„Unternehmensdemokratie ohne Marktsozialismus?“ – Replik auf Christian Neuhäusers Kommentar

Zunächst möchte ich Christian Neuhäuser für seinen Kommentar zu meinem Artikel (pdf) in der ZPTh danken. Hierin finde ich mein Anliegen wohlwollend aufgenommen und zugleich auf gewinnbringende Weise mit zwei wichtigen Einwänden konfrontiert.

Der erste Einwand berührt einen wesentlichen Aspekt meines theoretischen Arguments. Dieses lautet, in aller Kürze, dass eine egalitäre Deutung des Ideals freier Kooperation uns Gründe dafür liefert, warum eine liberale Ordnung jeder und jedem in gleicher Weise die Möglichkeit zur Arbeit in einem demokratischen Unternehmen bieten muss. Wie Neuhäuser in seinem Kommentar zutreffend betont, gilt es dabei zu erklären, warum gerade die Möglichkeit zur Arbeit in einem demokratischen Unternehmen besonders geschützt, ja gar aktiv vom Staat befördert werden soll. Gerade aus liberaler Perspektive ist diese Frage keinesfalls trivial, gilt es doch zu vermeiden, dass der Staat einzelne Vorstellungen vom „guten Leben“ bevorzugt. Meine Antwort hierauf lautet, dass die Wahl zwischen einem demokratischen und einem nicht-demokratischen Arbeitsplatz anderen wichtigen Entscheidungen über die Unternehmensführung und -gestaltung vorgelagert ist. Wer sich einmal für die Arbeit in einem nicht-demokratischen Unternehmen entschieden hat, hat in der Folge kaum noch Einfluss auf diese Fragen. Neuhäuser fasst dies so zusammen, dass demokratische Mitbestimmung an dieser Stelle meines Arguments als „eine Art Metafreiheit“ erscheint.

Neuhäusers Einwand nun lautet, dass es im Prinzip denkbar sei, diese “Metafreiheit” auch auf anderem Wege zu erreichen, etwa durch eine Kombination von weniger anspruchsvollen Formen betrieblicher Mitbestimmung und verstärkter staatlicher Regulierung. Notwendig sei daher, so Neuhäuser, ein direkteres Argument für die Demokratisierung von Unternehmen. Sein Vorschlag hierzu: Zumindest für einige, im weiteren Sinne republikanisch gesinnte Menschen stelle es eine erhebliche Freiheitsbeschränkung dar, in einem nicht-demokratischen Unternehmen arbeiten zu müssen. Eine liberale Ordnung müsse dies respektieren und diesen Menschen daher eine faire Chance geben, in einem demokratischen Unternehmen zu arbeiten.

Ich stimme Neuhäuser in diesem Punkt größtenteils zu. In der Tat wird auf die von ihm vorgeschlagene Weise besser verständlich, warum die Wahl zwischen einem demokratischen und einem nicht-demokratischen Unternehmen zumindest für einige Menschen von besonderer Bedeutung ist. Festhalten würde ich dabei allerdings daran, dass für Menschen mit einer solchen republikanisch-demokratischen Gesinnung die Möglichkeit zur Arbeit in einem demokratischen Unternehmen tatsächlich eine besonders wichtige Art der „Meta-Freiheit“ darstellt. Diese kann nicht durch andere Formen der Einflussnahme etwa auf gesamtstaatlicher Ebene ersetzt werden. Insofern sehe ich in Neuhäusers Vorschlag weniger eine Alternative zu meinem ursprünglichen Argument als eine hilfreiche, und in der Tat notwendige, Ergänzung.

Diese Ergänzung hat jedoch auch einen gewissen argumentativen Preis, auf den ich zumindest kurz hinweisen will. Meine Hoffnung war, die besondere Bedeutung der Wahl zwischen einem demokratischen und einem nicht-demokratischen Unternehmen darüber begründen zu können, dass die hiermit verbundene Meta-Freiheit für alle arbeitenden Menschen von besonderer Bedeutung ist, nicht nur für jene mit besonders starken demokratischen Überzeugungen. Betont man hingegen, dass es um den Respekt vor spezifischen Wertvorstellungen geht, so lassen sich unschwer weitere Hinsichten vorstellen, in denen das Prinzip gleicher Freiheit eine stärkere Absicherung von Wahlmöglichkeiten verlangt. Auf diese Weise gelangt man schließlich zum Kernanliegen der auch von mir vertretenen liberal-egalitären Perspektive zurück, nämlich ein möglichst umfassendes Maß an gleicher Freiheit für alle zu gewährleisten. Der argumentative “Preis” der von Neuhäuser vorgeschlagenen Ergänzung ist somit, dass der Wahl zwischen einem demokratischen und einem nicht-demokratischen Unternehmen kein besonderer normativer Status zukommt. Diese Wahl erscheint so vielmehr als eine unter möglicherweise sehr vielen Hinsichten, in denen eine liberale Ordnung aktiv auf die Ermöglichung von gleicher Freiheit – im Arbeitsleben oder aber auch in anderen Bereichen – hinwirken sollte. Wie auch schon im Artikel kurz angedeutet, halte ich dies aber für unproblematisch. Mir geht es hier schließlich “nur” darum aufzuzeigen, dass eine liberal-egalitäre Ordnung demokratische Unternehmen ermöglichen und aktiv fördern sollte – was, um nochmals meine Motivation zu erläutern, für viele liberale Autoren keinesfalls als selbstverständlich gilt.

Damit komme ich zum zweiten Einwand, der zugespitzt auch schon in der skeptischen Formulierung der Überschrift zu Neuhäusers Kommentar zum Ausdruck kommt: Ist Unternehmensdemokratie ohne Marktsozialismus möglich? Ähnlich wie schon Rosa Luxemburg hält Neuhäuser es für ausgeschlossen, dass sich demokratische Unternehmen in nennenswertem Maße der letztlich auf Ausbeutung des Produktionsfaktors Mensch basierenden Logik des Kapitalismus entziehen können. Zugespitzt: Im Rahmen einer kapitalistischen Ordnung macht es letztlich keinen Unterschied, ob ein Unternehmen demokratisch organisiert ist, weil sich am Ende doch immer wieder die Logik der Ausbeutung durchsetzt. Dies, so Neuhäuser, könne wahrscheinlich auch das geringe Interesse an demokratischen Unternehmen erklären.

Ich glaube, dass sich dieser Einwand auf zwei Weisen angehen lässt. Zum einen kann man ihn so verstehen, dass es schon begrifflich keine gleiche Freiheit für alle geben kann, solange nicht der Kapitalismus überwunden worden ist. Wenn man dieser Position zuneigt, ist es wohl wirklich unerheblich, ob Unternehmen demokratisch organisiert sind. Aus Gründen, die ich hier nicht annähernd angemessen ausführen kann, die aber erkennbar schon den liberal-egalitären Zugang meiner Ausführungen prägen, würde ich dagegen daran festhalten, dass sich eine wirtschaftliche Ordnung vorstellen lässt, in der der Besitz an Produktionsmitteln überwiegend in privater Hand liegt – und es trotzdem, oder auch gerade deshalb, nicht zu Ausbeutung kommt. Vielleicht ist es von da aus aber auch nicht mehr so weit zu dem, was Neuhäuser als Marktsozialismus vorschwebt…

Zum anderen lässt sich der Einwand aber auch praktischer fassen, dann als Hinweis darauf, dass es unter den heutigen Bedingungen den Mitarbeitern eines demokratischen Unternehmens nicht möglich ist, sich “wirklich substantiell kollektiv selbst zu bestimmen”. Unstrittig, aber auch unproblematisch, scheint mir, dass auch demokratische Unternehmen im Prinzip im Wettbewerb mit anderen Unternehmen bestehen müssen. Man könnte natürlich auch schon den Wettbewerb an sich als nicht zu rechtfertigende Freiheitsbeschränkung verstehen und entsprechend eine wirklich gänzlich andere Wirtschaftsordnung fordern. Hält man jedoch an einer durch Wettbewerb strukturierten Marktordnung fest, so ist die entscheidende empirische Frage, ob es möglich ist, diese Marktordnung so zu gestalten, dass demokratische Unternehmen nicht systematisch benachteiligt werden. Wie im Artikel ausführlicher dargestellt, lese ich die wirtschaftswissenschaftliche Literatur zu dieser Frage so, dass dies durchaus möglich wäre. Meine Diagnose wäre daher auch nicht, dass es kein Interesse an demokratischen Formen der Unternehmensorganisation gibt. Das Problem scheint mir vielmehr zu sein, dass es im Moment – anders als noch im 19. Jahrhundert – keine politische Kraft gibt, die sich mit Nachdruck für entsprechende Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenordnung einsetzt.

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