Die Killer-Roboter sind hier! Krisen als Treibstoff für präventive Rüstungskontrollnormen  

Im Rahmen des Forums „Krise und Normkontestation“ veröffentlichen wir einen Beitrag von Berenike Prem.

Staaten handeln selten vorausschauend. Es bedarf häufig einer Krise, um ein Problembewusstsein zu schaffen, bestehende Normen infrage zu stellen und die Suche nach neuen Normen zu fördern. Der Stellenwert von Krisen für Prozesse der Normkontestation und Genese macht deutlich, vor welchen Herausforderungen Akteure gestellt sind, die antizipative Normen etablieren oder bestehende Normen „fit“ für die Zukunft machen wollen. Diese Normen sind wirksam, noch bevor sich Krisen voll zu entfalten scheinen. Funktioniert Normkontestation also auch ohne Krisen? Dieser Beitrag beleuchtet die Bedeutung von Krisen als endogenem Faktor in Normdynamiken und zeigt, wie sie durch vorausschauende Praktiken visuell, narrativ und performativ konstruiert werden, um normative Veränderungen anzustoßen. Diese Annahmen werden am Beispiel präventiver Rüstungskontrollnormen für neue Waffentechnologien (autonome Waffensysteme) diskutiert. 

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Krise und Normkollisionen

Wir setzen das Forum „Krise und Normkontestation“ mit einem Beitrag von Anna Holzscheiter, Andrea Liese und Sassan Gholiagha fort.

Krisen sind keine objektiven Tatsachen – sie sind intersubjektive Zuschreibungen (siehe auch den Blogbeitrag von Berenike Prem). Krisen sind von Mangel, Unsicherheit und/oder Instabilität geprägte Ereignisse, Zustände oder Prozesse. Die Politik der Krise ist nicht nur die Politik des Krisenmanagements, sondern grundsätzlicher die Politik der diskursiven Verhandlung über das Label „Krise“. Ob und wie eine Deutung von einschneidenden Ereignissen, Katastrophen und (Wandlungs-)prozessen als „Krise“ politisch wirkmächtig werden kann und damit definiert, welche Krisen politischen Handelns würdig sind, ist von herausragender wissenschaftlicher Relevanz. Krisenzuschreibungen sind demnach sowohl zeitlich als auch räumlich kontingent und potenziell umstritten.

In der Politikwissenschaft sind die unterschiedlichen Effekte von Krisenwahrnehmung und -diskurs schon lange systematisch erforscht, allen voran Dynamiken der Versicherheitlichung von Politikfeldern und Problemen jenseits der klassischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Gut erforscht sind auch die Möglichkeiten zur Diffusion von Verantwortung, die Krisenzuschreibungen eröffnen (Externalisierung) sowie die Möglichkeiten, politisches Handeln als zwingend und alternativlos zu rechtfertigen und, schließlich, die Legitimation und Ausweitung exekutiver Kompetenzen, die sehr häufig auch über das Ende der jeweiligen (wahrgenommenen) Krise hinaus bestehen bleibt.  

Unser Beitrag zu diesem Forum stellt Normkollisionen als Begleiterscheinung von Krisen in den Mittelpunkt. Der Zusammenhang zwischen Krisenwahrnehmung einerseits und Normschaffung, Normkontestation und Normwandel andererseits ist, zumindest implizit, schon lange Gegenstand wissenschaftlicher Debatten – auch in der Disziplin der Internationalen Beziehungen (IB) (siehe auch den Beitrag von Laura von Allwörden). Vielbeachtete Fälle von Normkontestation, also der Infragestellung der Normgeltung oder Normanwendbarkeit, sind solche, bei denen – als Reaktion z.B. auf Krisen wie den 11. September 2001 –, weitgehend als universell betrachtete Normen wie das Folterverbot oder das Verbot der Anwendung von Gewalt (Art. 2, Abs. 4 Charta der Vereinten Nationen) angefochten worden sind. Aufbauend auf diesen Debatten stellen wir hier zwei Fragen: Inwiefern machen wahrgenommene Krisen Normkollisionen sichtbar? Und inwiefern eröffnen Krisen mit Blick auf diese Normkollisionen die Möglichkeit, bestehende Normenhierarchien zu hinterfragen? Konkreter diskutieren wir, wie sich disruptive Ereignisse und Prozesse, die mehrheitlich von politischen und gesellschaftlichen Akteuren als Krise wahrgenommen werden, auf Normen und ihre Beziehungen und damit eben auch auf Kollisionen zwischen Normen auswirken. (mehr …)

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Krisen: Depolitisierung und ihre Anfechtung

Den zweiten Beitrag zum Forum „Krise und Normkontestation“ steuert Christian Kreuder-Sonnen bei.

Akute, existentielle Bedrohungen, die unter Zeitdruck politische Antworten erfordern, lassen wenig Raum für argumentative Auseinandersetzung. Die in solchen Krisen eingesetzten politischen Mittel und Maßnahmen entziehen sich daher zumindest kurzfristig oft tiefgehender Anfechtung (Kontestation). Wie ich in diesem Beitrag argumentiere, stellen Krisen jedoch in mindestens zweierlei Hinsicht auch Treiber von spezifischen Praktiken der Normkontestation dar. Zum einen können notstandspolitische Maßnahmen selbst eine verhaltensbezogene Form der Normkontestation darstellen, indem sie in der Praxis mit gewissen Normen brechen und andere Normen implementieren. Zum anderen führt die diskursive Depolitisierung der akuten Krisensituation – gekoppelt mit weitreichenden krisenpolitischen Maßnahmen – mittelfristig zu einer repolitisierenden Gegenreaktion, bei der Normen und politische Institutionen insgesamt mit besonderer Intensität angefochten werden.

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Kontestation und Krise: Zusammen oder getrennt? Das „Henne-Ei-Problem“

Das ist der erste Beitrag des Forums „Krise und Normkontestation“, das von Nils Stockmann und Johanna Speyer organisiert wurde und in dieser Woche auf dem Theorieblog erscheint.

Den Zusammenhang von Krise und Normkontestation – sowohl auf konzeptueller als auch auf empirischer Ebene – kann man als ein sogenanntes Henne-Ei-Problem bezeichnen. Beide Konzepte haben die Gemeinsamkeit, dass sie mit negativen Konsequenzen assoziiert werden. Sie werden als problematisch, kritisch, bedrohlich eingestuft. Daher scheint es dem ersten Eindruck nach nur folgerichtig, dass aus beiden auch immer negative Konsequenzen folgen. 

Jedoch zeigt die Empirie, dass beide auch positive, stabilisierende Effekte haben können. Daher schlage ich vor, in der Analyse des Verhältnisses von Krise und Kontestation diese produktiven, legitimierenden Effekte mitzudenken. Es lassen sich anhand zweier Beispiele, der Covid-19-Pandemie und der Klimakrise, vier Beobachtungen dazu festhalten, in welchem Zusammenhang Krisen und Normkontestation auftreten: Erstens können Normen in Krisen angefochten werden, um zur Lösung des Krisenproblems beizutragen. Zweitens kann die Krise aber auch als Heuristik, ohne den Auftritt von Kontestation, Normen-stärkend wirken. Drittens kann Kontestation in der Krise einen legitimierenden, stärkenden Effekt auf die Norm haben. Jedoch lässt sich auch beobachten, dass viertens eine Kontestation solcher Normen stattfinden kann, die zur Lösung des Krisenproblems beitragen sollen. Daraus lässt sich ableiten, dass es vermutlich keinen temporal-notwendigen, aber einen kontextuellen Zusammenhang zwischen Normkontestation und Krise gibt. 

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Forum „Krise und Normkontestation“ – Auftaktbeitrag

Die Begriffe „Krise“ und „Kontestation“ haben derzeit Hochkonjunktur in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Doch wie verhalten sie sich zueinander? Geht die Krise der Kontestation von Normen voraus oder umgekehrt? Hilft der eine Begriff, Dynamiken des jeweils anderen auszuleuchten? Oder sprechen Kontestations- und Krisenforscher:innen gar über gleiche Phänomene mit unterschiedlichem konzeptionellen Vokabular? Dieses Forum widmet sich diesen Fragen und den theoretischen Dimensionen des Verhältnisses von Krise und Kontestation.

Internationale Organisationen (IOs) und andere politische Institutionen, so scheint es, kommen bei der Suche nach wirksamen Gegenmaßnahmen und Vorsorgestrategien gegen Krisen kaum noch hinterher. Die Wahrnehmung gleichzeitig auftretender Krisen, einer „Polykrise“, hat den globalen Diskurs und das Handeln von IOs paradigmatisch verändert. Gleichzeitig ist die Kontestation von Normen in unterschiedlichen politischen Räumen zu beobachten. Es verwundert daher wenig, dass Krisenforscher:innen und Kontestationsforscher:innen der jeweils andere Begriff nicht unbekannt ist. Wo „Krise“ ist, scheint „Normkontestation“ nicht weit zu sein. Je nach analytischer Blickrichtung entsteht der Eindruck, dass Normkontestation erst in Krisen sicht- und analysierbar wird oder umgekehrt eine Situation nur dann als Krise bezeichnet wird, wenn bestimmte Normen angefochten werden. Darüber hinaus bleibt die analytische Beziehung zwischen beiden Begriffen und den dahinterliegenden konzeptionellen Debatten jedoch oft vage.

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Offene Panels beim DVPW-Kongress (CfP Frist am 31.10.)

Vom 24.-27. September 2024 findet in Göttingen der DVPW-Kongress zum Thema „Politik in der Polykrise“ statt. Am 31.10.2023 läuft die Frist des Call for Papers für die offenen Panel wie auch für geschlossene Panel ab. Wir möchten die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass es eine ganze Reihe von offenen Panels gibt, die (auch) im Bereich politische Theorie und Ideengeschichte verortet sind. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit listen wir hier offene Panels auf, die für politische Theoretiker*innen besonders interessant sind. Die Beschreibungen aller Panels finden sich auf der Website der DVPW. (mehr …)

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Kongresssplitter: Über die Situiertheit gesellschaftlicher Krisendiagnosen 

— 3.B Critical feminist perspectives on Diagnoses of Crisis — 

Eine Tagung, die sich dem Thema (Un-)Sicherheit gewidmet hat, bietet reichlich Anknüpfungspunkte für feministische Perspektiven: Welche Sicherheitsbedürfnisse finden Gehör und welche Perspektiven werden ausgeblendet? Wie lassen sich permanente Krisenerfahrungen marginalisierter Gruppen in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit (Un-)Sicherheit und Krise berücksichtigen? Das von der Sektion Politik und Geschlecht der DVPW gestaltete Panel “Critical feminist perspectives on Diagnoses of Crisis: Foregrounding Vulnerability and Intersecting Histories of Domination” stellte diese Fragen ins Zentrum und zielte auf die inhaltliche Erweiterung politiktheoretischer Fragestellungen, methodische Offenheit und die Öffnung bestehender Kanons.   (mehr …)

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CfP Tagung “ Microscopic Research on Grand Social Concepts – Crisis, Protest, and Transformation“ (Fulda) – verlängert bis 31.08.

Der Call ist verlängert bis zum 31.08.: Das Promotionskolleg „Human Rights and Social Justice“ der Hochschule Fulda veranstaltet am 23. und 24. November 2023 in Fulda eine internationale Konferenz zum Thema „Microscopic Research on Grand Social Concepts – Crisis, Protest, and Transformation“. Hierfür werden noch Beiträge gesucht. Der ausführliche Call for Papers finden sich hier. Vorschläge im Umfang von max. 300 Wörtern können bis 18. August 2023 an Christina Kurdum (christina.kurdum@sk.hs-fulda.de) gesendet werden.

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Gastvortrag Hedwig Richter: „Krise, welche Krise?“ (Darmstadt)

Am 22. Juni 2023 von 18-20 Uhr hält Hedwig Richter einen Gastvortrag an der TU Darmstadt mit dem Titel „Krise, welche Krise? Risiko und Resilienz in der liberalen Demokratie“, in dem die Frage beantwortet werden soll, ob Krisen womöglich unverzichtbar sind, um Demokratien wach und die Selbstreflexivität lebendig zu halten und der These nachgegangen wird, dass Krisendiskurse das Potential zur self-fulfilling prophecy in sich tragen. Dirk Jörke wird den Vortrag kommentieren. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Weitere Informationen hier.

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Konferenz: Unhaltbare Zustände – Zweite Marxistische Arbeitswoche (Frankfurt)

Über Pfingsten 1923 fand in Geraberg (Thüringen) die »Marxistische Arbeitswoche« statt – das erste Theorieseminar des zu Beginn desselben Jahres gegründeten Instituts für Sozialforschung. Teilnehmer:innen waren Marxist:innen und Kommunist:innen, die intellektuell an der frühen Ausrichtung des IfS mitwirkten. Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens lädt das IfS für Pfingsten 2023 zur Zweiten Marxistischen Arbeitswoche ein. […]

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