Öffentlichkeit und Ungleichheit

Öffentlichkeit ist ein schillernder Begriff, der analytisch allerdings oft unscharf bleibt. Vor allem ist er normativ hoch aufgeladen und untrennbar mit dem der liberalen Demokratie verbunden. Im Anschluss an Jürgen Habermas wird er nach Manfred G. Schmidt zumeist als Ort, Diskurs und Prozess „der argumentativen Abwägung, der gemeinsamen Beratschlagung und Verständigung über öffentliche Angelegenheiten“ verstanden. Ich möchte im Folgenden den Fokus verschieben und stattdessen dafür plädieren, dass ein Begriff von Öffentlichkeit vor allem auf Aspekte von Ungleichheit abstellen sollte. Ausschluss und Marginalisierung – im öffentlichen Raum, im Diskurs und im öffentlichen Leben – und die Folgen dieses Ausschlusses scheinen mir zentral für einen Öffentlichkeitsbegriff, der dem gesellschaftstheoretischen Anspruch  gerecht werden will, die durch Widersprüche, Macht und Herrschaft geprägte gesellschaftliche Ordnung der Moderne zu verstehen. (mehr …)

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Gegen Solidarität! Zwei Modelle sozialen Zusammenhalts und die Corona-Krise

Solidarität hat sich spätestens seit Finanz- und ›Flüchtlingskrise‹ wieder als ein Schlagwort etabliert, um grassierende Ungerechtigkeiten zu thematisieren. Nicht ohne Grund hat der Theorieblog bereits im letzten Jahr eine große Debatte zu diesem Begriff geführt. Aber die Welle der Solidaritätsforderungen und -bekundungen, die uns seit Beginn der Corona-Krise entgegenschlägt, übersteigt dies noch einmal deutlich. Für Politiker:innen, Zeitungen und Wissenschaftler:innen scheint sich am Gelingen der Solidarität das gesellschaftliche Schicksal in der Corona-Krise zu entscheiden. Die WHO nennt ihre großangelegte Medikamentenstudie zur Bekämpfung des Virus »Solidarity Trial«, und der deutsche Ethikrat empfiehlt Solidarität und Verantwortung in der Corona-Krise. Kann man da überhaupt noch gegen Solidarität sein? (mehr …)

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