Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie wurden schon vielfach beschrieben: als Brennglas, unter dem soziale Ungleichheiten verschärft werden (z. B. Ludwig/Voss/Miller 2020 und Werkmann/Wolfs 2021) oder als Generalprobe für den Klimawandel (Latour 2020). Für Benjamin Bratton ist die Corona-Pandemie vor allem die Rache des Realen, wie er in seinem gleichnamigen Buch (2021) in wortgewaltiger Sprache beschreibt.
Dabei attestiert er auf knapp 170 Seiten – übrigens völlig ohne Literaturangaben – ein mehrfaches Scheitern: auf der Ebene der westlichen Public Governance, welche die Pandemie und ihre Folgen nicht angemessen bearbeiten kann, und auf der Ebene der Philosophie. In seiner „Kritik der westlichen politischen Kultur“ (6, hier und im Folgenden eigene Übersetzungen) verknüpft er mehrere Argumente, welche sich auf Populismus, Individualismus, den Biopolitik-Diskurs um den italienischen Philosophen Giorgio Agamben und nicht zuletzt philosophischen Realismus beziehen. Abschließend formuliert er Entwürfe für eine positive post-pandemische Biopolitik. Im Folgenden soll diese Argumentation kurz ausgeführt und sein Entwurf einer post-pandemischen Biopolitik einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. (mehr …)
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