Am 10. Dezember 2023 jährte sich die Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum 75. Mal. Seither ist sie Gegenstand kontroverser wissenschaftlicher wie öffentlicher Auseinandersetzungen – einerseits stellen sie eine grundlegende Errungenschaft der Staatenwelt dar, andererseits müssen sie ihre Wirksamkeit und Bedeutung angesichts zahlreicher Kriege und Konflikte immer wieder aufs Neue unter Beweis stellen. Ausgehend vom Jahrestag widmen wir uns in einem kleinen Schwerpunkt der Auseinandersetzung um den aktuellen Zustand der Menschenrechte.
Wir starten mit einem Beitrag von Johannes Haaf, welcher sich den strukturellen Krisen der Menschenrechte zuwendet und diese um eine rechtliche Perspektive erweitert. Anschließend widmet sich Regina Schidel dem zukunftsweisenden Potential der Menschenrechte, woran Marco Schendel eine Beschäftigung mit dem angenommenen Universalismus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anschließt. Andreas Busen wirft zuletzt einen Blick auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus einer kinderrechtlichen Perspektive.
Wir wünschen eine gute Lektüre und überlassen nun Johannes Haaf das Wort.
Die Menschenrechte sollen sich gegen das Unheil der Welt zur Wehr setzen, es überwinden oder zumindest einhegen. Ob sie das aber können, ist nicht ausgemacht. Wie bei früheren Anlässen, wurde auch zum 75. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte darauf hingewiesen, dass die Normen und Institutionen, die auf dieser Erklärung aufbauen, sich als ohnmächtig erweisen gegenüber den Verhältnissen der Beherrschung und Unterdrückung, die das Schicksal so vieler Menschen bestimmen. Schon zum Jubiläum vor fünf Jahren bemerkte der Historiker Stefan-Ludwig Hoffmann, dass der „Menschenrechtsidealismus des späten 20. Jahrhunderts selbst historisch geworden ist.“ Diese andauernde Krise der Menschenrechte betrifft ihm zufolge ein strukturelles Moment, denn sie stellt die Fähigkeit der Menschenrechte infrage, die „Ursachen katastrophaler Gewalt“ zu bekämpfen.
Die strukturelle Krise der Menschenrechte wird in der Regel in zwei Hinsichten entfaltet. Sie betrifft den Inhalt der Menschenrechte, und sie dreht sich um die Frage nach den Akteuren eines effektiven Menschenrechtsschutzes. Ich möchte im Folgenden diese beiden Hinsichten kurz skizzieren, um danach eine dritte – nämlich eine rechtsstrukturelle – Dimension in den Mittelpunkt zu rücken, die sich für das Verständnis der Menschenrechte heute als ebenso folgenreich erweisen könnte, in den Diskussionen der politischen Theorie aber nur selten aufgegriffen wird. (mehr …)
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