Dystopie direkte Online-Demokratie – de Saint Victors „Die Antipolitischen“

Lesenotiz zu Jaques de Saint Victor (2015): Die Antipolitischen. Mit einem Kommentar von Raymond Geuss. Hamburg: Hamburger Edition.

 

Laut Jaques de Saint Victor wird die repräsentative Demokratie heute „wie selten seit dem Aufkommen des Faschismus“ in Frage gestellt. Seitdem sich antipolitische Bewegungen mithilfe des Web 2.0 organisierten, seien sie drauf und dran, die Demokratie zu zerstören, unter dem Vorwand sie retten zu wollen. Antipolitik definiert de Saint Victor dabei als „moralische Entrüstung und Rebellion vonseiten wachsender Randgruppen der Öffentlichkeit, die bestrebt sind, sich von der alten Politik zu befreien, vor allem durch die ‚Tugenden‘ des Netzes“ (10). Als Beispiel dient ihm vor allem die italienische 5-Sterne-Bewegung. Diese und andere antipolitische Bewegungen lehnen ihm zufolge „die im 18. und 19. Jahrhundert geschaffenen Vermittlungsinstanzen“ (15; u. a. Parlament, Parteien und Presse) grundsätzlich ab. Stattdessen versuchen sie sich mit Hilfe des Netzes der Eliten, zu entledigen. Als Gegenmodell zur repräsentativen Demokratie propagierten sie die „digitale Agora“ (72). Wie auf den Versammlungsplätzen der antiken Stadtstaaten sollten alleine die Bürger über Gesetze entscheiden. Das interaktive Web werde als neuer öffentlicher Raum begriffen, der ein Ende der Monopolisierung politischer Debatten ermöglichen soll. (mehr …)

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