Elemente einer kritischen Politik der Zeit

Heute veröffentlichen wir den fünften und letzten Beitrag zu unserer Blogpost-Reihe zum Thema Zeit. Jürgen Portschy argumentiert, dass eine Politik der Zeit auch immer Kämpfe um Macht umfasst – darum, wessen Zeit zählt.

Was uns heute im Globalen Norden als normale Ordnung der Zeit erscheint, ist weder eine noch ist sie natürlich. Denn nicht nur erweist sich die temporale Konstitution moderner Gesellschaft als komplexe Verstrickung unterschiedlicher Zeiten, sondern historisch betrachtet außerdem als Ausdruck sozialer Kämpfe um Macht, Herrschaft und Hegemonie. Hieraus folgt die Notwendigkeit einer fortgesetzten zeittheoretischen Grundlagenreflexion im Rahmen der Politischen Theorie, weil diese sonst Gefahr läuft, hegemoniale Zeitsemantiken aufzugreifen und zu ihrer „Naturalisierung“ beizutragen.

Zeit und Politische Theorie 

Bereits 1999 schickte Douglas North eine wohlgemeinte Mahnung aus: „Without a deep understanding of time, you will be a lousy political scientist“ (North 1999: 316). Vor allem Ansätze der Comparative Politics nahmen diese Mahnung ernst, während die International Relations erst kürzlich eine Wende von der Geo- zur Chronopolitik einleiteten. Doch auch marxistische Ansätze, vor allem jene, die in althusserianischer Tradition standen, wiesen wiederholt auf die Relevanz des Themas Zeit hin, denn: „time is to politics what space is to geometry.” (Debray 1973: 90) Trotzdem aber blieb die Erforschung der Beziehungen von Zeit, Macht und Herrschaft lange Zeit ein grundlegendes Desiderat der Politischen Theorie. Denn obwohl sich seit der Neuzeit ein unaufhaltsamer Trend zur Verzeitlichung elementarer politischer Begrifflichkeiten und eine damit verbundene Politisierung von Zeit durchsetzte, ging diese Prozessualisierungsbewegung keineswegs mit einer gestiegenen zeittheoretischen Reflexivität einher. (mehr …)

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Souveränitäten jenseits und gegen den Staat

Im fünften Beitrag unserer Blogpost-Reihe zu Souveränität stellt Jonathan Eibisch anarchistische staatlichen Souveränitätskonzeptionen gegenüber.

Während Marx eine Kritik der politischen Ökonomie hervorbrachte, entwickelten anarchistische Denker*innen eine Kritik der Form, die Politik in spezifischen Herrschaftsordnungen annimmt, als einen wesentlichen Ankerpunkt ihrer Gesellschaftstheorie. Ideengeschichtlich betrachtet entsteht der neuzeitliche, europäische Anarchismus als Hauptströmung im Sozialismus in jener Phase, als der Sozialismus als Graswurzelbewegung politisiert wurde. In Abgrenzung zum sozialdemokratischen Weg der politischen Reformen und dem parteikommunistischen Konzept der politischen Revolution wurden im Anarchismus die mutualistische Selbstorganisation, die Revolte, die Begleitung außerparlamentarischer Bewegungen, sowie die soziale Revolution als Transformationsstrategien entwickelt.

In diesem Beitrag wird ein wesentlicher Aspekt der anarchistischen Kritik der Politik dargestellt, die sich in ihrem Kern an der Anmaßung, Legitimierung und Durchsetzung der Souveränität des Staates festmachen lässt. Dem entgegengestellt werden andere gesellschaftliche Sphären, in welchen (auf bestimmte Weise und mit bestimmten Zielsetzungen) Souveränität erlangt werden soll. Ich werde im Folgenden zeigen, inwiefern die anarchistische Hoffnung darin besteht, der politischen Herrschaft zu entkommen und Alternativen zu ihr aufzubauen.

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CfP: Wissenschaftliche Erkenntnis und demokratische Staatlichkeit

Am 8. Juni 2022 findet in der Akademie für Politische Bildung Tutzing die Nachwuchstagung der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft (DGfP) statt. Die Organisator*innen Simon Rothers und Lea Konrad freuen sich über Beitragsvorschläge zum Wechselverhältnis von wissenschaftlicher Erkenntnis und demokratischer Staatlichkeit. Einsendeschluss ist der 20.05.2022. Fahrtkosten und Unterkunft in Tutzing (Starnberger See) werden übernommen. Den ausführlichen Call for Papers findet Ihr hier.

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Politik in Zeiten von Corona

In seinem Gastbeitrag „Um jeden Preis?“ in der Süddeutschen Zeitung (17.03.2020) stellt René Schlott fest, unsere offene Gesellschaft würde, beim Versuch sie zu retten, in Wahrheit erwürgt. Er glaubt zu beobachten, dass „mit atemberaubender Geschwindigkeit und einer erschütternden Bereitwilligkeit seitens der Bevölkerung Rechte außer Kraft gesetzt werden, die in Jahrhunderten mühsam erkämpft worden sind“? Schlott zählt darunter „das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Freizügigkeit, die Freiheit von Lehre und Forschung, die Freiheit der Berufsausübung, die Gewerbefreiheit, die Reisefreiheit.“

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Vortragsreihe „Rechtskritik als Gesellschaftstheorie“ (Berlin)

In der Vortragsreihe „Rechtskritik als Gesellschaftstheorie“ am Arbeitsbereich Politik und Recht an der FU Berlin finden in diesem Semester zwei Vorträge statt. Der erste steht in dieser Woche an: Am 13. Juni spricht Sophie Loidolt zu „Hannah Arends Phänomenologie der Pluralität“. Am 2. Juli hält Ulrich K. Preuß einen Vortrag über „Die staatliche Neuordnung Europas durch die Pariser Friedenskonferenz 1919: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Beide Vorträge finden von 18 bis 20 Uhr im Hörsaal A des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft statt. Weitere Infos zu den Vorträgen sowie zu der Vortragsreihe gibt es hier.

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Von der alten zur neuen Unübersichtlichkeit: Tagungsbericht aus Trier

Der Wandel von Staatlichkeit unter den Bedingungen zunehmender Transnationalisierung war Gegenstand eines Workshops, der Ende letzten Monats auf Einladung von Chris Volk und Friederike Kuntz an der Universität Trier stattfand und von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanziert worden ist. Zentrale Themen waren der Wandel von Recht und Raum, Inklusions- und Exklusionsmechanismen sowie Macht und Widerstand in der transnationalen Konstellation. Politikwissenschaftlerinnen diskutierten dabei mit Juristen, Soziologen und Historikerinnen. Darin, dass ein Wandel vorlag, waren sich alle einig. Die Ansichten darüber, welche Begriffe und Betrachtungsweisen diesem Wandel angemessen sind, gingen jedoch auseinander. Können Konzepte aus der Ära des Nationalstaats, etwa die Souveränität oder der Gedanke der Einheit des Rechts, aktualisiert werden, oder sollten sie ganz aufgegeben werden? Ist die landläufige Gegenüberstellung des alten Nationalstaats und der neuen, transnationalen Konstellation analytisch überhaupt angemessen? (mehr …)

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Workshop: Theories of Territory beyond Westphalia (Frankfurt)

Das neue Semester wirft seine Schatten voraus und allmählich trudeln die ersten Workshop-Ankündigungen hier ein. So z.B. der Workshop „Theories of Territory beyond Wesphalia“, der am Donnerstag, den 25., und Freitag, den 26. Oktober 2012, stattfindet und von Ayelet Banai und Jens Steffek im Rahmen der Kollegsforschergruppe Justitia Amplificata organisiert wird. Vorträge gibt es unter anderem von Anna Stiltz, Nico Krisch und David Miller, stattfinden tut das Ganze auf dem Westend Campus der Goethe-Universität. Eine Beschreibung findet ihr unten, ein ausführliches Programm auf der Webseite. Um kostenfreie Registrierung wird gebeten. (mehr …)

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Studentischer CfP: The States They Are A-Changing (IAPSS 2012)

Studierende der Uni Bremen veranstalten vom 23. bis zum 25. April die diesjährige Academic Conference und die General Assembly der International Association for Political Science Students (IAPSS). Thema der Konferenz ist die Veränderung von Staatlichkeit im Verhältnis zu Wirtschaft, anderen Staaten und Bürgern. Besondere Schwerpunkte sind dabei Wirtschaftswachstum, Entwicklungspolitik und der Stand der Demokratie. Die Website der Konferenz findet sich hier, zum Call-for-Papers geht es direkt hier entlang. Die Deadline ist der 15.02.2012.

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CfA: 2 x Postdoc in Oxford

Nach Harvard am Morgen jetzt noch Oxford am Nachmittag: Im Projekt „State of the State“ werden zwei zweijährige Fellowships ausgegeben. Offen ist das Ganze für Politikwissenschaftler, aber auch Rechtwissenschaftler, Soziologen, Geschichtler und so. Die neuen Fellows sollen im September 2011 an Fragen der Transformation des Staates zu arbeiten beginnen und wer dabei sein will, sollte sich bis zum 28. Februar beworben haben. Alle Infos hier.

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Tagungsbericht: „Capturing the Political“

Politik lediglich im Rahmen des Nationalstaats verstehen zu wollen, das scheint im Zuge der Globalisierung nicht mehr auszureichen. Vor diesem Hintergrund versammelte sich am 21.-23. Oktober 2010 eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern, um der Frage nachzugehen, wie man das Politische heutzutage eigentlich erforschen kann und sollte.

Zu dieser Tagung hatten Ina Kerner (HU Berlin), Klaus Schlichte (Bremen) und Daria Isachenko (Uni Magdeburg) in die Berlin Graduate School of Social Sciences der Humboldt-Universität geladen (das Programm findet sich hier). Der Veranstaltungsort wies damit eine eigene politische Geschichte auf, da das Gebäude einst die königliche Tierarzneischule der preußischen Kavallerie und später das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten der DDR beherbergte, wie Klaus Schlichte in seiner Eröffnungsrede hervorhob. (mehr …)

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