In der normativen politischen Theorie werden Fragen der Migration derzeit intensiv diskutiert. Während umstritten ist, ob Staaten das beanspruchte Recht auf eigenmächtige Einwanderungskontrolle moralisch rechtfertigen können, besteht weithin Einigkeit darüber, dass Flüchtlinge einen Anspruch auf Hilfe haben. Asylsuchende dürfen nicht abgewiesen werden, wenn sie in Gefahr sind. Dieser Position entspricht das völkerrechtlich verbindliche „Verbot der Ausweisung und Zurückweisung“. Kontroversen existieren aber unter anderem hinsichtlich der Lebensbedingungen der Asylsuchenden. Ist es beispielsweise legitim, AsylbewerberInnen eine geringere Grundversorgung zukommen zu lassen als den BürgerInnen oder ist dies mit der Menschenwürde unvereinbar (siehe hierzu das BVerfG-Urteil vom 18.7.2012)? Darf ferner den Asylsuchenden verboten werden, den ihnen zugewiesenen Landkreis zu verlassen oder widerspricht die sogenannte „Residenzpflicht“ dem Recht auf Bewegungsfreiheit, das laut Art. 12 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte auch Nicht-StaatsbürgerInnen zusteht?
Der vorliegende Beitrag versucht explizit nicht, eine umfassende Antwort auf diese Fragen zu finden. Vielmehr konzentriert er sich auf ein spezifisches Argument, das häufig herangezogen wird, um Restriktionen gegenüber Asylsuchenden zu rechtfertigen. Dieses Argument lautet, man müsse die „Ängste und Sorgen“ in der Bevölkerung ernst nehmen und diesen Rechnung tragen. Im Folgenden werde ich der Frage nachgehen, ob bzw. inwiefern dieses Argument tatsächlich überzeugt und welchen Stellenwert die Befürchtungen der BürgerInnen in der normativen Debatte einfordern können. (mehr …)
Neueste Kommentare