Krise und Normkollisionen

Wir setzen das Forum „Krise und Normkontestation“ mit einem Beitrag von Anna Holzscheiter, Andrea Liese und Sassan Gholiagha fort.

Krisen sind keine objektiven Tatsachen – sie sind intersubjektive Zuschreibungen (siehe auch den Blogbeitrag von Berenike Prem). Krisen sind von Mangel, Unsicherheit und/oder Instabilität geprägte Ereignisse, Zustände oder Prozesse. Die Politik der Krise ist nicht nur die Politik des Krisenmanagements, sondern grundsätzlicher die Politik der diskursiven Verhandlung über das Label „Krise“. Ob und wie eine Deutung von einschneidenden Ereignissen, Katastrophen und (Wandlungs-)prozessen als „Krise“ politisch wirkmächtig werden kann und damit definiert, welche Krisen politischen Handelns würdig sind, ist von herausragender wissenschaftlicher Relevanz. Krisenzuschreibungen sind demnach sowohl zeitlich als auch räumlich kontingent und potenziell umstritten.

In der Politikwissenschaft sind die unterschiedlichen Effekte von Krisenwahrnehmung und -diskurs schon lange systematisch erforscht, allen voran Dynamiken der Versicherheitlichung von Politikfeldern und Problemen jenseits der klassischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gut erforscht sind auch die Möglichkeiten zur Diffusion von Verantwortung, die Krisenzuschreibungen eröffnen (Externalisierung) sowie die Möglichkeiten, politisches Handeln als zwingend und alternativlos zu rechtfertigen und, schließlich, die Legitimation und Ausweitung exekutiver Kompetenzen, die sehr häufig auch über das Ende der jeweiligen (wahrgenommenen) Krise hinaus bestehen bleibt.  

Unser Beitrag zu diesem Forum stellt Normkollisionen als Begleiterscheinung von Krisen in den Mittelpunkt. Der Zusammenhang zwischen Krisenwahrnehmung einerseits und Normschaffung, Normkontestation und Normwandel andererseits ist, zumindest implizit, schon lange Gegenstand wissenschaftlicher Debatten – auch in der Disziplin der Internationalen Beziehungen (IB) (siehe auch den Beitrag von Laura von Allwörden). Vielbeachtete Fälle von Normkontestation, also der Infragestellung der Normgeltung oder Normanwendbarkeit, sind solche, bei denen – als Reaktion z.B. auf Krisen wie den 11. September 2001 –, weitgehend als universell betrachtete Normen wie das Folterverbot oder das Verbot der Anwendung von Gewalt (Art. 2, Abs. 4 Charta der Vereinten Nationen) angefochten worden sind. Aufbauend auf diesen Debatten stellen wir hier zwei Fragen: Inwiefern machen wahrgenommene Krisen Normkollisionen sichtbar? Und inwiefern eröffnen Krisen mit Blick auf diese Normkollisionen die Möglichkeit, bestehende Normenhierarchien zu hinterfragen? Konkreter diskutieren wir, wie sich disruptive Ereignisse und Prozesse, die mehrheitlich von politischen und gesellschaftlichen Akteuren als Krise wahrgenommen werden, auf Normen und ihre Beziehungen und damit eben auch auf Kollisionen zwischen Normen auswirken. (mehr …)

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CfP Theorie-Kongress „Politische Theorie in Zeiten der Ungewissheit“ (Bremen)

Der mit Spannung erwartete Call zum ersten Theorie-Kongress (27.-29.9.2023) der DVPW-Sektion „Politische Theorie und Ideengeschichte“ ist öffentlich: Bis zum 31.10.2022 werden nun in der ersten Phase Vorschläge für offene, halboffene oder geschlossene Panels, Podiumsdiskussionen oder „author meets critics“-Formate rund um das Kongress-Thema „Politische Theorie in Zeiten der Ungewissheit/Politics in Times of Uncertainty“ erbeten. Die Auswahl der Einreichungen erfolgt durch eine Jury, die sich aus den Veranstalter*innen zusammensetzt. Die Entscheidung über die Annahme wird im Laufe des November 2022 mitgeteilt. Für die angenommenen halboffenen und offenen Formate wird danach ein separater Call for Papers mit der Deadline 08.01.2023 veröffentlicht. Der ausführliche Call findet sich hier; laufend aktualisierte Informationen finden sich auf der Homepage des Kongresses. (mehr …)

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Misstrauen in Zeiten der Ungewissheit (Frankfurt)

Die neue Frankfurter Forschungsinitiative „ConTrust: Vertrauen im Konflikt – Politisches Zusammenleben unter Bedingungen der Ungewissheit“ lädt am 09. Dezember 2021 zu einem Panel zu „Misstrauen in Zeiten der Ungewissheit“ ein. Ab 17:00 diskutieren Christian Budnik, Eva Marlene Hausteiner und Vera King über neue autoritäre Bewegungen und Gruppierungen, die sich gegen Infektionsschutzmaßnahmen wenden. Die Veranstaltung findet online via Zoom statt. Den Link gibt es nach der Anmeldung; alle weiteren Infos hier.

 

 

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CfP: Workshop „Responding to an Uncertain Future“ (Graz)

Vom 21. bis zum 23. Juni 2017 findet an der Karl-Franzens-Universität Graz ein internationaler Workshop zum Thema „Responding to an Uncertain Future – Normative Theories of Risk and Climate Change Policy“ statt. Darin geht es um die Definition, Beurteilung, moralische Bewertung und den Umgang mit Risiken und Ungewissheiten. Bis zum 31. Januar können Abstracts aus einem breiten disziplinären Spektrum eingereicht werden. Ausführliche Informationen gibt es im Call for Abstracts.

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