auch für Theoretiker relevante – Untersuchungen zum Wandel des Sicherheitsbegriffs ausgeweitet wird. (mehr …)

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CfP: Sicherheitsbedrohung oder subversive Demokratisierung – Workshop zu Wikileaks

Das Thema Wikileaks hat im letzten Jahr eine Menge Wirbel verursacht und man kann wahrlich nicht behaupten, dass es an meinungsstarken Beiträgen gefehlt hätte. Wahlweise wurde in der Whistleblowing-Plattform die Demokratisierung der Demokratie gesehen oder die Zerstörung des Fundaments friedlicher und verantwortlicher (Außen-)Politik. Mittlerweile hat sich der Pulverdampf etwas gelegt und es ist an der Zeit für seriöse Reflexionen auf das Phänomen Leaking und seine Wirkungen. In Frankfurt soll dies im Rahmen eines eintägigen Workshops geschehen, der vom Forschungsprojekt „Sicherheitskultur im Wandel“ und dem Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ organisiert wird. Der Titel der Veranstaltung lautet „Leaking: Sicherheitsbedrohung oder subversive Demokratisierung?“  und sie wird am 09. November stattfinden. Dem Thema sollen dann sowohl aus normativen wie empirischen Perspektiven Interessantes abgewonnen werden und es besteht auch kein Zwang sich allein auf Assange und Wikileaks zu konzentrieren. Derzeit seid ihr aufgefordert Abstracts (500-750 Wörter) einzureichen. Stichtag ist der 15. September. Bitte sendet die Abstracts an alle drei Organisatoren: Christopher Daase (christopher.daase@normativeorders.net), Nicole Deitelhoff (nicole.deitelhoff@normativeorders.net) und Thorsten Thiel (thorsten.thiel@normativeorders.net) – full disclosure: Der Verfasser dieses Hinweises ist also Mitorganisator der Veranstaltung – und hier noch der Link zur PDF mit einer ausführlicheren Version des Calls.

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Re:publica 2011 oder wie „so-called Nerds“ über Gesellschaft reden

Wenn der Nachbar auf dem iPad surft (der Linke wie der Rechte), die Zuhörer beim Vortrag den Blick immer abwechselnd zwischen Laptop und Smartphone pendeln lassen und man beim Verlassen des Saals über Club-Mate-Flaschen stolpert, dann ist man wohl kaum auf einer klassischen wissenschaftlichen Konferenz gelandet. Weit wahrscheinlicher ist, dass man sich auf der re:publica befindet, Deutschlands größter Bloggerkonferenz. Denn auch Blogger, Twitterer, Netzaktivisten, Digital Natives und Social-Media-Nerds wissen den face2face Austausch zu schätzen und treffen sich dazu im großen Rahmen jährlich in Berlin. Organisiert wird die re:publica von den Größen der deutschen Netzpolitik – Spreeblick, newthinking und Netzpolitik.org. Warum das politische Theoretiker interessieren sollte? Ganz einfach: Auf der re:publica wird nicht nur (genauer: überhaupt nicht) Quellcode ausgetauscht, sondern es findet ein offener, sehr politischer Austausch über die Chancen und Risiken der digitalen Gesellschaft statt. Und deshalb nun ein kurzer Überblick über trendige Themen und interessante Einsichten für politische Theoretiker in vier Hashtags. (mehr …)

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Appell von Juristen und Philosophen gegen die Haftbedingungen von Bradley Manning

Bradley Manning wird vorgeworfen, geheime US-Dokumente an Wikileaks weitergegeben zu haben, u.a. die vielbeachteten Botschaftsdepeschen. Während Manning noch auf eine offizielle Verhandlung wartet, geraten seine außerordentlich strengen Haftbedingungen immer mehr in die Kritik. Der Sprecher von Hillary Clinton musste vor wenigen Tagen seinen Job aufgeben, nachdem er die Behandlung öffentlich als „ridiculous and counterproductive and stupid“ bezeichnet hatte.

Seit kurzem gibt es nun einen Appell von US-amerikanischen Philosophen und Juristen gegen Mannings Haftbedingungen, initiiert von Bruce Ackerman und Yochai Benkler, unterstützt u.a. von David Luban, Kwame Anthony Appiah, Brian Leiter (über den ich auch darauf aufmerksam geworden bin), Nancy Fraser und Thomas Pogge.

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Die Politische Philosophie von Julian Assange und Wikileaks

Der Philosoph Peter Ludlow von der Northwestern University, Fachmann für virtuelle Realitäten und Sprachphilosophie, hat auf dem Blog von Brian Leiter einen Artikel zur politischen Philosophie Julian Assanges veröffentlicht. Der Text ist etwas länger als ein klassischer Blogbeitrag, dafür aber recht informativ. Ludlow stellt zunächst Assanges Verständnis von „Verschwörungen“ dar, untersucht dann die These, dass „Verschwörungen“ notwendigerweise zu Schädigungen führen und fragt schließlich, ob Leaks das beste Mittel im Kampf gegen „Verschwörungen“ sind.  Das alles ist ganz interessant, allerdings werden die wirklich spannenden Fragen (wie ist die Gefährdung von Informanten durch Wikileaks einzuschätzen?, sind „Verschwörungen“ generell schlecht?, verstärkt die Veröffentlichung nicht letztlich die Geheimhaltung von sensiblen Daten?, etc.) von Ludlow nur formuliert aber nicht weiter diskutiert. Trotzdem ist das endlich mal eine Verschwörungstheorie, die den Namen verdient.

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