Am 6. Mai 2023 ist Hanna Fenichel Pitkin, Autorin des politikwissenschaftlichen Klassikers The Concept of Representation (1967), im Alter von 91 Jahren verstorben. Das Buch gilt bis heute als das „Schlüsselwerk“ zum Repräsentationsbegriff (Buchstein 2007), bei der Beschäftigung mit Fragen der Repräsentation führt daran kein Weg vorbei. Jenseits der anerkannten Bedeutung von The Concept of Representation aber endet der Konsens. Dies ist sowohl eine Folge der dort bereits angelegten Ambiguität als auch eine Konsequenz vereindeutigender Lesarten. Anlässlich des Todes von Hanna Pitkin wirft dieser Beitrag einen Blick zurück auf das Buch und seine Rezeptionsgeschichte. Ich möchte zeigen, dass es sich lohnt, die Ambiguität von The Concept of Representation in neuen Lektüren zu erhalten, damit es weiterhin Quelle der Inspiration für die politikwissenschaftliche Repräsentationstheorie sein kann. (mehr …)
Repräsentation
Was verwaiste Wahlkreise für die Demokratie bedeuten
Seit mehr als zehn Jahren werden die im Bundestag vertretenen Parteien von der ausstehenden Wahlrechtsreform heimgesucht. Die gegenwärtige Konstellation scheint für die Ampel-Koalition Erfolg versprechend: Der öffentliche Druck für eine wirksame Verkleinerung des Bundestags ist hoch, zwischen den Parteien der Koalition besteht Einigungspotential und eine Reform hätte, wenn sie verfassungsgemäß ist und sich in der Praxis beweist, auch im Falle anderer Regierungskoalitionen Aussicht auf Bestand. Denn wenigstens eine der gegenwärtig regierenden Parteien wird wahrscheinlich auch an künftigen Regierungen beteiligt sein.
Inzwischen hat die Ampel-Koalition einen Gesetzentwurf für eine Reform des Wahlrechts zum Bundestag vorgelegt. In der Debatte wird einer Implikation des Entwurfs besondere Aufmerksamkeit zuteil: Es wäre dann möglich, dass einzelne Wahlkreise durch keine:n in diesen Wahlkreisen gewählte:n Abgeordnete:n im Bundestag vertreten werden. Die demokratietheoretischen Implikationen solcher „verwaisten“ Wahlkreise müssen diskutiert werden. Hierbei sollten zwei Aspekte noch stärker als bisher Berücksichtigung finden: veränderte Anreize durch ein verändertes Wahlrecht und die Bedeutung periodisch wiederkehrender Wahlen für die Demokratie. (mehr …)
CfA: 3 Promotionsstipendien „Ökologische Konflikte“ (Berlin/Erfurt)
Die Forschungsgruppe „Ökologische Konflikte: Repräsentationsansprüche und Strategien im Streit um die kommende Gesellschaft“ sucht zum 1. Mai 2023 (nach Absprache auch später) drei Promotionsstipendiat:innen. Das Projekt wird von unserem Redaktionsmitglied Vincent August (HU Berlin) und von André Brodocz (Erfurt) geleitet und von der Gerda Henkel Stiftung für drei Jahre finanziert. Deadline ist der 15.02.2023. Alle weiteren Informationen finden sich hier.
„Wenn die Leute sich etwas vorstellen können, dann wird auch die Zeit kommen, wo sie es vollbringen.“¹ Zur Bedeutung des Imaginären für das Verständnis von Revolutionen
Die tunesische Revolution, die 2011 das autoritäre Regime des seit 23 Jahren in Tunesien herrschenden Präsidenten Ben Ali stürzte, hallte nicht nur in der arabischen Welt, sondern auch in Europa und den USA als Beginn einer neuen Ära des Protests wider. Sie leitete eine Welle heterogener sozialer und revolutionärer Bewegungen ein, die ein Recht auf (mehr) demokratische Teilhabe, bürgerliche Freiheiten und soziale Gerechtigkeit in Ägypten, Jemen, Bahrain, Spanien, Griechenland, den USA, der Türkei und vielen anderen Ländern forderten. In Tunesien selbst kündigte der Beginn des revolutionären Prozesses vor allem das Ende einer langen Phase der Entmündigung und des Entzugs politischer und sozialer Rechte an. Die tunesischen Bürger*innen kämpfen von 2011 an für politische Freiheiten, eine gerechtere und korruptionsfreie Sozial- und Wirtschaftsordnung, ein unabhängiges Justizsystem und die Verbesserung von Frauenrechten.
Nach einer kurzen Euphorie für die ‚Jasminrevolution‘ beschrieben viele Wissenschaftler*innen und Journalist*innen die tunesischen Proteste als bloße Hungerrevolten oder als kurzlebige Unruhen und befürchteten, dass die einst bürgerlichen Proteste von (islamistischen) Extremisten instrumentalisiert werden. Sie sprachen ihnen ihren inhärent politischen Charakter ab, da sie sie keinem ideologischem oder parteipolitischem Lager zuordnen konnten (vgl. etwa Schulze, 2014: 69; Tibi: 2014, 114). Eine Revolution, die scheinbar spontan und horizontal von ‚einfachen‘ Bürger*innen ohne Leader und ohne Ideologie ausgelöst wurde, schien für viele unvorstellbar. Auch wenn Ideologien tatsächlich keine wichtigen Bezugspunkte für die tunesischen Akteur*innen waren, bedeutet das jedoch nicht, dass die Demonstrant*innen keinerlei politische Ideen oder Vorstellungen hatten. In einer „post-ideologischen“ Welt (Abbas/Sintomer 2021: 36), in der Ideologien ihren einstigen Stellenwert verloren haben, trägt der Begriff des Imaginären dazu bei, die ideelle Dimension von Revolutionen zu erfassen und die politischen Horizonte zu analysieren, die von den Akteur*innen im Zuge von Revolutionen und Protestbewegungen entwickelt wurden.
(mehr …)CfP: Konferenz „Verlorener Gründungsmoment“ (Jena)
Unter dem Titel „Verlorener Gründungsmoment – Die Erfurter Union als Ort einer friedlichen Staatswerdung?“ findet 2023 in Jena eine Konferenz statt, die die Erfurter Union aus ihrem Nischendasein in Diskursen über die Nationalstaatsgründung holen möchte. Dabei sollen (Dis-)Kontinuitäten von politischen Ideen und Konzepten wie Repräsentation, Partizipation, Konstitutionalisierung, Identität und Nation im Kontext der Zeit beleuchtet werden. Eingeladen sind Beiträge aus verschiedenen Disziplinen, die Organisator*innen freuen sich ausdrücklich auch über Einsendungen aus der politischen Theorie und Ideengeschichte. Bewerbungen von Promovierenden sind besonders erwünscht. Die Frist für Beitragsvorschläge ist der 30.09.2021. Alle Infos gibt es im ausführlichen Call.
Studentische Tagung: „Politische Repräsentation: Identitäten, Ungleichheiten, Legitimation“
Vom 17. – 19. August 2021 findet die gemeinsame Fachtagung der Deutschen Nachwuchsgesellschaft für Politik- und Sozialwissenschaft und dem Young Journal of European Affairs (YJEA) an der LMU München statt. Der Call for Papers spricht ein breites Spektrum an Themen rund um den Titel „Politische Repräsentation: Identitäten, Ungleichheiten, Legitimation“ an. Beiträge von Bachelor- und Masterstudierenden sowie Promovierenden (in der Anfangsphase) im Umfang von max. 300 Wörtern können bis zum 15.5.2021 (zusammen mit einer kurzen Selbstbeschreibung) an fachtagung@dngps.de gesendet werden. Den ausführlichen Call und alle weiteren Infos findet ihr hier.
Auf der Baustelle der Repräsentation. Ein Tagungsbericht aus Duisburg
Demokratische Repräsentation konstruktivistisch zu denken, bedeutet sowohl die natürliche Gegebenheit des zu repräsentierenden Demos zu hinterfragen als auch anzuerkennen, dass so etwas wie eine neutrale Abbildung desselben unmöglich ist. Gleichzeitig bleibt die repräsentative Form für heutige Gesellschaften essentiell, da vollständige Selbstvertretung im modernen politischen System kaum durchführbar ist. Wie können wir unter diesen Voraussetzungen demokratische Repräsentation verstehen, ohne in eine Renaturalisierung des sogenannten Volkes zurückzufallen oder Präsentismus als notwendige Konsequenz von Repräsentationskritik zu sehen? Um diesen Fragenkomplex drehte sich die Tagung „Die Fabrikation von Demokratie: Baustellen performativer politischer Repräsentation“, die am 5. und 6. Dezember an der Universität Duisburg-Essen stattfand und von Renate Martinsen (Duisburg-Essen) vom Arbeitskreis „Konstruktivistische Theorien der Politik“ und Jan-Peter Voß (Berlin) vom Arbeitskreis „Politik, Wissenschaft und Technik“ organisiert wurde. (mehr …)
Vortrag: Geschlecht und demokratische Repräsentation unter dem Grundgesetz (13.1.20, Freiburg)
Vortragsreihe: „Die Auflösung des liberalen Konsenses“ (Freiburg)
An der Universität Freiburg wird in diesem Wintersemester die Vortragsreihe zur kritischen Rechtstheorie fortgesetzt, die der Lehrstuhl für Politische Theorie, Philosophie und Ideengeschichte und das Colloquium politicum seit dem Sommersemester veranstalten. In diesem Semester bildet „Die Auflösung des liberalen Konsenses“ das übergeordnete Thema der Vortragsreihe. Den Auftakt macht am 26.11.2019 Svenja Ahlhaus mit einem Vortrag über „Demokratie, Grenzen und Mitgliedschaft“. Am 13.01.2020 spricht Jelena von Achenbach über „Geschlecht und demokratische Repräsentation unter dem Grundgesetz“ und am 27.01.2020 trägt Elisabeth Holzleithner vor (Vortragstitel bisher noch nicht bekannt). Zusätzlich zum Vortrag findet jeweils ein Workshop statt, zu dem man sich anmelden kann. Alle Informationen und Abstracts zu den ersten Vorträgen finden sich hier.
CfP: „Die Fabrikation von Demokratie. Baustellen performativer politischer Repräsentation“
An der Universität Duisburg-Essen (Campus Duisburg) findet vom 5.-6. Dezember 2019 die Tagung „Die Fabrikation von Demokratie. Baustellen performativer politischer Repräsentation“ statt. Die Tagung wird veranstaltet von Jan-Peter Voß und Renate Martinsen im Rahmen der DVPW-Arbeitskreise „Konstruktivistische Theorien der Politik“ sowie „Politik, Wissenschaft und Technik“ mit Unterstützung durch die Sektion „Politische Soziologie“ in der DGS. Vorschläge für Tagungsbeiträge können noch bis zum 2. Oktober 2019 eingereicht werden. Der vollständige CfP findet ihr hier.
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