ZPTh-Debatte: „Covid-19-Pandemie und soziale Freiheit“

Das nächste Heft (1/2020) der Zeitschrift für Politische Theorie erscheint bald. Wir freuen uns, vorab und aus selbstverständlichem – aktuellen – Anlass den hiesigen Beitrag Frank Nullmeiers veröffentlichen zu dürfen. Der Volltext steht hier kostenfrei als PDF zur Verfügung – ein Abstract findet sich unterm Strich. Ein Kommentar zum Beitrag wurde von Berthold Vogel erstellt, wofür wir sehr danken! – Aber, wie immer, sind alle zur Diskussion aufgefordert und eingeladen! – red.

 

Abstract: Der Begriff der Freiheit wird in der Corona-19-Pandemie häufig gegen einen Staat in Stellung gebracht, der aus Gründen des Infektionsschutzes gravierend in die Gestaltung des Alltagslebens der Bürger*innen eingreift. In der Auseinandersetzung um den Freiheitsbegriff dürfte sich entscheiden, welche staatlichen Maßnahmen legitimierbar sind. Ein Verständnis von Pandemie und Pandemie-Bekämpfung ist jedoch auf der Basis eines liberalen Freiheitsbegriffs nicht angemessen möglich, der Unfreiheit erst mit der staatlichen Intervention entstehen sieht. Die Freiheits-Frage stellt sich aber bereits beim Ausbruch der Pandemie, also vor aller staatlichen Intervention. Pandemie als sozio-naturaler Zustand ist per se Unfreiheit. Stattdessen ist ein sozialstaatliches Freiheitsverständnis zu entwickeln, das es erlaubt, staatliche Intervention zunächst als Reaktion auf einen Zustand der Unfreiheit zu verstehen. Der Beitrag analysiert detailliert das Spektrum möglicher Formen gesellschaftlicher und politischer Steuerung in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Der in der Bundesrepublik Deutschland eingeschlagene Weg staatlich-appellativer Steuerung konkurriert mit Steuerungsmodellen einer Diskriminierung nach Risikogruppen und einer digitalen Präventionsstaatlichkeit, beide mit bedenklichen Folgen für die Freiheit des Einzelnen. Eine angemessene Steuerungsform, die auch Umstellung der Infektionsschutzpolitik von einer polizeirechtlichen zu einer sozialpolitischen Regulierung impliziert, muss auf ein sozialstaatlich ausgerichtetes Verständnis von Freiheit gegründet werden, das seine letztliche Verankerung im Begriff sozialer Freiheit hat.

 

Frank Nullmeier ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen, Leiter der Abteilung „Theoretische und normative Grundlagen“ des SOCIUM Forschungszentrum „Ungleichheit und Sozialpolitik“ und Mitglied des Sonderforschungsbereichs „Globale Entwicklungsdynamiken von Sozialpolitik“. Er ist Mitherausgeber des „Oxford Handbook of Transformations of the State“ und beschäftigt sich u.a. mit Fragen der Sozialstaatstheorie.

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