Bilder der Zeit im politischen Denken

Zum Start unserer Blogpost-Reihe zum Thema Zeit diskutiert Marlon Barbehön drei Thesen dazu, wie die politische Theorie den Zusammenhang von Temporalität und politischer Wirklichkeit erschließen kann. 

Politisches Denken kann als Versuch verstanden werden, sich ein Bild der Zeit zu machen. Hinter dieser zunächst abstrakt anmutenden Behauptung verbergen sich drei zeittheoretische Thesen, die ich im Folgenden entfalten möchte. Gemeinsam sollen sie das Anregungspotenzial einer politiktheoretischen Befassung mit Zeit verdeutlichen, die bisher nur in Ansätzen existiert und der sozial- und gesellschaftstheoretischen Zeitforschung (Nowotny 1992; Knöbl 2022) noch hinterherhinkt. 

Mit der obigen Behauptung ist erstens gesagt, dass politisches Denken auf die je eigene Zeit gerichtet und darum bemüht ist, den „Lauf der Zeit“ begreiflich zu machen. Politisches Denken ist dabei nicht allein historisch kontextualisiert, sondern auch ein Unternehmen, das den jeweiligen Gang der Dinge mit menschlichem Handlungs(un)vermögen zusammenzubringen versucht. Zweitens besagt die These, dass bei solchen Versuchen die „bildliche“ und mithin symbolische Bezugnahme der einzige Weg ist, um Zeit überhaupt in den Griff zu bekommen. Wie Norbert Elias ebenso salopp wie treffend festgestellt hat, „kann [man] die Zeit weder sehen noch fühlen, weder hören noch schmecken, noch riechen“ (1988: VII). Folglich haftet Rekursen auf „die Zeit“ notwendigerweise etwas Metaphorisches und ein Bedeutungsüberschuss an. Drittens schließlich, und daraus folgend, ist jede Reflexion auf den Zusammenhang von politischem Handeln und Zeit an der Hervorbringung komplexer „Zeitschichten“ beteiligt, deren Ambivalenzen und Performativität sich genealogisch entziffern lassen (Little 2022: 10-20). Politisches Denken ist mithin nicht nur ein Kind seiner Zeit, sondern umgekehrt und zugleich ist auch „die Zeit“ ein (fortdauernd im Werden befindliches) Kind politischen Denkens.  (mehr …)

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Der verdrehte Mr. Smith

Im ersten Beitrag unseres mit dem Politik & Ökonomie Blog veranstalteten Adam-Smith-Schwerpunkts widmet sich Sebastian Thieme der Vereinnahmung und Ambivalenz der ‚Unsichtbaren Hand‘ – und der Frage, wie es um die historische Selbstreflexion der Ökonomik als Disziplin steht.

Irgendwann im Juni 1723 soll es gewesen sein, dass er das Licht der Welt erblickte: Adam Smith, der schottische Moralphilosoph, der bekanntlich von vielen Fachleuten der Ökonomik als Gründungsvater ihrer Disziplin vereinnahmt wurde. Das Schaffen von Adam Smith umfasst vor allem den populären Wealth of Nations (Wohlstand der Nationen) und die bekannte Theory of Moral Sentiments (Theorie der ethischen Gefühle), aber auch die „Essays über philosophische Gegenstände“ sowie die Vorlesungen über Rhetorik und Jurisprudenz. Seine Texte sind vielschichtig und auch heute noch mit Gewinn zu lesen. Doch lässt sich ihnen auch eine gewisse Ambivalenz attestieren, die Smith als Kritiker an wirtschaftsliberal und wirtschaftstheoretisch sehr eng gefassten Perspektiven erscheinen lässt, ihn aber andererseits ebenso für eine marktfundamentalistische Vereinnahmung offenhält. Deshalb verwundert es nicht, dass Smith missverstanden, verklärt und einseitig vereinnahmt werden konnte. Besonders eindrücklich zeigt sich das an der Metapher von der „unsichtbaren Hand“. 

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Workshop: Ambivalences of Recognition (Frankfurt)

Vom 4. bis zum 6. April findet in Frankfurt am Institut für Sozialforschung ein Workshop zu „The Ambivalence of Recognition“ statt. Es gibt eine öffentliche Vorlesung von Thomas Bedorf und ein dichtgepacktes Tagungsprogramm, u.a. mit Titus Stahl, Heikki Ikäheimo, Eva Buddeberg und Robin Celikates. Alle weiteren Infos (und optionale Registrierung) auf der Konferenzhomepage.

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