Schwerpunkt: Cornelius Castoriadis zum 100. Geburtstag

Am heutigen 11. März hätte Cornelius Castoriadis seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Damit ist ein Anlass für den vorliegenden Schwerpunkt gegeben. Das anhaltende und ausdifferenzierte (wenn auch nicht immer weithin sichtbare) Rezeptionsinteresse an Castoriadis‘ Werk und Denken liefern zudem auch einen mehr als überzeugenden Grund dafür, sich mit dessen unterschiedlichen Facetten und Anschlussmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Zweifellos sind Castoriadis‘ umfangreiche Schriften im Vergleich zu anderen Denker:innen, mit denen sich seine Wege etwa im Kontext von Socialisme ou Barbarie (wie Claude Lefort und Jean-François Lyotard, siehe Poirier 2019), seiner Tätigkeit an der EHESS (wie Jacques Derrida) oder im Umfeld der radikalen Demokratietheorie (wie Chantal Mouffe) kreuzten, bislang weniger umfangreich rezipiert worden. In der Tat ist Castoriadis’ Werk, aus einer links-libertären Strömung der französischen Linken kommend, in der deutschen Theorielandschaft nur spät und dann zögerlich zur Kenntnis genommen worden. Am fehlenden Zugang zu englischsprachigen Ausgaben seiner Schriften kann es allerdings nicht gelegen haben: So liegen schon seit 1988 drei umfangreiche Bände seiner Political and Social Writings bei University of Minnesota Press in englischer Übersetzung vor. Die deutsche Übersetzung seines Hauptwerks, Gesellschaft als imaginäre Institution, 1990 bei Suhrkamp erschienen, hat im deutschsprachigen Raum ebenfalls kaum dazu geführt, Castoriadis als jene wichtige Stimme in Debatten um kritische Theorie und radikale Demokratie zu etablieren, als die er auf internationaler Ebene seit mindestens den 70er Jahren weithin bekannt geworden ist.

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„Konfliktuelle Kulturpolitik“ im Januar 2022 in Wien

Am 28. und 29. Januar findet an der Universität Wien eine (bilinguale) Tagung zum Thema „Konfliktuelle Kulturpolitik: Räume und Akteur*innen (radikal)demokratischer Auseinandersetzung“ statt – ob in Präsenz/hybrid/online ist aktuell noch nicht klar. Inhaltlich geht es um „Konflikte im kulturpolitischen Spannungsfeld
zwischen Öffentlichkeit, Markt und Staat“, wobei Demokratie und Ungleichheit eine besondere Rolle spielen.
Veranstalter*innen sind Oliver Marchart, Anke Schad-Spindler, Stefanie Fridrik und Friederike Landau-Donnelly. Vortragsvorschläge sind bis zum 6. Dezember willkommen; alle weiteren Infos dazu hier.

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Corona und die Grenzen der Kontingenz?

Die Feststellung, dass die Corona-Pandemie gewichtige politik- und demokratietheoretische Probleme aufwirft, scheint mittlerweile eigenartig banal. Das betrifft auch radikaldemokratische Theorien – und zwar auf ganz grundlegender Ebene. Denn die globale Pandemie stellt einen Leitgedanken dieser Theorien in Frage: die Kontingenz des Politischen und der Politik. Das wurde nicht zuletzt auch durch die umstrittenen Einlassungen Giorgio Agambens  deutlich. Das Politische als kontingent zu fassen bedeutet, dass Politik nicht auf außerpolitischen Fundamenten, letzten Gründen und notwendigen Wahrheiten beruht. Es muss vielmehr als ein offener Möglichkeitsraum gefasst werden. Genau deswegen darf es eine „Absolutsetzung“ nicht geben; auch nicht die sich nun angeblich vollziehende absolute Reduktion auf das „nackte Leben“. Die letztlich einzig zulässige Notwendigkeit im Politischen ist im radikaldemokratischen Verständnis also diejenige der Kontingenz. Zu Recht? (mehr …)

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CfP: Contradiction Studies (Bremen)

Vom 9. bis zum 11. Februar 2016 2017 findet in Bremen eine Konferenz mit dem Titel „Contradiction Studies. Mapping the Field“ statt. Die sehr interdisziplinär angelegte internationale Konferenz fokussiert widersprüchliche Phänomene und Prozesse in Kultur und Gesellschaft und schaut insbesondere auf die theoretischen Konzepte einzelner Disziplinen (Paradoxien, Antinomien, Agonismus, etc.). Wer teilnehmen möchte, kann sich bis zum 30. Juni mit einem Papier bewerben. Alle weitere Infos findet ihr hier im Call als PDF oder auf der Webseite.

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ZPTh-Replik auf Nina Eggers: Konfliktiver Liberalismus als gegenhegemoniales Projekt

Zunächst sind wir Nina Eggers zu großem Dank verpflichtet. Selten enthielt eine Kritik so viel Zustimmung. Indem wir Mouffe als eine Liberale lesen, öffnen wir eine neue Perspektive auf ihr Werk. Dabei folgt Nina Eggers fast durchgehend unseren Thesen und unterstreicht selbst noch einmal Mouffes „Verteidigung der Errungenschaften liberaler Demokratien“ und ihren „liberalen Pluralismus“. Umso verwunderlicher ist dann ihre kritische Pointierung, wir würden Mouffe als eine „verkappte Liberale“ „entlarven“ wollen. Mouffe ist in unserer Lesart keine „verkappte“ Liberale, sondern eine Liberale, die – ihrem eigenen hegemonietheoretischen Ansatz folgend – für ein anderes, alternatives Verständnis des Liberalismus eintritt. Zu „entlarven“ gibt es hier folglich nichts. Vielmehr geht es ihr und ging es auch uns darum, Traditionslinien dieses anderen Liberalismus aufzuzeigen. (mehr …)

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Antagonistischer Agonismus – Anmerkungen zu Chantal Mouffe’s Buch „Agonistik“

Die Idee des Agonismus wurde von Chantal Mouffe in diversen Büchern und Aufsätzen formuliert, blieb jedoch eher ein vages Konzept. Das vorliegende Buch „Agonistik. Die Welt politisch denken“ (2014) enthält eine Sammlung von Aufsätzen, die das Konzept des Agonismus aus verschiedenen Perspektiven (Internationale Politik, Europa, radikale Politik, künstlerische Praktiken) beleuchten und damit die Idee des Agonismus konkretisieren sollen. Die folgende Lesenotiz soll einen kurzen Überblick über Mouffes Idee eines antagonistischen Agonismus geben und offene Punkte herausarbeiten. (mehr …)

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