Liberal-demokratisches Staats- und Rechtsdenken: machtlos gegen Alexander Dugin und Carl Schmitt? Ukraine-Krieg und das Ende des Souveränitätsdenkens

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine weist vielerlei Verbindungen auf zu Vorstellungen über Staat und internationale Beziehungen des russischen Philosophen Alexander Dugin, der dem Vernehmen nach von Präsident Wladimir Putin sehr geschätzt wird. Dugin-Formulierungen finden sich teils fast wörtlich in Statements russischer Regierungsvertreter zum Ukraine-Krieg bzw. zur Weltlage im Allgemeinen. Ein Beispiel ist das angeblich den Krieg motivierende Streben nach einem freien Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok – so formulierte es der frühere Präsident und jetzige stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats Dmitri Medwedew in leichter Abwandlung des Dugin-Statements, Russland müsse ein freies Eurasien von Dublin bis Wladiwostok erkämpfen. Dugin folgt weithin Vorstellungen, wie sie Mitte des 20. Jahrhunderts Carl Schmitt vertreten hat. Dies analysiert der vorliegende Blogpost, vor allem um aufzuzeigen: Verharrt das liberal-demokratische Staatsdenken bei einem bestimmten Verständnis von Souveränität, hat es Schmitt und Dugin wenig entgegenzusetzen. Denn die beiden denken jenes klassische Souveränitätsdenken, das für universale liberal-demokratische Gerechtigkeit letztlich keinen Raum lässt, einfach konsequent zu Ende, wie man im Folgenden sehen wird.

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3. Berliner Carl-Schmitt-Vorlesung von Jörg Baberowski

Am Donnerstag, den 27. Oktober um 18 Uhr hält Jörg Baberowski, Osteuropa-Historiker an der Humboldt-Universität, in Berlin auf Einladung die 3. Carl-Schmitt-Vorlesung über „Die russische Revolution und die Ursprünge der souveränen Diktatur“.

Das Thema des Abends greift vor auf den hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution im kommenden Jahr und fragt nach dem Diktaturbegriff der russischen Revolution: Die bolschewistische Diktatur verstand sich als Ausdruck des eigentlichen Volkswillens. Im Sinne Carl Schmitts war sie eine souveräne Diktatur, die um ihrer selbst willen verwirklicht wurde. Aber sie konnte sich auf den Willen des Volkes nur berufen, sie konnte ihn nicht abbilden, weil die Revolution weder Massenerhebung noch Produkt der modernen Massendemokratie war. Und so verwandelte sich die Diktatur in eine Tyrannei. Von souveräner Diktatur konnte erst die Rede sein, als das Imperium verstaatlicht, Anspruch und Realität zueinanderfanden.

Der Vortrag findet statt im Tieranatomischen Theater auf dem Charité-Campus (Philippstraße 12/13, Eingang Luisenstraße 56). Der Eintritt ist frei und anschließend gibt es einen Empfang. Das Plakat mit allen Infos zur Veranstaltung findet sich hier.

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Putinnichtversteher – Argumente für eine andere Außenpolitikanalyse

Seit der Annexion der Krim haben sich Experten wie Politiker daran versucht, in Putins Kopf zu blicken, also zu verstehen, was ihn antreibt: Ist er ein wahnsinniger, machthungriger Verbrecher wie Stalin, ein politisches Genie, das einen geheimen Plan verfolgt, oder ein nationalistischer Fanatiker? Was sind seine geheimen ideologischen Quellen, wer ist sein Rasputin, was ist sein langfristiger Masterplan? „Westliche“ Vorstellungen von den treibenden Kräfte hinter dem Krieg am Rande Europas scheinen vornehmlich auf Ideen und manchmal Phantasien über das innere Funktionieren des Kremls zu beruhen – er gilt als neo-zaristische Festung der vertikalen Machtausübung, die einzig dem Willen und Launen seines neomonarcischen Herrschers gehorcht. (mehr …)

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Next Stop: Eurasia? – Über die Untiefen der Analyse von Putins Politik

„Die Russen und die Völker der russländischen Welt sind weder Europäer noch Asiaten. Wir schämen uns nicht, uns Eurasier zu nennen“ – so lautete der Leitspruch der „Eurasischen Bewegung“ aus den 1920ern. Die russische Exilantengruppierung war in ihren Zielsetzungen und Argumenten tief im Kontext der Zwischenkriegszeit verwurzelt; seit den 1990er Jahren existieren aber Versuche, dieses Gedankengut zu reanimieren – und es politisch wirksam zu machen. So heißt es im „Eurasischen Manifest“ des selbsterklärten Ideologen Aleksandr Dugin aus dem Jahr 2001: „In der Außenpolitik umfasst der Eurasianismus einen breiten Prozess strategischer Integration und den Aufbau einer Eurasischen Union als Analog zur UdSSR auf neuer ideologischer, ökonomischer und administrativer Grundlage.“ Solche Worte hallen derzeit in verdächtiger Weise nach: (mehr …)

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Stipendien in Helsinki für Osteuropaforscher

Das Aleksanteri Institut der Universität Helsinki vergibt gut dotierte Stipendien für promovierte Visiting Fellows, die zu Russland- oder Osteuropathemen arbeiten. Auf der Forschungsagenda des Instituts, an der die Fellows sich orientieren sollen, nehmen Geistes- und Sozialwissenschaften einen recht hohen Stellenwert ein – geforscht werden kann z.B. zu Demokratietheorien, Geschichtspolitik, Ideengeschichte, Identitätspolitik und eigentlich fast allem, was das Herz begehrt. Die Stipendien gelten für zwei bis vier Monate, Deadline ist Anfang März. Der Call findet sich hier.

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