CfP: Free Speech vs. Speech Codes?

 Am 4. und 5. Juni findet in Gießen ein Workshop zum Thema „Free Speech vs. Speech Codes? Die Gegenwart politischer Konflikte in der Hochschulöffentlichkeit“ der GGS-Sektion »Kulturen des Politischen« statt. Beitragsvorschläge sind bis zum 1.4. willkommen, alle genaueren Hinweise im Folgenden:
„Der aktuelle Streit um die gegenwärtige Verfasstheit der Debattenkultur an deutschen Hochschulen findet seinen Platz in einer sich gesamtgesellschaftlichzuspitzenden Auseinandersetzung um die Grenzen des Sagbaren. Was als diskriminierende Rede geächtet werden sollteund welche Äußerungen im Sinne der Redefreiheit als Teil eines demokratischen Diskurses zu tolerieren sind, hat sich in der jüngeren Vergangenheit auch in Deutschland zu einem politischen Thema ersten Ranges entwickelt. Mit derverfassungsrechtlich geschütztenWissenschaftsfreiheit nimmt die Institution Universitätals Ort dieserAuseinandersetzungen eine besondere Stellung ein.Der Workshop widmet sich der zeitgenössischen Debattenkultur an deutschen Hochschulen und fragt nach den gesellschafts-und kulturwissenschaftlichen Implikationen dieser Debatte auf das Selbstverständnis der Universität sowie die hierbe implizit vorgenommene gesellschaftliche Selbstverortung der Universität.Wennder Deutsche Hochschulverbandin einer Resolution vom 9. April 2019 mit Besorgnis feststellt, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Hochschulsektor zugunsten der »Rücksichtnahme auf weniger privilegiert scheinende gesellschaftliche Gruppierungen«sinkt, greift der Verband diese gesamtgesellschaftliche Debatte sowohl auf als auch in diese ein. Medial werden wirin regelmäßigen Abständenüber Vorfälle an unterschiedlichen Hochschulstandorten informiert, bei denen Konflikte um die Grenzen dessenausgetragen werden, wieakademische Redefreiheitzu definieren ist. Der politische Streit zwischen Redefreiheit und Schutz vor Diskriminierung wird hier unter den besonderen institutionellen Rahmenbedingungen der akademischen Wissenschaftsfreiheit geführt und damit zum exemplarischen Ort der Aushandlung der Grenzen des Sagbaren in der Gegenwartsgesellschaft.Dieser an zahlreichen deutschen Hochschulen beobachtbare Konflikt wird nicht weniger vehement, polemisch und unversöhnlich ausgetragen als an seinem Entstehungsort im angloamerikanischen Hochschulraum.Umkämpfte Schlagworte wie Mikroaggressionen, Safe Space oder Trigger-Warnungen,die Durchsetzung von Redeverboten hier, der Vorwurf der politischen Zensur dort, die Umbenennung öffentlicher Gebäude, das alles erinnert nicht zufällig an die US-amerikanischen CultureWarsund die Political Correctness-Debattein der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Als Symptome einer gesamtgesellschaftlich zunehmenden Polarisierung sind diese und ähnliche Konfliktanlässeauch im Zuge rechtspopulistischer Mobilisierungen zu betrachten, die sich unterspezifischen Voraussetzungen im Binnenraum der Hochschulöffentlichkeit niederschlagen. Zu klären ist hier, ob und inwiefern die aktuellen Konflikte Ausdruck, Ursachen oder Folgen von strukturellen und fachkulturellen Entwicklungsprozessen an der Universität darstellen, mithin von Organisationsentwicklungsprozessen, die nicht nur die formale Struktur der Institution Universität, sondern auch die wissenschaftlichen Disziplinen betreffen. Ziel des Workshops ist es, die gegenwärtige Diskurslage aus unterschiedlichen interdisziplinären Perspektiven auszuleuchten, offene Fragen aufzuwerfen und die möglicherweise nachhaltigen Probleme für die (hochschul-)politische Kultur zu identifizieren, die sich in den aktuellen Konflikten abzeichnen.Eine Bestandsaufnahme könnte beispielsweise folgende Aspekteund Perspektiven umfassen:

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Wiedergelesen zum 60. Geburtstag: Flammende Worte, brennende Heime. Zur Aktualität von Judith Butlers »Haß spricht«

Wiedergelesen-Beitrag: Judith Butler: Excitable Speech. A Politics of the Performative. New York, London: Routledge 1997 (dt.: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin: Berlin-Verlag 1998/Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006).

Sollen rassistische Kommentare im Internet gelöscht werden? Soll man die Neuauflage von Hitlers Mein Kampf unterbinden? Soll die AfD aus den Debatten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ausgeschlossen werden? Es gibt einen guten Grund, alle diese Fragen mit ja zu beantworten: Hassrede führt zu Gewalt. Sie verletzt die Angesprochen, und zwar nicht nur psychisch, sondern früher oder später auch physisch. Wie Justizminister Heiko Maas sagte: „Verbalradikalismus ist immer auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt.“ Die flammenden Worte besorgter Bürger und Politiker führen letztlich zu den brennenden Heimen, von denen wir in letzter Zeit viel zu viele gesehen haben. Darum endet hier die Redefreiheit. – Diese Argumentation ist verständlich. Doch sie richtet mehr Schaden an, als sie hilft.

Diese Auffassung hat Judith Butler in ihrem Klassiker Haß spricht vertreten. Heute, am 24. Februar 2016, begeht sie ihren 60. Geburtstag. Mit ihrem Buch ergriff sie das Wort in einer amerikanischen Debatte um die Redefreiheit. (mehr …)

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