Und jährlich grüßt das Murmeltier! Das Justitia Center for Advanced Studies schreibt auch für das akademische Jahr 2025/26 wieder PostDoc-Fellowships in Politischer Theorie/Philosophie aus. Bewerber:innen sollten – neben einer abgeschlossenen Dissertation – ein besonderes Interesse an Fragen der Gerechtigkeits- oder Demokratietheorie mitbringen. Dieses Jahr werden insbesondere Projekte gesucht, die sich mit Krisendiagnosen der Demokratie auseinandersetzen. Bewerbungen können noch bis zum 31.01.2025 an sekretariat.forst@soz.uni-frankfurt.de geschickt werden. Alle weiteren Infos findet ihr im PDF.
Politische Theorie
Blogdebatte: Für eine „Artikulation“ der politischen Theorie mit der Ideengeschichte
Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Matthias Lorenz dafür, das Verhältnis zwischen Politischer Theorie und Ideengeschichte als „Artikulation“ zu verstehen, insofern kein notwendiges Verhältnis zwischen beiden besteht.
Wie steht es heute um das Verhältnis von politischer Ideengeschichte und politischer Theorie? Handelt es sich um zwei Momente einer Wissenschaft, um zwei distinkt voneinander geschiedene Forschungsfelder oder eröffnet sich zwischen beiden ein Graubereich ungeklärter Zuständig- und undifferenzierter Verantwortlichkeiten? Wenn wir die Frage nach dem heutigen Verhältnis von Theorie und Ideengeschichte aufwerfen, liegt dem bereits eine implizite Annahme zugrunde: der theoretische Bezug aufs Historische ist selbst historisch. Ihr heutiges Verhältnis unterscheidet sich von vergangenen und womöglich auch von kommenden. Aus Perspektive der Theorie bearbeitet die Ideengeschichte das Historische des politischen Denkens, mithin die eigene Geschichte. Die Ideengeschichte scheint der Theorie bei- oder nachgeordnet. Doch wenn das Verhältnis zwischen beiden selbst historisch ist, bleibt ihre Relation nicht immer dieselbe. In der Geschichte des politischen Denkens stoßen wir daher auf höchst unterschiedliche Artikulationsweisen zwischen den beiden. Ich möchte an dieser Stelle vorschlagen, das Verhältnis von politischer Theorie und Ideengeschichte als Artikulation zu verstehen. Ihre Relation als Artikulation zu fassen, hat zwei entscheidende Vorteile: Einerseits ermöglicht sie es, die wesentliche Kontingenz der Relation von Theorie und Ideengeschichte in den Blick zu nehmen wie andererseits ein starkes Argument zugunsten ihrer Verbindung zu formulieren.
Blogdebatte: Kämpfe ihrer Zeit, Kämpfe unserer Zeit
Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte fragt Sebastian Dute danach, ob Ideengeschichte ihre kritische, gegenwartsbezogene Funktion nicht gerade dadurch erfüllen kann, dass sie konsequent historisiert.
Einer der im Call für diese Blogdebatte vorgeschlagenen Diskussionspunkte wirft die Frage auf, wie ideengeschichtliche Forschung aussehe, „die ‚offen‘ genug ist für politiktheoretische Fragen“. Mir scheint, dass diese Frage eine in der aktuellen politiktheoretischen Diskussion geläufige Intuition abbildet, nach der der Nutzen ideengeschichtlicher Forschung für die Theoriebildung daran gemessen wird, inwiefern sie das von ihr aufgearbeitete und angeordnete Material an bestimmte Rezeptionsbedürfnisse anpasst. Eine derart auf ihre „Arsenalfunktion“ (Llanque 2008: 2) reduzierte Ideengeschichte geht häufig auf Kosten eines ihrer Kerngeschäfte, das in der Historisierung politischer Ideen liegt, mittels derer sie die Genese dieser Ideen aus sowie ihre Geltung in bestimmten historischen Kontexten erklären will. Im Folgenden geht es mir keineswegs darum, aktualisierende und kreative Aneignungen des ideengeschichtlichen Fundus zu diskreditieren. Stattdessen möchte ich zwei kritische Funktionen hervorheben, die ideengeschichtliche Ansätze für die politiktheoretische Forschung gerade durch eine konsequente Historisierung erfüllen können. Zum einen konfrontieren sie einschränkende Denkhorizonte der Gegenwart mit der Alterität vergangener Ideen und leisten damit einen Beitrag zu ihrer potenziellen Ausweitung, zum anderen können sie über die Modalitäten aufklären, unter denen sich theoretische Interventionen – auch in der Gegenwart – als zeitbezogene Praxisformen vollziehen.
Blogdebatte: Warum die Frage nach der Aktualität der Ideengeschichte nicht hilfreich ist
Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Ieva Höhne dafür, Theoriebildung und historische Quellenforschung weitgehend getrennt zu betreiben – Ideengeschichte also keinem Aktualisierungsimperativ zu unterwerfen.
Die Ermutigung des Redaktionsteams aufnehmend, die Überlegungen zum Verhältnis von politischer Theorie und Ideengeschichte „streitlustig“ zu präsentieren, möchte ich diesen Beitrag einem Vorbehalt gegen das „Und“ widmen. Mein Fokus gilt also der Frage, inwiefern sich die beiden „im Wege stehen“, und ich möchte diese Frage noch weiter präzisieren, indem ich im Folgenden skizziere, wie eine ungünstige Verknüpfung beider Forschungsperspektiven oder -anliegen aussieht. Diese ungünstige Verknüpfung, gegen die sich die von mir im Weiteren aufzugreifenden Wissenschaftler/-innen (Kurt Flasch, Quentin Skinner, Bernard Williams, Xinzhi Zhao) aussprechen, heißt Aktualisierung; daher unternehme ich im Folgenden Aktualisierungskritik. Es ist eine Kritik, die das Verhältnis der politischen Theorie und Ideengeschichte von der Warte der letzteren aus betrachtet; allerdings lässt sich argumentieren, dass ein geschichtswissenschaftlich nicht vertretbarer Umgang mit ideengeschichtlichem Material auch systematisch keinen Vorteil verschafft.
Blogdebatte: Epochalisierung als ideengeschichtliches Argument in der Politischen Theorie
Im Rahmen unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte fragt Marcus Llanque nach der Bedeutung von Epocheneinteilung für die Legitimation von Politischen Theorien.
Theorien können bekanntlich deskriptiv wie normativ begründet werden; die ideengeschichtliche Argumentation fügt diesen Strategien weitere hinzu, eine davon ist die Legitimation durch Epochalisierung. Der Akt der Einteilung von Geschichte in Epochen, Ären, Perioden, Zeitaltern war nie nur rein archivarischer Art. Von Beginn an bedeutete die Abgrenzung nach Epochen ein Werturteil, das nicht nur die chronologische Positionierung betrifft, sondern auch die inhaltliche Bedeutung. Periodisierungen, vor allem Epochalisierungen fügen die ideengeschichtliche Zeit als Argument in die Politischen Theorie ein. Jede Bestimmung eines Zeitalters, in welchem die eigene Gegenwart sich angeblich befinden soll, nimmt eine ideengeschichtliche Argumentation vor, die theoretische Konsequenzen hat, denn aus ihr folgt die anhaltende Relevanz der einen Texte und die historische Marginalisierung anderer.
Blogdebatte: Für einen kreativen Anachronismus
Zum Start unserer Blogpost-Reihe zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte plädiert Sara Gebh für einen kreativen Anachronismus bei der Verknüpfung der beiden Disziplinen.
Wer möchte schon des Anachronismus bezichtigt werden? Außerhalb der Literaturwissenschaften wäre das wenig mehr als eine Beschimpfung. Meist steht der Begriff schlicht für eine falsche zeitliche Einordnung, für einen allzu offensichtlichen Fehler bei der Zuordnung eines Konzepts oder Ereignisses zu einer historischen Periode, den es um der wissenschaftlichen Integrität willen zu vermeiden gilt. Doch ein solcher Blick übersieht das produktive Potenzial einer anachronistischen Forschungspraxis. Sie ist nicht unbedingt das Merkmal schlechter Ideengeschichte, sondern könnte ganz im Gegenteil der Schlüssel für die engere Verknüpfung von Politischer Theorie und Ideengeschichte werden. Genauer: Ein kreativer Anachronismus kann die Ideengeschichte, so mein Diskussionsangebot, von einer theoriebegleitenden in eine theoriebildende Rolle bringen.
Blogdebatte: Getrennte Wege? Zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte
Liebe Theorieblog-Leser:innen,
auch in diesem Jahr hat es zahlreiche Einsendungen in Antwort auf unseren Call for Blogposts zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte gegeben. Wir bedanken uns an dieser Stelle noch einmal bei allen Autor:innen, die Beitragsvorschläge eingesendet haben.
Die Texte, die wir in dieser und der kommenden Woche veröffentlichen, beschäftigen sich mit dem „Und“, das Politische Theorie und Ideengeschichte verbindet (oder trennt?). Sie streiten für die Eigenständigkeit der Ideengeschichte und eine kritische Funktion der Historisierung oder plädieren, umgekehrt, für einen „kreativen Anachronismus“ bei der Verknüpfung der beiden Herangehensweisen bzw. zeigen auf, inwiefern die Theoriebildung ideengeschichtliche Konzepte für die Gegenwart aktualisieren kann. Zudem beschäftigen sie sich mit der Rolle von Epochalisierung als ideengeschichtliches Argument.
Die ausgewählten Beiträge werfen spannende systematische und praktische Fragen auf, die zu kontroversen Diskussionen einladen. Alle Leser:innen sind deshalb wie immer herzlich eingeladen, aktiv mitzudiskutieren. Mit Zustimmung und Kritik, Ergänzungen und alternativen Perspektiven können die Kommentarspalten gefüllt werden. Wir freuen uns auf eine möglichst lebendige und vielfältige Debatte.
Alle Beiträge werden wir mit ihrem Erscheinen verlinken, sodass dieser Post eine Übersicht über die Debatte bieten wird.
Wir freuen uns sehr auf die kommenden Wochen und wünschen viel Spaß beim Lesen und Diskutieren!
Euer Theorieblog-Team.
Die Beiträge zu unserer Zeit-Debatte in chronologischer Reihenfolge:
- Sarah Gebh: Für einen kreativen Anachronismus
- Marcus Llanque: Epochalisierung als ideengeschichtliches Argument in der Politischen Theorie
- Imadé Aigbobo: Theoriebildung als Waffenschmiede
- Ieva Höhne: Warum die Frage nach der Aktualität der Ideengeschichte nicht hilfreich ist
- Sebastian Dute: Kämpfe ihrer Zeit, Kämpfe unserer Zeit
- Matthias Lorenz: Für eine „Artikulation“ der politischen Theorie mit der Ideengeschichte
P.S.: Der Call for Blogposts ist für uns zu einer Tradition geworden. Wer noch einmal zurückblicken mag, findet die vorangegangenen Blogpost-Reihen zu den Themen „Heimat“ (2018), „Solidarität“ (2019), „Neuanfang“ (2020), „Sorge“ (2021), „Souveränität“ (2022) und „Zeit“ (2023) natürlich weiterhin hier bei uns auf dem Blog.
Reminder: Getrennte Wege? Zum Verhältnis von Politischer Theorie und Ideengeschichte
Die Frist für unseren Sommercall steht bald vor der Tür! Deshalb wollen wir freundlich daran erinnern, dass bis zum 10. September 2024 Beiträge eingereicht werden können, die das „Und“ zwischen Politischer Theorie und Ideengeschichte beleuchten. Wie steht es um das Verhältnis der beiden? (Wie) Stehen sie in Verbindung? Wir freuen uns über pointierte Beiträge von Autor*innen, die zu politischer Ideengeschichte und/oder politischer Theorie arbeiten, sowie von Angehörigen aller Statusgruppen. Der vollständige Call mit allen Informationen findet sich noch einmal nach dem Klick!
CfA: WiMi-Stelle (PostDoc, 100%) an der Universität Siegen
An der Professur für Internationalen Vergleich und Politische Theorie des Siegener Seminars für Sozialwissenschaften ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Stelle eines*r Wissenschaftlichen Mitarbeiters*in (PostDoc, 100%, 13 TV-L, zunächst 3 Jahre) augeschrieben. Zu den Aufgaben gehören neben Forschung und Weiterqualifikation, Lehre in den deutsch- und englischsprachigen BA- und MA-Studiengängen des Seminars (4 SWS) sowie die Mitwirkung bei administrativen Arbeiten und die Mitarbeit bei der Organisation von Tagungen bzw. der Erarbeitung von Forschungsanträgen. Die Bewerbungsfrist endet am 20. September 2024. Weitere Informationen auch zu den Anforderungen an die Bewerber*innen finden sich im vollständigen Ausschreibungstext online.
Tagung: „Bildung der Demokratie?“ (Wuppertal)
Und noch einmal zum Thema Bildung: Vom 19. bis 21. September 2024 findet eine Tagung mit dem Titel „Bildung der Demokratie? Politische Theorie und Philosophie im Gespräch mit Erziehungswissenschaft und Didaktik“ statt. Die Tagung möchte – nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller Krisen(diagnosen), die Bildung wieder verstärkt als Teil einer möglichen Lösungsstrategie ins Spiel bringen – politische Theoretiker:innen und Philosoph:innen, Fachdidaktiker:innen und Erziehungswissenschaftler:innen in einen gemeinsamen systematischen Dialog über die Frage bringen, was Bildung für die Demokratie leisten kann (und was nicht).
Die Veranstaltung wird von Tobias Albrecht (Münster) und Eva Buddeberg (Wuppertal) organisiert und findet an der Bergischen Universität Wuppertal statt. Um Anmeldung bis zum 8. September 2024 bei Stefanie Althaus (althaus@uni-wuppertal.de) wird gebeten. Das vollständige Programm gibt es hier.
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