Qualitätsfernsehen aus Sicht politischer Theorie

MCNULTY „Lemme understand you. Every Friday night, you and your boys would shoot crap, right. And every Friday night, your pal Snotboogie would wait until there was some cash on the ground. Then he would grab the money and run away.“
WITNESS nods.
MCNULTY: „You let him do that?“
WITNESS: „We catch him and beat his ass. But ain’t nobody never go past that.“
MCNULTY: „I gotta ask you. If every time Snotboogie would grab the money and run away, why did you even let him in the game?“
WITNESS: „What?“
MCNULTY: „If Snot always stole the money, why did you let him play?“
WITNESS: „Got to. This America, man.“

Mit diesem Dialog endet die erste Szene von The Wire. Und mit dem Würfelspiel der Jungs der Straße ist das Thema dieser Fernsehserie über das postindustrielle Baltimore eingeführt: The Game. Das Spiel, dessen Regeln man befolgen muss, wozu allzu oft der Bruch formeller Spielregeln gehört, sofern das einen Gewinn verspricht. Und auch wenn es nicht viele Nettogewinner gibt, hat zumindest jeder das Recht mitzuspielen. (mehr …)

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Lesenotiz: Neues von alten Imperien

Kolonialen Strukturen und ihren Verwerfungen nähert sich die Politische Theorie und Ideengeschichte seit rund einem Jahrzehnt nicht nur von den Postcolonial Studies aus, sondern auch von Seiten der Imperientheorie.  Die Fragestellungen jener, von Historikern wie Politikwissenschaftlern unternommenen, Versuche der Theoriebildung sind dabei grundlegend andere als die der postkolonialen Ansätze: Makrostrukturen und -dynamiken imperialer Ordnungen, Herrschaftslogiken , Formen der Machtdurchsetzung und Gründe für den rise, decline and fall großer Reiche stehen im Vordergrund, verallgemeinernd gesprochen, genuin politikwissenschaftliche und nicht so sehr soziologische oder kulturgeschichtliche Fragestellungen.  Für Politiktheoretiker, die sich für die Verknüpfung von Geschichtsanalyse und Theoriebildung im Hinblick auf Imperien interessieren, gibt es nun mit „Empires in World History“ aus der Feder zweier US-Historiker eine neue Einführung in die Materie, die versucht, den Nutzen und die Plausibilität des Imperienkonzepts direkt anhand des geschichtlichen Gegenstands zu demonstrieren, und dabei trotz ihres Einführungscharakters (keine Fußnoten!) durchaus theoretisch auf der Höhe der Zeit ist. (mehr …)

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Politische Theorie vs. politische Praxis. Zwei Anregungen zu einem Brückenschlag

Ganz gleich wo man die Anfänge der Politischen Theorie verortet, ob auf dem Marktplatz von Athen, wo Sokrates die Bürger zum Hinterfragen althergebrachter Ansichten anstiftete (ein im Arendtschen Sinne durch und durch politischer Akt), bei Machiavelli, der Fürsten das Regieren lehren wollte, oder bei Hobbes, der sich zum Ziel setzte, das zu leisten, was seiner Ansicht nach weder Platon noch Aristoteles gelungen war, nämlich Politik wissenschaftlich zu ergründen, stets schien sich die Frage nach der Praxistauglichkeit politischer Theorien aufzudrängen (auch wenn sie bei Sokrates, jedenfalls Platos Darstellungen zufolge, zugegebenermaßen weniger zentral war als etwa bei Machiavelli). Seither begleitet diese Frage in mehr oder weniger offensichtlicher Form jegliche Beschäftigung mit politiktheoretischen Fragen: Eher selten stand sie so sehr im Mittelpunkt der Untersuchung wie bei Marx, doch sogar dort, wo sie vermeintlich gar nicht zur Disposition stand (manche sehen dies bei Kant gegeben, andere bei Hegel), wurde sie schließlich von Kritikern ins Feld geführt. Dies lässt vermuten, dass die Frage nach der Praktikabilität von Politischer Theorie untrennbar mit derselben verbunden ist. (mehr …)

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Zeitschriftenschau Juli/August 2010 – Politik, realistisch und leidenschaftlich

Lange angekündigt – hier ist sie endlich, die aktuelle Zeitschriftenschau von chris und maike:

Die Deutsche Zeitschrift für Philosophie (3/2010) widmet ihren aktuellen Schwerpunkt unter dem Titel „Wozu politische Philosophie?“ dem britischen Theoretiker Raymond Geuss, dessen Kritik an der gegenwärtigen politischen Philosophie den Herausgebern, wie Axel Honneth einleitend schreibt, „von derart allgemeiner, übergreifender Bedeutung zu sein scheint“, dass sie politische TheoretikerInnen letztlich vor die Frage stelle, „wozu und mit welchen Mitteln eine solche Art von Philosophie heute überhaupt betrieben werden soll“. (mehr …)

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Tierethik Reloaded

Der amerikanische Romanautor Jonathan Safran Foer hat ein essayistisches Buch über Tierschutz geschrieben, eine Art neue Vegetarierbibel könnte man sagen. Mit „Eating Animals“ (in der deutschen Übersetzung „Tiere Essen“) legt Foer nämlich ein zugleich informiertes, witziges, kluges und philosophisches Buch zum Essen von Tieren und essenden Tieren, so der doppeldeutige Titel, vor. Er befreit die Tierethik damit zumindest in der Popkultur, vielleicht aber ja auch in der (Populär-)philosophie, ein Stück weit aus ihrem Schattendasein. (mehr …)

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Die Frage nach dem Ort kritischer Gesellschaftstheorie – Eva Illouz über „Die Errettung der modernen Seele“

Das neue Buch von Eva Illouz ist wunderbar zu lesen, hoch anregend, aber in seinem kritischen Potential zu diskutieren. Worum geht es? Im Grunde möchte Eva Illouz erklären, wie es dazu gekommen ist, dass wir in einer durchpsychologisierten Gesellschaft leben, in der Selbsthilfegruppen, Ratgeberliteratur und –sendungen oder der „therapeutisch-emotionale Habitus“ fester Bestandteil unserer Kultur geworden sind, die so wenig wegzudenken sind wie der selbstverständliche Gang zum Psychotherapeuten. (mehr …)

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