Lesenotiz zu Ingolfur Blühdorn 2013: Simulative Demokratie – Neue Politik nach der postdemokratischen Wende, Berlin: Suhrkamp
Viele Krisendiagnosen der Demokratie formulieren ein oder mehrere Gründe dafür, dass die Demokratie bedroht ist oder vor neuen Herausforderungen steht und appellieren meist gleichzeitig an die LeserInnen daran etwas zu ändern. Jacques Rancière zum Beispiel sieht in dem Fehlen von Streit und der Abwesenheit des konstituierten Volks die Demokratie im Zustand der Postdemokratie. (Ranciere 2014) Auch Colin Crouch diagnostiziert eine Entwicklung zur Postdemokratie. In der Postdemokratie bleiben nach Crouch die formellen Institutionen der Demokratie bestehen, die eigentlichen Entscheidungen werden aber an anderen Orten, beeinflusst durch starke Lobbyinteressen, gefällt. Emphatisch plädiert Crouch deshalb in seinem Essay für eine Wiederbelebung der Demokratie. (Crouch 2008) Ingolfur Blühdorn greift mit seinem Buch „Simulative Demokratie – Neue Politik nach der postdemokratischen Wende“ die bestehende Debatte der Postdemokratie auf und fordert in Abgrenzung zu vielen AutorInnen eine realistische Analyse der Demokratie ein, die sich von der normativen Vorbestimmung, dass Demokratie per se positiv ist, lösen muss. (Blühdorn 2013: 42) Eine Erneuerung der Demokratie, wie sie Crouch und andere anstreben, ist gar nicht möglich, da, so Blühdorns zentrale These, der aktuelle Zustand der Demokratie historisch angemessen ist und damit eine legitime Nachfolge der liberal-repräsentativen Demokratie. (186) Damit steht Blühdorns These in einer radikalen Opposition zu der Vielzahl aktueller Krisendiagnosen der Demokratie. (mehr …)
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