Politik, ‚wie sie ist‘: Status Quo und Desiderata der realistischen politischen Theorie

Politische Theorie sollte realistisch sein. So allgemein formuliert wird diese These wohl kaum auf Widerspruch stoßen. Was nützt schon eine politische Theorie, die unrealistisch ist, weil sie Konzepte und Argumente entwirft, die mit der Realität wenig zu tun haben – dem werden vermutlich viele politische Theoretiker*innen zustimmen. Jenen Theoretiker*innen aber, die in jüngerer Zeit die Forderung nach einer realistischen politischen Theorie stark machen, geht es um eine grundsätzlichere Debatte über Agenda und Selbstverständnis der politischen Theorie. Ich möchte im Folgenden einige Eckpunkte dieser Debatte beschreiben und zwei Thesen vertreten. Erstens: Das Spannende an der realistischen politischen Theorie ist, dass sie versucht, einen Platz zwischen politischen Moralkonzeptionen und der bloßen Deskription von Politik zu besetzen. ‚Realistische‘ Legitimitätstheorien zeigen, wie sich normative Kriterien im Rahmen einer stärker politischen als moralischen Logik begründen lassen. Zweitens: Realistische politische Theoretiker*innen haben bisher zu wenig geliefert, um dem Verdacht entgegenzutreten, dass die Distanz zum ‚politischen Moralismus‘ mit einer unkritischen Haltung gegenüber Machtasymmetrien und Herrschaftsverhältnissen erkauft wird. Das ist ein Defizit der Debatte, das mehr Aufmerksamkeit finden sollte. Denn der Impuls, den realistische politische Theorien der politiktheoretischen Debatte geben können, verspricht umso wertvoller zu sein, je deutlicher wird, dass sie normative politische Theorie auf eine neue Weise denken, anstatt die normativen Ansprüche politischer Theorie bloß zu reduzieren. (mehr …)

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