Krisendiagnosen der Demokratie – Einige Lesenotizen

Im letzten Semester habe ich an der Goethe-Universität in Frankfurt ein Seminar zum Thema „Krisendiagnosen der Demokratie“ gehalten. In dem Seminar wurden eine Vielzahl klassischer und aktueller Krisendiagnosen vorgestellt und es wurde diskutiert, wie Krisen und Kritik auf den Wandel von Form und Gehalt der Demokratie wirken. Den Syllabus des Seminars könnt ihr hier einsehen.

Eine der Leistungsanforderungen in dem Seminar war das Verfassen einer Rezension zu einem aktuellen Buch, welches sich mit der Krise der Demokratie beschäftigt. Aus der großen Zahl sehr guter Rezension wurden fünf für eine Veröffentlichung hier auf dem Theorieblog ausgewählt, viel Spaß beim Lesen:

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Ist die Demokratie ein überholter Wert? Anmerkungen zu Blühdorns „Simulative Demokratie“

Lesenotiz zu Ingolfur Blühdorn 2013: Simulative Demokratie – Neue Politik nach der postdemokratischen Wende, Berlin: Suhrkamp

 

Viele Krisendiagnosen der Demokratie formulieren ein oder mehrere Gründe dafür, dass die Demokratie bedroht ist oder vor neuen Herausforderungen steht und appellieren meist gleichzeitig an die LeserInnen daran etwas zu ändern. Jacques Rancière zum Beispiel sieht in dem Fehlen von Streit und der Abwesenheit des konstituierten Volks die Demokratie im Zustand der Postdemokratie. (Ranciere 2014) Auch Colin Crouch diagnostiziert eine Entwicklung zur Postdemokratie. In der Postdemokratie bleiben nach Crouch die formellen Institutionen der Demokratie bestehen, die eigentlichen Entscheidungen werden aber an anderen Orten, beeinflusst durch starke Lobbyinteressen, gefällt. Emphatisch plädiert Crouch deshalb in seinem Essay für eine Wiederbelebung der Demokratie. (Crouch 2008) Ingolfur Blühdorn greift mit seinem Buch „Simulative Demokratie – Neue Politik nach der postdemokratischen Wende“ die bestehende Debatte der Postdemokratie auf und fordert in Abgrenzung zu vielen AutorInnen eine realistische Analyse der Demokratie ein, die sich von der normativen Vorbestimmung, dass Demokratie per se positiv ist, lösen muss. (Blühdorn 2013: 42) Eine Erneuerung der Demokratie, wie sie Crouch und andere anstreben, ist gar nicht möglich, da, so Blühdorns zentrale These, der aktuelle Zustand der Demokratie historisch angemessen ist und damit eine legitime Nachfolge der liberal-repräsentativen Demokratie. (186) Damit steht Blühdorns These in einer radikalen Opposition zu der Vielzahl aktueller Krisendiagnosen der Demokratie. (mehr …)

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