Bündnisse schmieden. Drei Herausforderungen beim Kampf gegen Privilegien

Heute veröffentlichen wir den vierten und letzten Beitrag zu unserem Schwerpunkt „Politische Theorie und Politische Bildung“. Markus Rieger-Ladich diskutiert Nutzen und Konjunktur des Privileg-Begriffs sowie Herausforderungen, denen sich Kämpfe gegen Privilegien gegenübersehen – im Bildungswesen und darüber hinaus.

Unlängst wurde Kae Tempest dazu eingeladen, für eine Reihe kurzer Flugschriften einen Text zu verfassen. Obwohl die Herausgeber:innen ein klares politisches Statement erwartet hatten, legte die non-binäre Künstler:in eine Reflexion über das Schreiben von Musik vor, schilderte den Stress, der mit öffentlichen Performances einhergeht, und sprach von der Suche nach Verbundenheit mit Konzertbesucher:innen. Tempest blickte dabei auch zurück und sparte Konflikte und Belastungen der Jugendzeit nicht aus: „Als Teenager riss ich aus, brach die Schule ab und dealte mit Drogen, war aber weiß und mittelschichtsprivilegiert […]. Meine Privilegien gaben mir Raum, Fehler zu machen. Dieselben Fehler führten bei Freund:innen von mir, die Schwarz waren oder aus der Arbeiterklasse stammten, zu Haftstrafen, Hospitalisierung und in manchen Fällen sogar zum Tod.“

Texte dieser Art sind mittlerweile keine Seltenheit mehr. An die Stelle der großen Ego-Show treten immer häufiger, so scheint es, selbstkritische Betrachtungen. Musiker:innen, Schriftsteller:innen, aber auch Wissenschaftler:innen thematisieren die eigenen Arbeitsbedingungen, legen Rechenschaft ab, spüren der eigenen Biographie nach – und greifen zu diesem Zweck auf den Begriff des Privilegs zurück. Wie ist das zu erklären? Welchen Umständen verdankt der juristische Terminus seine Konjunktur? Warum wanderte er in die Bildungssoziologie und von dort aus weiter in die Debatten um Identitätspolitik? Und was leistet er – nicht allein für die individuelle Selbstvergewisserung, sondern auch für die Analyse gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse? Schließlich: Mit welchen Herausforderungen ist dabei zu rechnen? Um diese Fragen soll es im Folgenden gehen. Ich werde sie nicht abschließend beantworten können, sondern will die These vorstellen, die ich unlängst zur Diskussion gestellt habe. (mehr …)

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Die Bundeszentrale für politische Bildung als Förderer innovativer Formate?

Wir setzen unseren Schwerpunkt „Politische Theorie und Politische Bildung“ mit einem Beitrag von Alexander Wohnig fort, der anhand eines Modellprojektes zeigt, was es heißen kann, politische Partizipation zu einem Ziel politischer Bildung zu machen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) ist eine der zentralen Institutionen im Feld der politischen Bildung. Als Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern wird ihr teilweise eine staatstragende Funktion zugeschrieben, mit der ein Fokus auf affirmative, d.h. an die bestehenden Verhältnisse anpassende politische Bildung einhergehen könnte. Dagegen zeigen konkrete Projekte, die in den Verantwortungsbereich der bpb fallen, dass hier (bei allen Einschränkungen) auch kritische, Widerspruch erzeugende und auf Demokratisierung drängende Projekte entstehen. Im Folgenden soll ein kurzer exemplarischer Einblick in ein konkretes Projekt gegeben werden, das als innovativ (statt als bewahrend) beschrieben werden kann und das in seiner Begründung auf politiktheoretischen Argumenten fußt, in deren Konsequenz die Erfahrung politischer Partizipation als zentraler Aspekt von Bildung in der Demokratie und für die Demokratie definiert wird. (mehr …)

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Gesellschaftliche Herausforderungen unserer Zeit: Multiple Krisen, politische Bildung und politische Urteilskraft

Den zweiten Beitrag zu unserem Schwerpunkt „Politische Theorie und Politische Bildung“ steuert Waltraud Meints-Stender bei. Den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit sollten politische Theorie und politische Bildung einen pluralitätsbejahenden Politikbegriff entgegensetzen – und dabei die Reflexion auf die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht aus den Augen verlieren.

Krieg in der Ukraine, Corona-Epidemie, Klimakrise, Migrationsbewegungen, wachsende soziale Ungleichheit im globalen Maßstab und die darauf reagierende Renaissance völkisch-nationalistischer Politikprojekte sowie Antisemitismus, Rassismus und Sexismus stellen die politische Theorie und politische Bildung vor enorme Herausforderungen. Sie nötigen zur Kritik. Sowohl die politische Theorie als auch die politische Bildung bedürfen heute mehr denn je einer Hinwendung zur Wirklichkeit. Sie müssen den autoritären Versuchungen in der Gegenwart ein nicht identitäres, nicht homogenisierendes Verständnis von Politik entgegensetzen, das diese nicht an Gemeinschafts- und Zugehörigkeitspostulate bindet, sondern das Faktum der Pluralität ins Zentrum rückt. Und sie bedürfen gesellschaftstheoretischer Analysen, die es ermöglichen, die sozialen Voraussetzungen der Demokratie in den Blick zu nehmen. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden drei Thesen formuliert. (mehr …)

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Zum Verhältnis von Politischer Bildung und Politischer Theorie. Ein pragmatistischer Blick auf eine Leerstelle zeitgenössischer Demokratie(theorie)

Zum Start unseres Schwerpunktes „Politische Theorie und Politische Bildung“ plädiert Katharina Liesenberg dafür, das Verhältnis von Demokratie(theorie) und Bildung (wieder) enger zu denken. Um den Herausforderungen einer zeitgenössischen Erziehung zur Mündigkeit zu begegnen, erinnert sie an John Dewey.

Die Krisenhaftigkeit von Demokratie ist inzwischen zu einem Allgemeinplatz des demokratietheoretischen Diskurses geworden. Weil die Ursachen dieser Krisen komplex sind, sind mögliche Lösungsvorschläge umstritten. Auffällig häufig ist es aber ein Mehr an politischer Bildung, auf das sich Politiker:innen, aber auch Politikwissenschaftler:innen, zur Rettung der Demokratie problemlos einigen können. Im Folgenden soll es daher kritisch um das Verhältnis von politischer Bildung und Demokratie(theorie) gehen. Mit John Dewey plädiere ich für eine stärkere Auseinandersetzung der Demokratietheorie mit bildungspolitischen Fragen sowie einer Orientierung beider Disziplinen an den konkreten Erfahrungen ihrer Adressat:innen. (mehr …)

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Politische Theorie und Politische Bildung. Ein Schwerpunkt zum Jubiläum der bpb

Am vergangenen Freitag, den 25. November 2022, feierte die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb ihren 70. Geburtstag. Der Theorieblog gratuliert von Herzen! Und wir kommen nicht mit leeren Händen! Denn wir nehmen den Ehrentag der bpb zum Anlass, einen Schwerpunkt zum Thema Politische Bildung zu veröffentlichen. Im Laufe dieser Woche werden vier Autor:innen über das Verhältnis von Politischer Theorie und Politischer Bildung nachdenken.

Ist es wirklich so, dass Politische Theorie und Politische Bildung sich gegenseitig missachten, wie ab und zu diagnostiziert wird? Was könnten Politische Theorie und Politische Bildung voneinander lernen – und was haben sie vielleicht schon voneinander gelernt? Wie würde eine politiktheoretisch informierte Politische Bildung aussehen? Welche Rolle spielt Politische Theorie vielleicht sogar schon in der Praxis der Politischen Bildung? Vor welchen Herausforderungen steht die Politische Bildung aktuell und was kann die Theorie zu deren Bewältigung beitragen?

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Konferenz: Die Weimarer Republik als Ort der Demokratiegeschichte (Chemnitz)

Vom 13. bis 15. Juni 2019 veranstalten Alexander Gallus und Ernst Piper – unterstützt von der Bundeszentrale für Politische Bildung – in Chemnitz  eine Konferenz über „Die Weimarer Republik als Ort der Demokratiegeschichte“. Die Konferenz, die versucht einen „unvoreingenommenen Blick“ auf die Weimarer Republik und andere Demokratien der Zwischenkriegszeit zu wagen und sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwiefern die Weimarer Republik nicht als ein zentraler, wenngleich streitbarer Ort der deutschen Demokratiegeschichte anzusehen ist, ist sicher für viele politische Theoretiker*innen hochinteressant. Sie richtet sich aber auch ganz explizit an eine breitere Öffentlichkeit. Die Teilnahme ist entsprechend kostenfrei. Um vorherige Anmeldung unter kontakt-theorie@phil.tu-chemnitz.de wird aber gebeten. Alle weiteren Infos zu Anmeldung und Teilnahme sowie das ausführliche Programm findet ihr auf der Website der Tagung.

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Minister zu Guttenberg würdigt die Bundeszentrale für politische Bildung

Karl-Theodor usw. zu Guttenberg hat, wie die SZ berichtet, in seiner Doktorarbeit möglicherweise das eine oder andere Anführungszeichen vergessen. Ob die Vorwürfe zutreffen, kann ich natürlich nicht beurteilen. Aber was wäre natürlicher, als dass sich bei mehr als 400 Seiten und über 1000 Fußnoten schwuppsdiwupps Auszüge aus einem Artikel der NZZ oder einer Analyse des hoch angesehenen „Liechtenstein-Instituts“ („Das Liechtenstein-Institut will mit seiner Tätigkeit einen verantwortungsvollen Beitrag zur Beschäftigung mit Liechtenstein und zum liechtensteinischen Selbstverständnis leisten“) in eine Doktorarbeit schmuggeln? (mehr …)

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