Kontestation als produktive Krise 

Das Forum „Krise und Normkontestation“ schließt mit einem Beitrag von Nicole Deitelhoff.

Wer eine Norm kontestiert, erlebt sie als krisenhaft oder will eine Krise der Norm erzeugen, um Veränderungen anzustoßen. Krisen sind Phasen von gravierender Verunsicherung (innerhalb) von Ordnungen. In der Krise fallen Gewissheiten, werden Strukturen brüchig und reißen Interaktionsprozesse ab. Krisen sind Phasen, in denen politische Ordnungen, ihre Normen und Regeln besonders wandelbar sind. Das ist nicht mit Verfall gleichzusetzen. In gewisser Weise sind politische Ordnungen sogar auf Krisen angewiesen, um ihre Normen, Regeln und Verfahren effektiv ändern und sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen oder auf gewandelte Einstellungen reagieren zu können. Einige Ordnungen lassen daher Kontestation nicht nur zu, sie fördern sie sogar aktiv: Demokratien nutzen Kontestation, um die eigene Wandlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und ihre Legitimität zu sichern. Sie begreifen Kontestation als produktive Krise.  

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Kontestation und Krise: Zusammen oder getrennt? Das „Henne-Ei-Problem“

Das ist der erste Beitrag des Forums „Krise und Normkontestation“, das von Nils Stockmann und Johanna Speyer organisiert wurde und in dieser Woche auf dem Theorieblog erscheint.

Den Zusammenhang von Krise und Normkontestation – sowohl auf konzeptueller als auch auf empirischer Ebene – kann man als ein sogenanntes Henne-Ei-Problem bezeichnen. Beide Konzepte haben die Gemeinsamkeit, dass sie mit negativen Konsequenzen assoziiert werden. Sie werden als problematisch, kritisch, bedrohlich eingestuft. Daher scheint es dem ersten Eindruck nach nur folgerichtig, dass aus beiden auch immer negative Konsequenzen folgen. 

Jedoch zeigt die Empirie, dass beide auch positive, stabilisierende Effekte haben können. Daher schlage ich vor, in der Analyse des Verhältnisses von Krise und Kontestation diese produktiven, legitimierenden Effekte mitzudenken. Es lassen sich anhand zweier Beispiele, der Covid-19-Pandemie und der Klimakrise, vier Beobachtungen dazu festhalten, in welchem Zusammenhang Krisen und Normkontestation auftreten: Erstens können Normen in Krisen angefochten werden, um zur Lösung des Krisenproblems beizutragen. Zweitens kann die Krise aber auch als Heuristik, ohne den Auftritt von Kontestation, Normen-stärkend wirken. Drittens kann Kontestation in der Krise einen legitimierenden, stärkenden Effekt auf die Norm haben. Jedoch lässt sich auch beobachten, dass viertens eine Kontestation solcher Normen stattfinden kann, die zur Lösung des Krisenproblems beitragen sollen. Daraus lässt sich ableiten, dass es vermutlich keinen temporal-notwendigen, aber einen kontextuellen Zusammenhang zwischen Normkontestation und Krise gibt. 

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Forum „Krise und Normkontestation“ – Auftaktbeitrag

Die Begriffe „Krise“ und „Kontestation“ haben derzeit Hochkonjunktur in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Doch wie verhalten sie sich zueinander? Geht die Krise der Kontestation von Normen voraus oder umgekehrt? Hilft der eine Begriff, Dynamiken des jeweils anderen auszuleuchten? Oder sprechen Kontestations- und Krisenforscher:innen gar über gleiche Phänomene mit unterschiedlichem konzeptionellen Vokabular? Dieses Forum widmet sich diesen Fragen und den theoretischen Dimensionen des Verhältnisses von Krise und Kontestation.

Internationale Organisationen (IOs) und andere politische Institutionen, so scheint es, kommen bei der Suche nach wirksamen Gegenmaßnahmen und Vorsorgestrategien gegen Krisen kaum noch hinterher. Die Wahrnehmung gleichzeitig auftretender Krisen, einer „Polykrise“, hat den globalen Diskurs und das Handeln von IOs paradigmatisch verändert. Gleichzeitig ist die Kontestation von Normen in unterschiedlichen politischen Räumen zu beobachten. Es verwundert daher wenig, dass Krisenforscher:innen und Kontestationsforscher:innen der jeweils andere Begriff nicht unbekannt ist. Wo „Krise“ ist, scheint „Normkontestation“ nicht weit zu sein. Je nach analytischer Blickrichtung entsteht der Eindruck, dass Normkontestation erst in Krisen sicht- und analysierbar wird oder umgekehrt eine Situation nur dann als Krise bezeichnet wird, wenn bestimmte Normen angefochten werden. Darüber hinaus bleibt die analytische Beziehung zwischen beiden Begriffen und den dahinterliegenden konzeptionellen Debatten jedoch oft vage.

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Symposium mit Bonnie Honig: „Thirty Years of Political Theory and the Displacement of Politics“ (Berlin)

Am 20.01.2023 findet in Berlin ein vom Forschungs- und Lehrbereich Theorie der Politik an der HU organisiertes Symposium „Thirty Years of Political Theory and the Displacement of Politics” mit Bonnie Honig (Brown University) statt. Es diskutieren Samira Akbarian (Frankfurt), Jeanette Ehrmann (Berlin), Mareike Gebhardt (Münster) und Viktoria Hügel (Heidelberg). Wer an der Veranstaltung teilnehmen möchte, muss sich bis zum 16.01.2023 per Mail anmelden (shk.theorie.politik@hu-berlin.de). Alle weiteren Infos gibt es nach dem Klick.

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CfA: Mitarbeiterstelle in Frankfurt (Postdoc)

Im Rahmen des Exzellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ ist zum 01.09.2011 eine volle Mitarbeiterstelle ausgeschrieben. Die Stelle ist an der Professur von Nicole Deitelhoff (Schwerpunkt: Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungen) angesiedelt und ist zunächst für zwölf Monate zu besetzen. Die Stelle ist so angelegt, dass neben der normalen Mitarbeit in der Professur ein Drittmittelantrag erstellt werden soll. Das Profil von Bewerbern sollte daher zum Forschungsschwerpunkt der Professur passen, an der sich mit Opposition zu globaler Politik beschäftigt wird. Vorabeiten zu Entscheidungsprozessen und Legitimationsfragen in der globalen Politik und sehr gute Kenntnisse in Internationalen Beziehungen oder Internationaler Politischer Theorie werden erwünscht, ebenso eine abgeschlossene Promotion. Einsendeschluss für Bewerbungen ist bereits der 13. Juli 2011, seid also schnell. Die genauen Infos unter dem Strich. (mehr …)

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