Auf dem Höhepunkt der durch einen Bankenkrach in den USA ausgelösten und sich rasant über den halben Erdball verbreitenden Wirtschaftskrise 1857 bemerkte Karl Marx, seine Arbeit sei nun eine „doppelte“: die Ausarbeitung der ökonomischen Theorie in den Grundrissen sowie die Abfassung einer Broschüre über die Krise (MEGA III/8, S. 221). Marx hat die Broschüre nicht geschrieben, aber dazu Material über den Verlauf der Krise auf den Geld-, Industrie- und Rohstoffmärkten, ihre Ausdehnung über den Globus und die Rolle des Staats bei ihrer Moderation zusammengetragen. Anders als die reine Theorie hat es die Krisenanalyse mit einer konkreten Konstellation der bürgerlichen Gesellschaft zu tun. Weil die 2007 ausgebrochene Finanzkrise das welthistorisch bedeutendste Ereignis der vergangenen Dekade gewesen ist – sie zeitigte nicht nur globale und weit über rein ökonomische Belange hinausgehende Folgen, es ist auch ungewiss, ob sie überhaupt vorüber ist –, sind Synthesen dazu dringlich. Umso wichtiger ist Crashed, das neue Buch des britischen, an der New Yorker Columbia University lehrenden Historikers Adam Tooze über die Krise und ihr Weiterleben in der Gegenwart. (mehr …)
Finanzkrise
CfP: Zehn Jahre Finanzkrise (Darmstadt)
Am 22. und 23. Februar 2018 findet in Darmstadt in der Schader-Stiftung die Tagung „Nachbeben. Zehn Jahre Finanzkrise und ihre Auswirkungen in Deutschland und Europa“ statt. Die gemeinsam von der Stifung und der Sektion Politische Ökonomie der DVPW ausgerichtete Veranstaltung wird sich mit empirischen und normativen Fragen der Krise und ihrer Bewältigung beschäftigen. Der Call fragt zudem nicht nur nach Paperabstracts, sondern auch nach anderen Formaten und Impulsen. Vorschläge können noch bis zum 31. Oktober eingereicht werden, alle weiteren Infos entnehmt bitte dem Call als PDF.
Replik auf Leon Schettler: In der Struktur liegt der Zwang, nicht im Handeln der Akteure
Diese Replik auf den Beitrag „Austerität oder Grexit“ versteht sich rein analytisch und möchte auf zwei Dinge aufmerksam machen: Nämlich dass erstens weite Teile der philosophischen Literatur über coercion und allen voran Robert Nozick durchaus geneigt sind, zu einem anderen Schluss als Leon Schettler zu kommen; und dass zweitens das grundlegendere Problem nicht in Handlungsweisen liegt, die Zwang bedeuten, sondern in Strukturen, die diese Handlungsweisen ermöglichen oder gar selbst Zwang verkörpern. (mehr …)
Austerität oder ‚Grexit‘! Andersons Konzeption von Zwang und die Griechenlandkrise
Die weitläufige Auffassung, dass die Eurogruppe mit Griechenland vor drei Wochen über ein weiteres Rettungspaket „verhandelt“ habe, führt in die Irre. Denn Verhandlungen zu führen bedeutet die auf Freiwilligkeit basierende Erörterung eines Sachverhaltes mit dem Ziel der Herbeiführung eines Interessensausgleichs zwischen den Verhandlungspartnern. Tatsächlich aber handelte es sich bei dieser Interaktion im Kern um einen durch politische Drohungen erzeugten Druck, der Griechenland dazu bewegte, etwas gegen seinen eigenen Willen zu tun – kurz: es handelte sich um „Zwang“. Insbesondere die deutsche Bundesregierung hat dabei bewusst ihre Macht eingesetzt, um Griechenland ihren Vorstellungen zu unterwerfen. Diese Einsicht ist zentral, da sie in moralischer wie politischer Hinsicht folgenreich für das Nachdenken über eine bessere Europäische Union ist. (mehr …)
Zwei Stimmen zu Griechenland
Die Situation in Griechenland spitzt sich zu. Nachdem die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und den “Institutionen” am Wochenende zu keinem Ergebnis geführt haben, rückt der griechische Staat an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Immer öfter und immer lauter wird über die Möglichkeit eines “Grexit” gesprochen, eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone. Für den kommenden Sonntag hat die griechische Regierung ein Referendum über das jüngste Angebot der “Institutionen” angekündigt, verbunden mit der klaren Empfehlung, dieses Angebot abzulehnen. –– Wir wollen mit euch darüber diskutieren, wie diese Entwicklungen einzuschätzen und zu bewerten sind, was sie für die Zukunft Griechenlands und Europas bedeuten. Den Auftakt hierfür bilden zwei Kommentare von Bernd Ladwig (Berlin) und Christian Volk (Trier), die wir für euch im Folgenden zusammengestellt haben. (mehr …)
Soziologen und Krisen – Einige Eindrücke vom Soziologenkongress 2014
Das Thema „Krisen“ erlebt derzeit ein großes Revival. Keine Panelüberschrift ohne die „Zeiten der Krise“, keine Zeitdiagnose, die nicht mit der vertrackten Häufung von Krisen begänne. Wie seit den 70er Jahren nicht mehr wird Krise zum Leit- und Reflexionsbegriff einer Dekade erhoben. Der diesjährige Soziologiekongress in Trier stand demnach ganz passend unter der Überschrift „Krise der Routinen – Routinen der Krise“. Da es hierbei nicht zuletzt auch um begriffliche Debatten und theoretische Klärungen geht, die auch für Politikwissenschaft und Politische Theorie von großer Relevanz sind, habe ich den disziplinären Sprung gewagt und mich für vier Tage auf dem Kongress umgesehen. Hier einige Eindrücke und Diskussionen. (mehr …)
Konferenz: Rethinking Capitalist Crisis
Am 04. und 05. November findet in Berlin eine Konferenz mit dem Titel „Rethinking Capitalist Crisis“ statt. Die Konferenz ist sehr international ausgerichtet, u.a. gibt es eine Keynote von Colin Crouch. Das gesamte Programm und alle Infos zur Veranstaltung findet ihr hier.
Konferenz: Global Economic Justice
Am 10. und 11. Juli findet am Forschungskolleg in Bad Homburg eine von Justitia Amplificata organisierte Konferenz zu Global Economic Justice statt. Unter anderem werden Matthias Risse (Harvard), Robert Howse (NYU), Miriam Ronzoni (Manchester) und Peter Dietsch (Montreal) sprechen und es geht um drei große Blöcke: Global Finance, Trade Justice und Labour and Economic Rights. Die Anmeldung für den Workshop ist kostenlos, muss aber bis zum 20. Juni erfolgen. Alle Infos findet ihr hier
Workshop: Social Justice, the Financial Crisis, and the Eurozone (Darmstadt)
Miriam Ronzoni und Juri Viehoff organisieren am 9. und 10. Mai in Darmstadt einen Workshop zu Social Justice, the Financial Crisis, and the Eurozone. Im Zentrum der Diskussionen soll das Untersuchen der normativen Grundlagen geteilter monetärer Autorität und der instutionellen Reaktionen auf die Finanzkrise stehen. Unter anderem mit von der Partie sind Richard Bellamy, Glyn Morgan und Waltraud Schelkle. Die Teilnahme ist kostenlos, muss aber angemeldet werden (bei Martina Dingeldein). Alle Infos zum Workshop auch nochmal hier in einer PDF.
Im Bann der Falschheit. Wolfgang Streecks Wiederaufnahme der Kapitalismuskritik
Rezension zu Wolfgangs Streecks »Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus, Berlin, Suhrkamp, 2013«
In seinem beeindruckenden Buch knüpft Wolfgang Streeck an die »Spätkapitalismus«-Theorien der 1960er und 1970er Jahre an. Deren erwartete krisenpolitische Sequenz lautete wie folgt: Im Unterschied zum klassischen Kapitalismus der Vorkriegszeit (lies: dem »goldenen Zeitalter« des fordistischen Kapitalismus) sei heute für jeden sichtbar, dass sich der Wohlstand zu ganz erheblichen Anteilen staatlichen Eingriffen in den nach wie vor kapitalistischen Akkumulationsprozess verdanke. Dadurch aber könne eine Konstellation auftreten, in der Erwartungen der Menschen an Wohlstandszuwächse und Spielräume zur individuellen Entfaltung schneller wachsen als es eine weiterhin auf stabile Ertragsaussichten angewiesene Kapitalakkumulation erlaube. Aus dem Interessenkonflikt zwischen den Ertragsansprüchen der Kapitalbesitzenden und den wohlfahrtsstaatlich geweckten Entfaltungserwartungen der demokratisch Regierten wurde die Entstehung sozialer Bewegungen erwartet – wohl auch erhofft –, die eine Demokratisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat auf die Tagesordnung setzen. (mehr …)
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