Das Spiel mit der Zeit: autoritär-populistische Politiken der Vergegenwärtigung

Wir setzen die Blogpost-Reihe zum Thema Zeit fort mit einem Beitrag von Brigitte Bargetz, Nina Elena Eggers und Sara Minelli, der analysiert, inwiefern der autoritäre Populismus eine spezifische Politik der Zeitlichkeit betreibt.

„Haben wir unsere Zukunft verspielt? Nein, aber viel Zeit bleibt nicht mehr. Wir müssen handeln – und zwar hier und jetzt!“ Der österreichische Journalist, Jurist und Populist Tassilo Wallentin verbindet in seinem Buch „Hier und Jetzt: Wie wir unser Land noch retten“ (2022) die Erzählung des Verfalls der Gegenwart mit einem aktionistischen Aufruf zum Handeln. Um den drohenden Untergang noch abzuwenden, müsse nicht nur das „Land“ selbst, sondern vielmehr die Zukunft dieses Landes „gerettet“ werden. Wallentin inszeniert hier eine apokalyptische Erzählung, die sich einer autoritär-populistischen Rhetorik bedient. Aus der Krise, die sich von der Vergangenheit in die Gegenwart zieht, kann demnach nur er das Volk herausführen. Sein Versprechen: das ohnmächtige Volk vor dem nahenden Untergang zu bewahren und ihm so seine Zukunft zu sichern.  

In Wallentins Erzählung erkennen wir einen symptomatischen zeitlichen Modus des autoritären Populismus: Autoritär-populistische Politiken intervenieren in den gegenwärtigen Moment der Krise. Sie bieten eine Politik der Zeitlichkeit an, die der politischen Ohnmacht und Zukunftslosigkeit in der multiplen Krise der Gegenwart etwas entgegenzusetzen verspricht. Es ist die Idee, unmittelbar handeln zu können und sogar zu müssen und dadurch zugleich eine imaginäre Vergangenheit wiederherzustellen, die von den Krisen der Gegenwart befreit ist. Um diesen Modus zu fassen, schlagen wir in unserem Beitrag den Begriff der autoritär-populistischen Vergegenwärtigung vor. Damit meinen wir eine Form der Vergegenwärtigung von Vergangenheit und Zukunft, die sowohl konservativ-beständig als auch aktionistisch-transformativ ist, gerade weil sie den Konservatismus mit einem aktionistischen Handeln verbindet.   (mehr …)

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CfP: „‚Provisorische Ewigkeit‘. Staatsverständnisse der frühen Bundesrepublik zwischen Konservatismus, Liberalismus und Technokratie“

Andreas Höntsch und Patrick Wöhrle planen für die Reihe Staatsverständnisse einen Band mit dem Titel „‘Provisorische Ewigkeit‘. Staatsverständnisse der frühen Bundesrepublik zwischen Konservatismus, Liberalismus und Technokratie“. Im Fokus soll dabei die Frage stehen, „auf welch unterschiedlichen Wegen und unter welchen zeitgeschichtlichen Randbedingungen insbesondere Autoren, die mit klassischen politischen ‚Abschlussformeln‘ sozialisiert wurden (Souveränität, Ausnahmezustand, Dezision), ein Verhältnis zum ‚Provisorium‘ der Bundesrepublik gewannen.“ Vorschläge für einen Beitrag (max. 500 Wörter) können bis zum 31. März 2020 eingesendet werden. Einsendeschluss für die Manuskripte ist der 31.09.2020. Der vollständige Call mit weiteren inhaltlichen und organisatorischen Hinweisen findet sich unter diesem Link.

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Alternative für Deutschland: Gescheiterter Konservatismus

Die AfD will mehr als reine Protestpartei sein. Deshalb fischt sie nicht nur in den Gewässern der radikalen Rechten, sondern wildert auch in den Gefilden der Mitte. Sie stellt sich dafür als konservative Partei dar. Grund genug, das Bild gerade zu rücken.

Die Rechte hat immer wieder versucht, den Konservatismus für sich zu vereinnahmen. Der politischen Linken kam das meist nicht ungelegen. In der Konsequenz wurde Konservatismus mit Nationalismus, Kapitalismus, sozialer Ungleichheit, Volkstümelei oder dem Glauben an eine göttlich vorgegebene Ordnung verbunden. In der Vergangenheit hat der Konservatismus durchaus solche Positionen gestützt. Die institutionellen Ordnungen waren (und sind ja zum Teil noch heute) national, kapitalistisch, ständisch, ethnisch oder religiös ausgestaltet. Ein innerer Zusammenhang zwischen Konservatismus und solchen historisch-kontingenten Formen institutioneller Ordnung besteht indes nicht. Denn Konservatismus steht quer zu inhaltlichen gestaltungspolitischen Ansichten. Er ist der Gegenpart zum Radikalismus. (mehr …)

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CfP: „Conservatism“, The Monist 99/4 (Oxford University Press)

Für das Schwerpunktthema „Conservatism“ bitten als Herausgeber der Ausgabe 4/2016 von „The Monist“ (Oxford University Press) Francis Cheneval (francis.cheneval@philos.uzh.ch) und Martin Beckstein (martin.beckstein@philos.uzh.ch) um Beiträge. Die Einreichungsfrist ist der 31. Oktober 2015. Der Call findet sich hier, als geeignete Fragen kommen etwa folgende in Betracht: (mehr …)

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Tagungsbericht: Den Konservatismus politisch denken (Zürich, Nov. 2014)

Konservative Positionen nehmen in der gegenwärtigen Landschaft des politischen Denkens eine eigentümliche Sonderstellung ein. Der Konservatismus gilt häufig als konzeptionell unscharf und entzieht sich daher einer vorschnellen Einordnung in geläufige Konfliktlinien der politiktheoretischen Debatte. Die Frage, was eine genuin konservative Haltung überhaupt auszeichnet, wird zudem von Konservativen und Nicht-Konservativen höchst unterschiedlich beantwortet. Vor diesem Hintergrund nahm sich im November 2014 ein hochkarätig besetzter Workshop am Ethik-Zentrum der Universität Zürich des Themas an und diskutierte darüber, wie die zumeist am Rande des Fachinteresses stehende „konservative Disposition“ philosophisch und politiktheoretisch zu verstehen sei. (mehr …)

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