Die Ausgabe 2/2017 der Zeitschrift für Politische Theorie liegt bzw. steht zur Lektüre bereit. Den Schwerpunkt des Heftes bildet die Debatte um den Begriff des Populismus zu der Jan-Werner Müller, Dirk Jörke, Karin Priester und Steven Schäller beitragen. Die Ausgabe wird vervollständigt und abgerundet durch Felix Heidenreichs Untersuchung von Modi der Deliberation und Sprachspielen in der Politik, Andreas Anters Bericht über die Staatstheorie der Gegenwart und Daniel Jacobs Antwort auf die Frage „Demokratie in Unternehmen?“. Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der ZPTh haben wir Daniel Jacobs Aufsatz für unsere aktuelle ZPTH-Debatte ausgewählt. In bewährter Praxis können wir seinen Aufsatz kostenlos zum Download zur Verfügung stellen und vor allem hier gemeinsam diskutieren. Wir freuen uns, dass Christian Neuhäuser den Aufschlag zu dieser Debatte übernimmt. Seine Besprechung findet Ihr nach dem Klick. Wie immer freuen wir uns auch bei diesem Thema über eine aktive Diskussion in den Kommentarspalten. Daniel Jacob wird auf die Besprechung wie auch auf die Diskussion in den nächsten Wochen antworten.
Unternehmensdemokratie ohne Marktsozialismus?
Mit seinem Text „Demokratie in Unternehmen? Eine liberal-egalitäre Perspektive“ hat Daniel Jacob eine altehrwürdige und im englischsprachigen Raum gegenwärtig wieder aufflammende Debatte aufgegriffen. Obwohl in Deutschland stärkere Formen der betrieblichen Mitbestimmung implementiert sind als in vielen anderen Ländern, verdient die Fragestellung auch in der deutschsprachigen Forschung anhaltende Aufmerksamkeit. Jacob leistet dazu mit seinem Aufsatz einen wesentlichen Beitrag. Er argumentiert, dass es aus einer egalitär oder sozialliberalen Perspektive keine Gerechtigkeitspflicht gibt, alle Unternehmen zu demokratisieren. Demokratische Unternehmen müssen auf Märkten aber faire Chancen erhalten. Ich stimme der Argumentation von Jacob in vielen Punkten grundsätzlich zu. Auch ich halte eine sozialliberale Perspektive für angemessen. Zudem glaube ich ebenfalls, dass die instrumentellen und Analogieargumente für Demokratie in Unternehmen nicht greifen. Das stärkste Argument scheint mir in der Tat ein freiheitsbezogenes zu sein.
Ich würde das Argument allerdings etwas anders fassen, als Jacob es tut. Denn aus einer sozialliberalen Perspektive kann es nicht darum gehen, einfach alle denkbaren Handlungsfreiheiten möglichst stark durch staatliche Regulierung auszuweiten. Solch eine Perspektive würde sich der klassischen Kritik ausgesetzt sehen, dass dies schnell zu einem übermächtig dirigistischen Staat führen könnte. Außerdem wäre kein Raum mehr für andere normative Gesichtspunkte, die auch unabhängig von Freiheit einen eigenen Wert haben können, wie beispielsweise Chancengleichheit oder Verdienst. Stattdessen muss es also um wertvolle oder grundlegende Freiheiten gehen. Die Frage wäre dann, ob starke Mitbestimmung in Unternehmen solch eine grundlegende Freiheit ausmacht. Jacob argumentiert, dass dem so ist, weil Mitbestimmung eine Art Metafreiheit darstellt. Durch Mitbestimmung werden weitere Freiheiten in der Gestaltung des Arbeitsplatzes eröffnet. Allerdings könnte es auch sein, dass solch ein hinreichender Freiheitsraum durch schwächere Formen der Mitbestimmung auf betrieblicher und eine starke Demokratie auf staatlicher Ebene hergestellt werden kann.
Es wäre daher wünschenswert, über ein direkteres Argument für die Demokratisierung von Unternehmen zu verfügen, wenn man an dieser Idee festhalten möchte. Ich glaube, es gibt solch ein Argument. Es beruht auf einer liberalen Berücksichtigung des Republikanismus. Was ist damit gemeint? Für Menschen, die auch nur in einem schwachen, beispielsweise in dem von Philip Pettit verwendeten Sinne republikanisch gestimmt sind, stellt es eine wesentliche Unfreiheit dar, dass sie in einem so wichtigen Lebensbereich wie ihrem Arbeitsplatz nicht über starke Mitbestimmungsrechte verfügen. Da an solch einer republikanischen Gestimmtheit meiner Ansicht nach nichts auszusetzen ist, muss auch ein sozialliberales Gemeinwesen dieses republikanische Freiheitsverständnis in seiner Konstitution hinreichend berücksichtigen. Die Konsequenz davon ist genau die von Jacob anvisierte. Es ist nicht nötig, alle Unternehmen zwangsweise zu demokratisieren. Es ist aber gefordert, für demokratische Unternehmen durch staatliche Rahmensetzung und vielleicht auch durch staatliche Unterstützung Bedingungen der fairen Chancengleichheit herzustellen.
Das führt mich zu einem zweiten Punkt, in dem es vielleicht eine stärkere Meinungsverschiedenheit mit Jacob gibt. Das wäre nützlich, denn zu viel Harmonie ist ja auch schädlich, zumindest im philosophischen Diskurs. Der Dissens betrifft das Ausmaß des nötigen Eingriffs, um faire Chancengleichheit überhaupt herstellen zu können. Zwar gesteht Jacob zu, dass es dafür eigentlich einer ganz anderen Verteilung von Produktionskapital als in einer kapitalistischen Marktwirtschaft bedarf. Er verweist auf die Idee der „Eigentumsdemokratie“ (property owning democracy), wie beispielsweise der späte John Rawls sie vertritt. Da er solch eine Entwicklung jedoch für unrealistisch, weil für allzu revolutionär hält, setzt er auf schwächere Mechanismen, beispielsweise einer reduzierten Haftungsbeschränkung. Ich bin allerdings sehr skeptisch, dass sich auf diese Weise das gewünschte Ergebnis einer fairen Chancengleichheit für demokratische Unternehmen erreichen lässt. Jacob unterschätzt meiner Ansicht nach, wie sehr kapitalistische Wirtschaftssysteme auf der Ausbeutung des Produktionsfaktors Mensch beruhen. Je mehr Menschen für weniger Geld arbeiten, desto höher sind die Gewinne von Unternehmen und desto größer ist ihr Marktwert, die zentrale Bewertungsgröße für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Wenn Unternehmen sich an den üblichen Ausbeutungsformen nicht beteiligen, dann haben sie in sehr vielen Fällen kaum Chancen, mit Finanzkapital versorgt zu werden und an Märkten zu überleben. Um demokratischen Unternehmen faire Chancengleichheit zu gewähren, wäre es also nötig, diese Ausbeutungsstrukturen aufzubrechen.
Nur dann ist es nämlich für die Mitarbeiter*innen möglich, sich nicht nur in einem formalen Sinne, sondern wirklich substantiell kollektiv selbst zu bestimmen. Sie müssen ansonsten weiterhin der Logik der Gewinnmaximierung folgen. Dieser Interpretation nach haben gegenwärtig sehr viele Arbeitnehmer*innen kein besonderes Interesse an der Demokratisierung von Unternehmen, weil sie sehr wohl sehen, dass ihnen dies im Rahmen der gegebenen Wirtschaftsordnung wenig substantielle Freiheit verschaffen würde. Die Demokratisierung von Unternehmen ist dann gerade keine wichtige Freiheit, um wirklich über weitere Fragen am Arbeitsplatz mitentscheiden zu können. Das könnte auch erklären, warum Genossenschaften unter ganz spezifischen Bedingungen entstehen und beispielsweise mit nationalen Interessen, wie bei Mondragon, oder mit neuen Märkten und Start Ups verbunden sind. Wenn das zutrifft, dann ist das sozialliberale Argument ein weiteres Argument für Eigentumsdemokratie oder Marktsozialismus. Es ist aber kein Argument für softe Reformen innerhalb eines kapitalistischen Wirtschaftssystems.
Der Hinweis von Jacob, es sei doch auch in anderen Unternehmen gelungen, besonders schlimme Formen der Ausbeutung durch gesetzliche Vorgaben abzumildern, ändert an diesem Ergebnis aus zwei Gründen nichts. Erstens halte ich daran fest, dass es weiterhin starke Formen der Ausbeutung gibt. Das zeigt sich meiner Ansicht nach an sehr ungerechten Lohnstrukturen und einer zunehmenden Einkommensungleichheit. Zweitens greifen die zentralen Vorkehrungen gegen besonders schwerwiegende Formen der Ausbeutung auf der Ebene der Rahmenordnung und nicht der Ebene einzelner Unternehmen. Das spricht dafür, dass einzelne Unternehmen, demokratisch verfasst oder nicht, kaum über die substantielle Freiheit verfügen, den Zwängen des kapitalistischen Marktes in der zentralen Frage der Gestaltung des Arbeitsplatzes zu trotzen. Es bleibt also dabei, dass eine Demokratisierung des Arbeitsplatzes im Rahmen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung keine substantiellen Freiheiten schafft.
Legt den Finger in die Wunde (der ausbeuterischen Strukturen). Dagegen kann eigentlich nur der Staat die Grenzen setzen, über ein freiheitliches Arbeitsrecht, daß die heutige Erpressbarkeit der Arbeitnehmer aushebelt.
Ich hätte da auch mal eine Theorie:
„Wie sich Politik- und Sozialwissenschaften zum Handlanger der Machteliten machen, indem sie das Präkariat philosophisch abschlachten und Feindbilder pseudowissenschaftlich begründen um sich darüber Reputationen, Professuren und lukrative Fördergelder zu verschaffen.
Dazu gehört auch die Popelforschung, neudeutsch Populismusforschung als Agitationshilfe für neoliberiale Propaganda im Umfeld aufgeblähter Beratercliquenwirtschaft und des allseits gegenwärtigen Seilschaften-Lobbyismus.
Damit unterscheidet sich die Popelforschung nicht von der geistigen Manipulation zur Tabuisierung einer Vulgärsprache die dem so gering geschätztem Volke hin und wieder entfleucht, wenn es denn tatsächlich mal die Borderline überwindet, die ihm mit soviel Aufwand als moralische Barriere indoktriniert wird.“
Im Grunde sind sie Mitläufer einer Zuschauerdemokratie deren Job es ist, dem Prekariat einzutrichtern welches zu doof sei demokratische Entscheidungen zu treffen und das Regieren doch lieber den überlassen soll, die nicht einmal eine Kalkulation richtig bewerten können, oder besser gesagt nicht wollen. Das Umdefinieren von Politik ist besonders hilfreich wenn man selbst nur auf den „hinteren Gesäßmuskel“ belastet und mehr am wachsenden Kontostand interessiert ist, statt sich um das Gemeinwohl der Gesellschaft zu sorgen. Insofern hat sich die Politische Theorie seit der Römerzeit nicht weiter entwickelt, lediglich ihr Wortumfang der in besonders kunstfertiger Weise jede schwarze Westentasche zu einem persilweißem Designerstück aufarbeitet ist, im Zusammenhang angestiegen und schwebt in professioneller Weise Richtung Wolkenkuckucksheim, also meilenweit über Mittelerde mit seinen ach so prekären Bewohnern die in geradezu rührend naiver Weise zu ihnen aufschauen.