Blogdebatte: Kämpfe ihrer Zeit, Kämpfe unserer Zeit

Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte fragt Sebastian Dute danach, ob Ideengeschichte ihre kritische, gegenwartsbezogene Funktion nicht gerade dadurch erfüllen kann, dass sie konsequent historisiert. 

Einer der im Call für diese Blogdebatte vorgeschlagenen Diskussionspunkte wirft die Frage auf, wie ideengeschichtliche Forschung aussehe, „die ‚offen‘ genug ist für politiktheoretische Fragen“. Mir scheint, dass diese Frage eine in der aktuellen politiktheoretischen Diskussion geläufige Intuition abbildet, nach der der Nutzen ideengeschichtlicher Forschung für die Theoriebildung daran gemessen wird, inwiefern sie das von ihr aufgearbeitete und angeordnete Material an bestimmte Rezeptionsbedürfnisse anpasst. Eine derart auf ihre „Arsenalfunktion“ (Llanque 2008: 2) reduzierte Ideengeschichte geht häufig auf Kosten eines ihrer Kerngeschäfte, das in der Historisierung politischer Ideen liegt, mittels derer sie die Genese dieser Ideen aus sowie ihre Geltung in bestimmten historischen Kontexten erklären will. Im Folgenden geht es mir keineswegs darum, aktualisierende und kreative Aneignungen des ideengeschichtlichen Fundus zu diskreditieren. Stattdessen möchte ich zwei kritische Funktionen hervorheben, die ideengeschichtliche Ansätze für die politiktheoretische Forschung gerade durch eine konsequente Historisierung erfüllen können. Zum einen konfrontieren sie einschränkende Denkhorizonte der Gegenwart mit der Alterität vergangener Ideen und leisten damit einen Beitrag zu ihrer potenziellen Ausweitung, zum anderen können sie über die Modalitäten aufklären, unter denen sich theoretische Interventionen – auch in der Gegenwart – als zeitbezogene Praxisformen vollziehen. 

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Blogdebatte: Warum die Frage nach der Aktualität der Ideengeschichte nicht hilfreich ist

Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Ieva Höhne dafür, Theoriebildung und historische Quellenforschung weitgehend getrennt zu betreiben – Ideengeschichte also keinem Aktualisierungsimperativ zu unterwerfen.

Die Ermutigung des Redaktionsteams aufnehmend, die Überlegungen zum Verhältnis von politischer Theorie und Ideengeschichte „streitlustig“ zu präsentieren, möchte ich diesen Beitrag einem Vorbehalt gegen das „Und“ widmen. Mein Fokus gilt also der Frage, inwiefern sich die beiden „im Wege stehen“, und ich möchte diese Frage noch weiter präzisieren, indem ich im Folgenden skizziere, wie eine ungünstige Verknüpfung beider Forschungsperspektiven oder -anliegen aussieht. Diese ungünstige Verknüpfung, gegen die sich die von mir im Weiteren aufzugreifenden Wissenschaftler/-innen (Kurt Flasch, Quentin Skinner, Bernard Williams, Xinzhi Zhao) aussprechen, heißt Aktualisierung; daher unternehme ich im Folgenden Aktualisierungskritik. Es ist eine Kritik, die das Verhältnis der politischen Theorie und Ideengeschichte von der Warte der letzteren aus betrachtet; allerdings lässt sich argumentieren, dass ein geschichtswissenschaftlich nicht vertretbarer Umgang mit ideengeschichtlichem Material auch systematisch keinen Vorteil verschafft. 

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Blogdebatte: Theoriebildung als Waffenschmiede

Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Imadé Aigbobo dafür, Theoriebildung als Mittel zu betrachten, fragwürdige Kanon-Entscheidungen zu hinterfragen und Rezeptionsblockaden aufzulösen.

Warum braucht die Ideengeschichte die Politische Theorie? Weil die Ideengeschichte das Archiv und Arsenal politischer Ideen nicht nur verwaltet, sondern ständig neu ordnen muss, um lebendig und relevant zu bleiben. Die Theoriebildung kann hierbei kreative Impulse setzen, Rezeptionsblockaden lösen, vermeintlich im Archiv verstaubte politische Ideen für gegenwärtige Kontexte aktualisieren und so das Arsenal dynamisieren. Am Beispiel der Wiederentdeckung Max Stirners durch Saul Newman will ich zeigen, wie eine politische Theorie geschichtlich marginalisierte Konzepte reaktiviert, sie in gegenwärtige Deutungskämpfe überführt und für das Arsenal waffenfähig macht. 

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Blogdebatte: Epochalisierung als ideengeschichtliches Argument in der Politischen Theorie

Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte fragt Marcus Llanque nach der Bedeutung von Epocheneinteilung für die Legitimation von Politischen Theorien.

Theorien können bekanntlich deskriptiv wie normativ begründet werden; die ideengeschichtliche Argumentation fügt diesen Strategien weitere hinzu, eine davon ist die Legitimation durch Epochalisierung. Der Akt der Einteilung von Geschichte in Epochen, Ären, Perioden, Zeitaltern war nie nur rein archivarischer Art. Von Beginn an bedeutete die Abgrenzung nach Epochen ein Werturteil, das nicht nur die chronologische Positionierung betrifft, sondern auch die inhaltliche Bedeutung. Periodisierungen, vor allem Epochalisierungen fügen die ideengeschichtliche Zeit als Argument in die Politischen Theorie ein. Jede Bestimmung eines Zeitalters, in welchem die eigene Gegenwart sich angeblich befinden soll, nimmt eine ideengeschichtliche Argumentation vor, die theoretische Konsequenzen hat, denn aus ihr folgt die anhaltende Relevanz der einen Texte und die historische Marginalisierung anderer.

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Blogdebatte: Für einen kreativen Anachronismus

Zum Start unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Sara Gebh für einen kreativen Anachronismus bei der Verknüpfung der beiden Disziplinen.

Wer möchte schon des Anachronismus bezichtigt werden? Außerhalb der Literaturwissenschaften wäre das wenig mehr als eine Beschimpfung. Meist steht der Begriff schlicht für eine falsche zeitliche Einordnung, für einen allzu offensichtlichen Fehler bei der Zuordnung eines Konzepts oder Ereignisses zu einer historischen Periode, den es um der wissenschaftlichen Integrität willen zu vermeiden gilt. Doch ein solcher Blick übersieht das produktive Potenzial einer anachronistischen Forschungspraxis. Sie ist nicht unbedingt das Merkmal schlechter Ideengeschichte, sondern könnte ganz im Gegenteil der Schlüssel für die engere Verknüpfung von Politischer Theorie und Ideengeschichte werden. Genauer: Ein kreativer Anachronismus kann die Ideengeschichte, so mein Diskussionsangebot, von einer theoriebegleitenden in eine theoriebildende Rolle bringen.

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Blogdebatte: Getrennte Wege? Zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte 

Liebe Theorieblog-Leser:innen, 

auch in diesem Jahr hat es zahlreiche Einsendungen in Antwort auf unseren Call for Blogposts zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte gegeben. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Autor:innen, die Beitragsvorschläge eingesendet haben. 

Die Texte, die wir in dieser und der kommenden Woche veröffentlichen, beschäftigen sich mit dem „Und, das Politische Theorie und Ideengeschichte verbindet (oder trennt?). Sie streiten für die Eigenständigkeit der Ideengeschichte und eine kritische Funktion der Historisierung oder plädieren, umgekehrt, für einen kreativen Anachronismus bei der Verknüpfung der beiden Herangehensweisen bzw. zeigen auf, inwiefern die Theoriebildung ideengeschichtliche Konzepte für die Gegenwart aktualisieren kann. Zudem beschäftigen sie sich mit der Rolle von Epochalisierung als ideengeschichtliches Argument.

Die ausgewählten Beiträge werfen spannende systematische und praktische Fragen auf, die zu kontroversen Diskussionen einladen. Alle Leser:innen sind deshalb wie immer herzlich eingeladen, aktiv mitzudiskutieren. Mit Zustimmung und Kritik, Ergänzungen und alternativen Perspektiven können die Kommentarspalten gefüllt werden. Wir freuen uns auf eine möglichst lebendige und vielfältige Debatte.  

Alle Beiträge werden wir mit ihrem Erscheinen verlinken, sodass dieser Post eine Übersicht über die Debatte bieten wird. 

Wir freuen uns sehr auf die kommenden Wochen und wünschen viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!  

Euer Theorieblog-Team.  

Die Beiträge zu unserer Zeit-Debatte in chronologischer Reihenfolge: 

P.S.: Der Call for Blogposts ist für uns zu einer Tradition geworden. Wer noch einmal zurückblicken mag, findet die vorangegangenen Blogpost-Reihen zu den Themen „Heimat“ (2018), „Solidarität“ (2019), „Neuanfang“ (2020), „Sorge“ (2021), „Souveränität“ (2022) und „Zeit“ (2023) natürlich weiterhin hier bei uns auf dem Blog.

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Blogdebatte: Zeit

Liebe Theorieblog-Leser*innen, 

auch in diesem Jahr hat es zahlreiche Einsendungen in Antwort auf unseren Call for Blogposts, diesmal zum Thema Zeit gegeben. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Autor*innen, die Beitragsvorschläge eingesendet haben. 

Die Texte, die wir in dieser und der kommenden Woche veröffentlichen, zeigen, dass Zeit und Zeitlichkeit aus unterschiedlichen Perspektiven relevant sind für die Auseinandersetzung mit zentralen Themen der politischen Theorie und Ideengeschichte. Sie demonstrieren, inwiefern Zeit und Zeitlichkeit ertragreiche Kategorien für die Analyse von politischen und wirtschaftlichen Ordnungen darstellen und erhellende Betrachtungen der individuellen und kollektiven Dimensionen von Freiheit, der Möglichkeitsräume politischen Handelns sowie von Kämpfen um Macht und Hegemonie erlauben. (mehr …)

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Reminder – Call for Blogposts: Zeit

Aktuell läuft noch unser diesjähriger Call for Blogposts zum Thema Zeit. Wir suchen Beiträge, die sich mit dem Thema Zeit und Zeitlichkeit aus politiktheoretischer, ideengeschichtlicher oder methodologischer Perspektive beschäftigen. Wie immer freuen wir uns im Rahmen des Calls for Blogposts auch über Beiträge, die über unsere etablierten Formate hinausgehen. Antworten in Form essayistischer Blogposts von ca. 1000 Worten Länge sind daher ebenso willkommen wie Einsendungen von kurzen Videos, Karikaturen oder Stellungnahmen in anderen Text- und Bildformen. Der vollständige Call findet sich hier. Vorschläge können bis Sonntag, den 29. Oktober 2023 an team@theorieblog.de geschickt werden. Über eine Veröffentlichung entscheidet dann die Redaktion.

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Call for Blogposts: Zeit

Wir haben doch keine Zeit! Temporalität in politischer Theorie und Ideengeschichte.

Es ist inzwischen eine gute Tradition geworden, dass wir jedes Jahr einen Call for Blogpost zu einem aktuellen Begriff der politischen Theorie und Ideengeschichte aufrufen. Nach unseren Diskussionen über Souveränität, Sorge, Heimat, Neuanfang und Solidarität suchen wir in diesem Jahr Beiträge zum Thema Zeit. 

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Verlängerung: Call for Blogposts „Sorge“

Achtung, Verlängerung: Damit alle nach dem spannenden DVPW-Kongress etwas Zeit zum Durchatmen haben, geht der diesjährige Call for Blogposts des Theorieblogs in die Verlängerung. Ihr habt also noch bis Mittwoch, den 06.10.2021 Zeit, um uns Eure Beiträge zu senden. Nach „Heimat“ (2018), „Solidarität“ (2019) und „Neuanfang“ (2020) freuen wir uns in diesem Jahr über eure Ideen und Beiträge zum Thema „Sorge“. Den vollständigen Call gibt es hier noch einmal nach dem Klick.

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