Formen substaatlicher Autonomie gelten weithin als vorzugswürdige Alternative zu einer Sezession. Wie sich gegenwärtig in Katalonien zeigt, werden Sezessionsansprüche aber auch dann gestellt, wenn Gruppen in demokratischen Rechtsstaaten über Autonomie verfügen. Dies führt mitunter dazu, diesen Gruppen eine Art von rückständigem Kommunitarismus zuzuschreiben, der sich am besten damit erklären lässt, dass sie noch nicht von der Ideologie des Nationalismus befreit worden sind. In meinem Aufsatz, der im ZPTh-Themenheft zur Gründung der Republik erschienen ist [pdf], plädiere ich für eine weniger vorurteilsbeladene Auffassung. Mit der Freiheit als Nicht-Beherrschung weise ich den Erhalt von Föderationen als vorzugswürdig aus. Dennoch hat eine Gruppe, die von vielen ihrer Mitglieder aus öffentlich nachvollziehbaren Gründen als ein eigenes konstituierendes Volk verstanden wird, ein Recht auf die effektive Anfechtbarkeit einer gegebenen Verfassung, das bis hin zu einer Sezession reichen kann. Markus Patberg fasst in seinem Kommentar meine Argumentation sehr gut nachvollziehbar zusammen. Darauf aufbauend formuliert er drei kritische Punkte, die sich als Rückfragen wie folgt formulieren lassen. Erstens: Wer ist das Volk? Zweitens: In welchem Verhältnis stehen Nationalismus und Beherrschung? Drittens: Wer hat das Recht auf Letztentscheidung? Mit allen drei Punkten setzt Patberg bei entscheidenden Stellen meiner Argumentation an. Nicht zuletzt deshalb möchte ich ihm herzlich danken.
multinationale Staaten
Beherrschung und Sezession – Andreas Oldenbourgs ZPTh-Artikel in der Diskussion
„Die Gründung der Republik“ lautet der Schwerpunkt des aktuellen Themenhefts (2/2017) der Zeitschrift für Politische Theorie. In der Verantwortung von Gastherausgeber Andreas Braune behandeln die Beiträge dabei Dilemmata der Entstehung und Erhaltung konstitutioneller Demokratien und ringen um eine „theoriegeleitete Neujustierung des Verhältnisses von Demokratie und Konstitutionalismus“ (Braune, S. 140). Danny Michelsen thematisiert zum Einstieg und bezugnehmend auf Arendt und Jefferson Möglichkeiten der Fortführung des Gründungsmoments in Verfassungsordnungen. Im Anschluss setzen sich Maike Heber mit aktuellen Kritiken und Herausforderungen des italienischen Konstitutionalismus, Dagmar Comtesse mit Lehren aus Rousseaus radikaldemokratischem Volkssouveränitätsverständnis für eine postnationale Republik und Oliver W. Lembcke und Bart van Klink mit dem Böckenförde-Diktum und Voraussetzungen freiheitlicher Ordnungen in Zeiten von Islamismus und Populismus auseinander. Damit umfasst das Themenheft politiktheoretische Analysen und Beiträge zu einigen der dringendsten politischen Fragen der Gegenwart.
Andreas Oldenbourgs Aufsatz zu konstituierender Selbstbestimmung in multinationalen Föderationen gehört ebenfalls in diese Reihe. Wir freuen uns, dass wir ihn im Rahmen unserer bewährten Zusammenarbeit mit der ZPTh kostenlos zum Download zur Verfügung stellen können. Mit Markus Patberg haben wir zudem den passenden Kommentator gefunden, der im Folgenden den Aufschlag zur Debatte übernimmt. Wir laden zugleich alle herzlich ein, mit in die Diskussion einzusteigen und die Kommentarspalten zu füllen. Andreas Oldenbourg wird auf den Kommentar, wie auch auf die Diskussion in den nächsten Wochen antworten. Los geht‘s mit dem Kommentar von Markus Patberg:
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