Für ihr geplantes Schwerpunktheft der Zeitschrift für Politische Theorie (ZPTh) zum Thema „Dialektik des Liberalismus – Zwischen globalem Versprechen und Verfehlungen“ freuen sich Michael Reder, Dominik Finkelde und Karsten Fischer über Beitragsvorschläge. Abstracts im Umfang von max. 3.000 Zeichen können bis zum 31. Mai 2019 an Karolin-Sophie Stueber (karolin-sophie.stueber@hfph.de) geschickt werden. Ein Feedback durch die Herausgeber*innen erfolgt bis zum 30. Juni 2019. Die fertigen Beiträge werden dann zum 30. November 2019 fällig. Den ausführlichen Call mit allen weiteren inhaltlichen und formalen Infos findet ihr hier.
Liberalismus
Heimat als normativer Anker?
— Nach Cornelius Moriz‘ Argument für Heimat als Gebot der Solidarität, macht Christian Aldenhoff nun die Liberalismus-Kommunitarismus-Debatte für einen skeptischen Blick auf Heimat!? im politischen Bereich fruchtbar. —
Muss Heimat als Begriff in der entsprechenden gegenwärtigen Debatte von den Akteuren der „politischen Mitte“ zurückerobert werden? Der Versuch, die Herkunft einer Person als bedeutsam für die Konstitution von Werten zu statuieren, ist nicht neu. Sowohl auf lokaler, regionaler als auch auf nationaler Ebene dürfte es Anknüpfungspunkte für etwas geben, was viele im jeweiligen Kontext mit Heimat verbinden können. In individueller Hinsicht kann eine solche Vorstellung möglicherweise eine sinnvolle Funktion bei der eigenen Konstruktion von Identität haben. Als politischer Begriff ist Heimat jedoch für die Begründung normativer Werte prinzipiell ungeeignet. Im Folgenden wird argumentiert, dass der Begriff politisch verwendet zwangsläufig zu einer Form der Ausgrenzung führt, die es zu vermeiden gilt. Im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs etwa durch Rechtspopulisten erscheint dies evident. Aber auch anspruchsvollere Ansätze wie der von Alasdair MacIntyre entgehen dieser Problematik nicht. In einer pluralen Gesellschaft sollte die vornehmliche Aufgabe der Politik darin bestehen, zwischen unterschiedlichen Auffassungen keine unüberbrückbaren Hürden zu schaffen, sondern zwischen ihnen zu vermitteln. Es ist daher für politische Akteure aller Couleur nicht ratsam, Heimat als Begriff in normativer Hinsicht zu gebrauchen.
Mut zur Skepsis. Judith Shklar über Rechte im liberalen politischen Denken
Lesenotiz zu Judith Shklar, Der Liberalismus der Rechte, übersetzt und eingeleitet von Hannes Bajohr, Matthes & Seitz 2017.
Judith Shklar ist dem deutschsprachigen Lesepublikum vor allem für ihren Liberalismus der Furcht bekannt; bisher lagen auf Deutsch mit einem gleichnamigen Band, mit Ganz normale Laster und mit Über Ungerechtigkeit lediglich Texte aus dieser Phase von Shklars facettenreichem Werk vor. Mit dem nun erschienen Büchlein Der Liberalismus der Rechte schaffen Hannes Bajohr als Übersetzer und der Berliner Verlag Matthes & Seitz Aufmerksamkeit dafür, dass es in Shklars politischer Theorie auch darüber hinaus viel zu entdecken gibt. (mehr …)
Konferenz: Zur globalen Krise liberaler Erzählungen (Berlin)
Am 24. und 25. März findet in Berlin eine vom Goethe-Institut, der Heinrich-Böll-Stiftung, dem BDI und dem Käte Hamburger Kolleg in Duisburg organisierte Konferenz mit dem Titel „Wettbewerb der Narrative: Zur globalen Krise liberaler Erzählungen“ statt. Gefragt werden soll danach welche Bedeutung die liberale Erzählung heute noch hat und welche Gegennarrative aufsteigen. Die Keynote am Freitagabend kommt von Albrecht Koschorke, zu der Vielzahl anderer Redner zählt etwa Eva Horn oder, Armin Nassehi. Auch performative Elemente – etwa eine Poetry Slam Performance – ergänzen die Veranstaltung. Das ganze Programm der Tagung lässt sich hier einsehen, dort findet ihr auch den Link zur Anmeldung.
v.
Das Bedürfnis der Sozialkritik: Franck Fischbachs „Manifest für eine Sozialphilosophie“
Auf Seite der „Beherrschten“ (71) manifestiert sich im neoliberalen Zeitalter mehr und mehr das Bedürfnis einer eingreifenden Sozialkritik – das ist die wunderbar konkrete und parteiische Motivation, die Franck Fischbachs Manifest für eine Sozialphilosophie (jüngst auf Deutsch erschienen) konsequent antreibt (10, 17). Fischbach versucht hier die Sozialphilosophie als einen selbstbewussten und eigenständigen Diskurs der praktischen Philosophie zu etablieren, der dieses kritische Bedürfnisses reflexiv begleiten soll. Das Provokante dieses Versuches ist nun, dass er systematisch gegen die als hegemonial empfundene „klassische“ bzw. liberale politische Philosophie (bes. Rawls) gerichtet ist: Ihr Fokus auf die normativen Grundlagen einer gerechten politischen Ordnung produziere nämlich einen Begriff des Politischen, der letztlich apolitisch bleibt, weil er nicht das Soziale als einen „gespaltene[n] und grundsätzlich konfliktuelle[n] Raum“ (12) in den Blick bekommt, in dem jeder Impuls der Kritik jedoch operiert. Auf diese „Konfliktualität“ (87) insistiert dagegen Fischbach! Dadurch gibt er der Kritik ihre nötige Arena. Aber unterbestimmt bleibt dabei, wie sie dann in dieser Arena wiederum philosophisch und gesellschaftstheoretisch fundiert bzw. verortet werden soll. (mehr …)
Podcast: Samuel Salzborn – Die dunkle Seite der Theorie
Mit einer Woche urlaubsbedingter Verspätung geht es heute weiter mit dem vorletzten Podcast unserer Reihe. Ich bitte die Verspätung zu entschuldigen.
Samuel Salzborn, einer der renommiertesten Experten für Rechtsextremismus und Antisemitismus in Deutschland, durchleuchtet in seinem Vortrag „Die dunkle Seite der Theorie“. Die dunkle Seite sind die antiemanzipativen, antiaufklärerischen, antiliberalen Ideen, wie sie heute vor allem im Denken des Rechtsextremismus und des radikalen Islamismus zu finden sind. Salzborn beschreibt das Verhältnis dieser beiden Strömungen zum Liberalismus, im Anschluss an sein aktuelles Buch, als einen „Kampf der Ideen“ mit jeweils exklusiven Weltsichten. Die Ideen entwickelten sich in unterschiedlichen Konflikten – der Liberalismus entstand im Kampf gegen den Absolutismus, der Faschismus im Kampf gegen den Liberalismus und der Islamismus im Kampf gegen die westliche Welt – und doch entstehen heute gemeinsame Fronten. Hinsichtlich des Menschenbildes stehen Rechtsextremismus und radikaler Islamismus mit jeweils spezifischen Idealen homogener Gemeinschaft (Volk und Umma) gegen das aufgeklärte Subjekt des Liberalismus. Die gleiche Frontstellung ergibt sich in politischer Hinsicht, auch hier steht der Vorrang des Kollektivs gegen das liberale Individuum, der letztlich immer in einem Identitätszwang mündet. Die Strategie beruht dabei vor allem auf der identitätspolitischen Etablierung essentialistischer Differenzen, die letztlich – zumindest im Fall des Rechtsextremismus – auf ein System globaler Apartheit, einen „Volksgruppenzoo“, hinauslaufen. Rechtsextremismus und radikaler Islamismus basieren auf der gleichen antimodernen Regression, in der „Juden“, „Amerika“ und „Moderne“ als negative Projektionsflächen für dieses kollektivistische Phantasma dienen.
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Kein „Dampfbad des Volksempfindens“. Bericht zur Tagung „Liberalismus – Traditionen, Konstellationen, Ausblicke“ (LMU München, 16.–18. März 2016)
Das „21. Jahrhundert“, so die Prognose des Ideenhistorikers Panajotis Kondylis, wird „die Abschaffung des Liberalismus bedeuten.“ Die Äußerung gewinnt an Geltung. Gerade in einer Zeit, in der das Liberale im „Dampfbad des Volksempfindens“ (Dahrendorf) zu versiegen droht; in der Menschen wieder nach Heimat und nationalem Zusammenhalt begehren; in der die Sehnsucht nach der homogenen Gemeinschaft Einzug hält – dem, was Émile Durkheim „mechanische Solidarität“ nannte – und in der mit Nationalfahnen nicht nur Fußballfröhlichkeit, sondern Fremdenfeindlichkeit demonstriert wird.
Möglicherweise war es eine derartige Impression, aus der heraus es den Veranstaltern Karsten Fischer (LMU München) und Sebastian Huhnholz (LMU München) geboten schien, zum Thema Liberalismus – Traditionen, Konstellationen, Ausblicke einzuladen. (mehr …)
Podcast: Thomas Biebricher – Gouvernementalität und die Kritik des Neoliberalismus
Der Neoliberalismus ist einer der umstrittensten Begriffe der gegenwärtigen Sozialwissenschaften, ein „essentially contested concept“ – für die einen ist er ein politischer Kampfbegriff, für die anderen ein fast universell einsetzbares Analyseraster für heutige Gesellschaften. Thomas Biebricher, der neben zahlreichen Aufsätzen zu dem Thema auch eine Einführung in „den“ Neoliberalismus veröffentlicht hat, versucht beides zu vermeiden und in Verbindung mit Foucaults Begriff der Gouvernementalität aus dem stigmatisierten Begriff ein präzises Analysewerkzeug zu gewinnen. Entlang der foucaultschen Achsen Wissen, Macht und Subjekt zeichnet er die Regierungspraxis der Gouvernementalität als spezifische Mischung aus Theorie und Praxis nach. Die Verbindung mit dem Neoliberalismus ergibt sich vor allem daraus, dass der Neoliberalismus kein Ökonomismus ist, sondern auf den Laissez-faire-Liberalismus mit der Einsicht reagiert, dass der Staat, die Regierung, das Funktionieren der Märkte sicherstellen muss. Die neoliberale Gouvernementalität soll stabile Märkte ermöglichen. Verbunden ist dies bspw. mit einer Subjektform, die nicht wie der homo oeconomicus einseitig durch Nutzenmaximierung bestimmt ist, sondern die durch ein spannungsreiches Verhältnis von Risikobereitschaft und Vorsorge, Freiheit und Verantwortung geprägt ist. Diese Form der Analyse ermöglicht, so Biebricher, eine neue Form der Kritik, da sie erst die Alternativen sichtbar macht, indem sie die Machtmechanismen aufdeckt, die Techniken der Wissensproduktion offenlegt und uns Subjekte nach dem Preis der Emanzipation fragen lässt.
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Tagung, 16.-18. März, LMU München: „Liberalismus: Traditionen, Konstellationen und Aussichten“
Mit Unterstützung der Thyssen-Stiftung und der Carl Friedrich von Siemens Stiftung veranstaltet vom 16. bis 18. März 2016 der Lehrstuhl Politische Theorie (Prof. Dr. Karsten Fischer) die Tagung „Liberalismus: Traditionen, Konstellationen und Aussichten“ an der LMU München.
In die Tagung integriert ist die Mitgliederversammlung der DVPW-Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte (Donnerstag, 17. März 2016; 18-19 Uhr). Der Tagungsflyer findet sich hier, um eine Anmeldung bis zum 1. März 2016 wird gebeten über sebastian.huhnholz@lmu.de. Wer überdies Unterstützung bei der Betreuung von Kindern benötigt, melde sich bitte ebenfalls über sebastian.huhnholz@lmu.de (bitte bis spätestens 9. März). Überdies sind befristet Zimmerkontingente für Tagungsgäste vorreserviert. Für auswärtige Vortragende und Moderierende wurde bereits veranstalterseitig ein Hotel gebucht.
Bitte beachten Sie, dass die Veranstaltung an zwei verschiedenen Orten stattfinden wird!
Weitere Informationen finden sich hier: (mehr …)
ZPTh-Replik auf Nina Eggers: Konfliktiver Liberalismus als gegenhegemoniales Projekt
Zunächst sind wir Nina Eggers zu großem Dank verpflichtet. Selten enthielt eine Kritik so viel Zustimmung. Indem wir Mouffe als eine Liberale lesen, öffnen wir eine neue Perspektive auf ihr Werk. Dabei folgt Nina Eggers fast durchgehend unseren Thesen und unterstreicht selbst noch einmal Mouffes „Verteidigung der Errungenschaften liberaler Demokratien“ und ihren „liberalen Pluralismus“. Umso verwunderlicher ist dann ihre kritische Pointierung, wir würden Mouffe als eine „verkappte Liberale“ „entlarven“ wollen. Mouffe ist in unserer Lesart keine „verkappte“ Liberale, sondern eine Liberale, die – ihrem eigenen hegemonietheoretischen Ansatz folgend – für ein anderes, alternatives Verständnis des Liberalismus eintritt. Zu „entlarven“ gibt es hier folglich nichts. Vielmehr geht es ihr und ging es auch uns darum, Traditionslinien dieses anderen Liberalismus aufzuzeigen. (mehr …)
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