Andreas Cassees Plädoyer für globale Bewegungsfreiheit – Zugang zu Institutionen oder zu Territorien?

cassee_bewegungsfreiheit_coverAndreas Cassees „Globale Bewegungsfreiheit“ ist zwar, wie es im Untertitel heißt, ein Plädoyer für offene Grenzen, das von einer Grundsympathie für Migrierende getragen ist. Dennoch funktioniert es auf Grund seines sehr klaren Aufbaus und der einfachen, zugänglichen Sprache auch als eine ausgezeichnete Einführung in die Migrationsethik. Das Buch ist eine tour de force, die alle wichtigen Positionen in der englischsprachigen und in der deutschen Literatur zur Frage eines Rechts auf globale Bewegungsfreiheit in überschaubarem Umfang zusammenfasst, in eine Beziehung zueinander stellt und kritisch bespricht.

Die Struktur des Buches ist unkonventionell. Cassee formuliert nicht zu Beginn seine eigene Position und verteidigt diese dann gegen alle Einwände. Er beginnt mit der Beschreibung einer Standardposition, nach welcher Staaten grundsätzlich berechtigt sind, Zuwanderung abzuwehren. Diese nimmt er dann auseinander und errichtet auf ihren Ruinen seine eigene Position für ein grundsätzliches Recht auf globale Bewegungsfreiheit. Das hat für die Leser den Vorteil, dass sie alle positiven Forderungen des Plädoyers an allen wichtigen Gegenargumenten testen können, ehe der Autor selber es tut. Für Andreas Cassee hat es den Vorteil, dass er bis ganz zum Schluss agnostisch bleiben kann zur Frage, warum es globale Bewegungsfreiheit geben sollte, und sich darauf beschränken kann, die Standardposition aus recht neutraler Warte zu kritisieren. Erst im letzten Kapitel verlässt er die Deckung und legt sich auf eine kosmopolitische Version von Rawlsʼ Vertragstheorie fest, um seine Position zu begründen.

Zu der von ihm als solche beschriebenen Standardposition gelangen gemäß Cassee drei verschiedene Gruppen von Autoren: Kommunitaristen (insbes. Michael Walzer), liberale Nationalisten (insbes. David Miller und Will Kymlicka), und Autoren, die kulturalistische Argumente gegen ein Recht auf Migration mit institutionellen Argumenten austauschen (insbes. Christopher Wellmann und Ryan Pevnick). Es ist die Einordnung und Kritik dieser institutionell orientierten Argumente – sie sind jünger als kommunitaristische und nationalistische Argumente –, um die sich Cassee besonders verdient macht. Beiden Hauptvertretern, Wellmann und Pevnick, weist Cassee überzeugend nach, dass sie die kommunitaristischen Annahmen, die von der Natürlichkeit und moralischen Richtigkeit von Gruppenzugehörigkeit durch Herkunft ausgehen, nach wie vor benötigen, damit ihre Argumentation funktioniert. Dabei wollten sie diese gerade überwinden.

 

Und ewig lockt die Metapher der großen Familie

Wellmann stellt der Analogie der Familie für Nationen, wie sie unter Kommunitaristen verbreitet ist, die Analogie des Vereins gegenüber. Er argumentiert, das Recht auf Ausschluss ergebe sich bei Staaten wie bei Vereinen aus der Vereinigungsfreiheit. Cassee zeigt zunächst, dass die Vereinigungsfreiheit die Frage der Aufnahme von neuen Mitgliedern noch nicht moralfrei macht und dass die Analogie von Staaten mit Clubs aus einer Reihe von Gründen nicht überzeugend ist. Vor allem aber weist er Wellmann eine implizit kulturalistische Tönung nach. Sein Argument baut nämlich auf der Annahme auf, der öffentliche Raum sei ein „privater Raum zweiter Ordnung“, für den wir festlegen wollen, wem wir begegnen und wem nicht und insofern ein intimer Raum, den wir nur mit unseresgleichen zu teilen bereit sein dürfen (S. 68 f.).

Ryan Pevnick ersetzt das Argument für nationale Selbstbestimmung durch ein Argument für staatliche Selbstbestimmung, indem er das Recht auf Ausschluss mit einem kollektiven Eigentumsrecht am Staat begründet. Aber damit die Übertragung dieses kollektiven Eigentums von einer Generation auf die nächste, also auf Neuankömmlinge durch Geburt (aber nicht auf Neuankömmlinge durch Zuwanderung) funktioniert, ist wiederum die Fiktion von Staaten als großen Familien unentbehrlich und damit die Idee einer natürlichen Zusammengehörigkeit durch Geburt.

Cassees Buch hat seine größten Stärken in solchen Momenten, wenn er Widersprüche oder Inkohärenzen offenlegt und damit Argumente gegen das Recht auf Zuwanderung nur durch Deduktion zerlegt, ohne dass er der Gerechtigkeitsintuition der Autoren, die er kritisiert, eine eigene entgegen stellen muss.

 

Was innerhalb des Staates gilt, muss zwischen Staaten gelten

In der Kritik kultureller Argumente zeigt er etwa, dass deren Vertreter gleichzeitig auf zwei Annahmen angewiesen sind, die kaum miteinander vereinbar sind. Einerseits, dass kulturelle Verwurzelung essentiell sei für menschliches Wohlbefinden und deren Verlust eine menschliche Tragödie. Andererseits aber, dass die meisten Menschen ihr kulturelles Umfeld hinter sich lassen und für einen marginalen Einkommensvorteil migrieren würden, wenn man sie nicht davon abhielte (S. 123).

Will Kymlicka weist Cassee nach, dass er von einer schwachen zu einer starken Konzeption kultureller Homogenität wechseln muss, um das staatliche Recht auf Migrationsabwehr verteidigen zu können. Während die schwache Konzeption nur davon ausgeht, kulturelle Kontinuität sei essentiell für menschliches Wohlbefinden, wechselt Kymlicka implizit zur stärkeren Konzeption, die davon ausgeht, die Grenzen zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Kulturen müssten aufrechterhalten werden. Im Unterschied zur schwächeren Konzeption orientiert sich diese stärkere Konzeption aber nicht mehr am Wohlbefinden des Individuums, sondern an den Vorlieben des Kollektivs. Damit kollabiert die behauptete Vereinbarkeit von individueller Autonomie und dem Postulat des Erhalts nationaler Kulturen, die Kymlickas Argument erst attraktiv gemacht hat (S. 155).

Am Ende sind alle wichtigen Argumente zur Verteidigung der Standardposition der Inkohärenz überführt. Seine eigene Position für eine globale Bewegungsfreiheit baut Cassee dann auf einer Analogie zwischen dem innerstaatlichen und dem internationalen Recht auf Niederlassungsfreiheit auf. Die überzeugendste Begründung für das Recht auf eine innerstaatliche Niederlassungsfreiheit sei die Ermöglichung individueller Autonomie und nicht etwa der Schutz vor politischer Unterdrückung (wie Adam Hosein argumentiert) oder ein angemessenes Angebot an Optionen (wie David Miller argumentiert). Diese Begründung treffe aber auf zwischenstaatliche Bewegungsfreiheit (im Gegensatz zu den alternativen Begründungen, die er verwirft) genauso zu, wie für die innerstaatliche. Dass die analoge Handhabung beider Fälle gerecht wäre, begründet Cassee mit einer kosmopolitischen Version von Rawls’ Gesellschaftsvertrag. Fragen, die Auswirkung (jedenfalls Zwangswirkung) über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus haben, müssen auch von einer internationalen Gemeinschaft entschieden werden können, wenn sie gerecht entschieden werden sollen. Es ist daher nicht die Gemeinschaft der Staaten, sondern die globale Gemeinschaft der Individuen, die sich hinter dem Schleier des Nichtwissens zu der Frage äussern muss, ob innerstaatliche und zwischenstaatliche Bewegungsfreiheit analog behandelt werden sollen (S. 251). Und diese vertragsschließende Versammlung würde sich auf globale Bewegungsfreiheit als default-Regel festlegen. Als zu wichtig könnte sich für Individuen die Möglichkeit zur Migration erweisen, wenn der Schleier einmal gelüftet ist, als dass sie darauf verzichten könnten.

 

Wie die Suppenküche, wie der Yoga-Kurs oder wie der Studierendenverein?

„Warum gibt’s in der Schweiz so viele Berge?“ – „Weil die alten Eidgenossen so viele Ländereien erobert haben, dass sie gestapelt werden mussten.“ Dieser Witz, harmlos wie er ist, führt zu einem Kernproblem, mit dem sich das Buch beschäftigt und das Cassee nur teilweise in den Griff bekommt. Die Klärung der Frage, zu welchem Gut Migration denn nun Zugang verleiht und ob dieses von der Vorleistung der bereits Anwesenden oder deren Vorfahren abhängt (ob sie die Berge – wenn es denn die Berge sind, nach denen Zuwanderer sich sehnen – selbst aufgeschichtet haben). Gibt Migration Zugang zu einem Territorium? Zu einem Setting von Institutionen? Oder unentwirrbar zu beidem? Eine Frage ist diesem zentralen Problem vorgelagert, eine nachgelagert. Die vorgelagerte Frage ist, ob und wie Staaten „Eigentum“ über ihr Territorium haben oder erwerben konnten. Das nachgelagerte Problem ist, von welchen Gütern, insbesondere auch von welchen Zugangsmöglichkeiten zu Institutionen, Zuwanderer ausgeschlossen werden können, wenn sie sich einmal auf dem Territorium befinden und inwiefern diese Güter rival sind, die Nutzung durch andere also die Nutzung durch mich beeinträchtigt (sodass an einem Ausschluss von Neuankömmlingen überhaupt ein Interesse besteht). Was immer also das Gut oder die Güter sind, die durch Zuwanderung erlangt werden, sie müssen unter dem Gesichtspunkt der Rivalität und der Ausschließbarkeit charakterisiert werden, um sauber argumentieren zu können. Das Problem dabei ist, dass Territorium typischerweise rival und ausschließbar ist und Institutionen (politische Institutionen, Justizwesen, Märkte usw.) typischerweise nicht.

Wo institutionelle Überlegungen und nicht der Erhalt einer spezifischen Kultur die zentralen Argumente gegen ein Recht auf Bewegungsfreiheit bilden, geht es im Kern um die Frage, inwiefern Zugang zum institutionellen Gefüge eines Staates Zugang zu dessen Territorium voraussetzt und inwiefern der Zugang zum Territorium den Zugang zum institutionellen Gefüge zwingend nach sich zieht.

Cassee entwickelt für dieses Problem eine Reihe von nützlichen Analogien: Darf ein Quartierverein, der im Park gratis Suppe ausgibt, Armen aus anderen Stadtteilen den Zugang zum Park verbieten, weil er diesen keine Suppe ausgeben möchte? (S. 82) Das Gut in dieser Analogie (die Suppe) ist zwar rival aber ich kann von ihrer Nutzung selbst dann noch ausgeschlossen werden, wenn ich mich auf dem Territorium des Parks befinde. Darf ein Yoga-Verein, der im Park seine Yoga-Stunden durchführt, Nichtmitglieder aus dem Park ausschließen, wenn er anders nicht verhindern kann, dass Nichtmitglieder die Yoga-Übungen einfach mitmachen? (S. 54, die Analogie stammt ursprünglich von Sarah Fine). Hier nun ist das Gut (Yoga-Unterricht) nicht oder kaum rival (ich kann die Yoga-Übungen weiterhin mitmachen, auch wenn andere heimlich teilnehmen), aber nicht ausschließbar sobald Zugang zum Territorium besteht. Darf ich andere von der Nutzung eines Kuchens (ausschließbar und rival), der uns ursprünglich gemeinsam gehört hat, ausschließen, wenn ich diesen mit Schlagsahne (ebenfalls ausschließbar und rival) verfeinert habe? Und wenn der Wert der Sahne den Wert des Kuchens übersteigt? (S. 83) Sind Staaten wie der Studierendenverein an einer bestimmten Universität, der alle beitrittswilligen Studierenden aufnehmen muss, weil er gegenüber der Universität gewisse Privilegien (ausschließbar, aber nicht rival) hat?

Trotz all dieser Analogien bleibt die Beziehung von Territorien und Institutionen verschwommen und daher auch ungeklärt, zu welchen Gütern Migration nun Zugang gibt. Das ist schade; denn beispielsweise Pevnick ließe sich noch viel stärker bedrängen – etwa, wo er Zuwanderung mit dem Teilenmüssen einer Ferienwohnung vergleicht (S. 73) – wenn man ihm nachwiese, dass es ihm eben nicht ernsthaft um das Territorium, sondern nur um den Zugang zu Institutionen gehen kann. Da deren Nutzung durch neu Hinzugekommene die Nutzung durch die bereits Anwesenden nicht oder kaum beeinträchtigt, lässt sich schon aus einer Analogie zum Eigentumsrecht kein Argument für ein grundsätzliches Recht auf Migrationsabwehr gewinnen. Cassee streift dieses Problem (S. 85 f.), bekommt es aber nicht recht zu fassen, weil er keine Auslegeordnung macht, zu welchen Gütern Migration Zugang gibt, und diese unter dem Gesichtspunkt der Ausschließbarkeit und der Rivalität charakterisiert.

 

Von der Scholle ist kein Loskommen

Auch Miller und Rawls hätte Cassee mit einer Unterscheidung von Territorien und Institutionen noch überzeugender demontieren können, wenn diese Autoren argumentieren, ein Recht auf Ausschluss sei notwendig, um den bereits Anwesenden nicht den Anreiz zu nehmen, das Erreichte zu pflegen. Miller hat Angst, dass Staaten im Falle globaler Bewegungsfreiheit ihren Bevölkerungsüberschuss einfach exportieren könnten. Rawls spricht sogar explizit die Befürchtung aus, im Fall von globaler Bewegungsfreiheit würden die jeweiligen Bevölkerungen das Territorium, das sie kollektiv besitzen, „verkommen“ lassen. Dem könnte entgegengehalten werden, dass es sowohl im Herkunftsstaat gut funktionierende Institutionen sind, die entscheidend dafür sind, ob Lebensqualität auch bei wachsender Bevölkerung möglich ist und im Zielstaat gut funktionierende Institutionen (nicht das Territorium), an welchen Zuwanderer in aller Regel ein Interesse haben. So würde klar, dass Gesellschaften auch unter der Bedingung freier Migration noch einen Anreiz hätten, in die Qualität des Gemeinsamen, in gut funktionierende staatliche Institutionen zu investieren. Stattdessen übernimmt Cassee hier jedenfalls implizit das an die Scholle geheftete Denken. Er stellt lediglich in Frage, ob diejenigen, die ein Land „heruntergewirtschaftet“ hätten, je unter ihren Fehlleistungen gelitten oder nicht stets eine Destination zur Auswanderung gefunden hätten. An ihrer Stelle seien es stets die politisch und wirtschaftlich Machtlosen gewesen, welche die Zeche zu zahlen hatten (S. 139 f.). Nehmen die Wendungen „herunterwirtschaften“ und „verkommen lassen“ eher Anklang an dem Vergleich eines Staates mit einem Stück Land oder mit einem Betrieb oder mit einem Betrieb, der Land bewirtschaftet? Es wird nicht ganz klar.

Diese verbleibende Unklarheit beeinträchtigt dann auch die Darstellung von Migration als Verteilungsfrage im weiteren Sinne (S. 254), zu der ein kontraktualistischer Zugang notwendigerweise führt. Verteilt der Gesellschaftsvertrag Zugang zu individuellen Freiheiten, wie sie durch ein gut funktionierendes institutionelles Gefüge bereitgestellt werden können oder geht es um die Verteilung von Territorien der Erdoberfläche und Zugangsrechten zu diesen? Michael Blake und Mathias Risse scheinen letzterer Ansicht zu folgen, wenn sie argumentieren, dünn besiedelte Staaten hätten eine Pflicht, Menschen aus dicht besiedelten Staaten einwandern zu lassen. Cassee empfindet diese Auffassung als verkürzt, stellt ihr aber die Frage der Verteilung von Zugangsrechten zu Institutionen nicht hinreichend klar gegenüber (und weist zu wenig klar auf die untergeordnete Bedeutung von Territorien im Verhältnis zu Institutionen hin). So bleibt unklar, was in seinem kosmopolitischen Gesellschaftsvertrag genau verteilt wird, wenn hinter dem Schleier des Nichtwissens die Frage nach dem Recht auf globale Bewegungsfreiheit aufgeworfen wird.

Ein zentrales Problem, das Argumente wie jene von Wellman und Pevnick für die Debatte über ein Recht auf Zuwanderung offengelegt haben, bleibt mit dem Beitrag von Andreas Cassee damit ungelöst. Aber er hat die Ausgangslage, an der Lösung dieses Problems zu arbeiten, mit seinem stringenten Plädoyer entschieden verbessert.

 

Stefan Schlegel ist Jurist. Er hat in Bern zur Ökonomischen Analyse des Rechts im Migrationsrecht doktoriert und arbeitet als Post-Doc am Max-Planck-Institut zur Erforschung multiethnischer und multireligiöser Gesellschaften in Göttingen.

9 Kommentare zu “Andreas Cassees Plädoyer für globale Bewegungsfreiheit – Zugang zu Institutionen oder zu Territorien?

  1. Bei soviel „Vergleich“, insbesondere im rechtlichen und rechtsnahen Raum, sei an das „Analogieverbot“ bei der Rechtsprechung/Rechtsanwendung erinnert, das – bis heute valide und in Kraft – auf Ludwig Feuerbach zurückgeht.

    Die M.-Frage wird hier als Anwendungs-, d. h. Entscheidungs-Fall aufgezogen, für den verschiedene andere Rechtsnormen (sogar bis zum Rawlschen „Vertragsrecht“) gesucht und geprüft werden, um eine Orientierung für seine Entscheidung zu finden.
    Aber aus guten Gründen, die dem Rezensenten als Jurist, der im politiktheoretischen u. philosophischen Raum spricht, geläufig sein sollten, ist es eben verboten, z. B. eine verschärfte Strafnorm für Diebstähle auf Bahnhöfen an Reisenden, weil diese dort i.d.R. eher schwächer als sonst üblich sich gegen Diebstähle schützen können, auf einen Diebstahlsfall am Flughafen zu übertragen.
    Vielmehr wäre je eine eigene Rechtsnorm, z. B. für „Diebstähle an Flughäfen“, zu setzen, um den Schwächeaspekt auch dort künftig in Fallentscheidungen zu berücksichtigen.

    Natürlich KANN im Wege der Normenfindung des Gesetzgebers, – zu der der das politiktheoretisch-philosophische Feld ja beitragen soll/kann/will -, auch das bisherige, sonstige Normenfeld berücksichtigt werden, – aber das ist weder ein zwingendes, noch das außschließliche/einzig zulässige Verfahren bzw. Kriterium (z. B. Normenkohärenz).
    Vielmehr ist die Normenfindung und -SETZUNG ein höchst FREIES Unterfangen, für das gute Gründe gesucht und gewogen werden KÖNNEN, i. d. R. ABER NICHT MÜSSEN!

    Und eine „Beratung der Normenfindung“, die so ansetzt, aus Suppenküchen-Parks, Vereinen usw. Übertragbarkeiten zum Migrationsrecht zu destillieren, indem man fallähnliche „Anwendungen“ der dort herrschenden Normen auf Migranten, Aufnahmestrukturen usw. „überträgt“ ist von kaum mehr wahrnehmbaren Gewicht.

  2. Danke für die Rückmeldung. Das Analogieverbot gilt, wie mir als Jurist, der im politiktheoretischen u. philosophischen Raum spricht, geläufig ist, im Strafrecht (mehr dazu weiss Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Analogieverbot). Im öffentlichen Recht, zudem das Migrationsrecht zählt, gilt es lediglich, soweit mit Analogien Eingriffe in individuelle Rechtspositionen begründet werden sollten. Hier geht es um die Frage, ob nicht die Rechtsposition der Betroffenen potentiellen Migrierenden verbessert werden müsste. Es geht ausserdem nicht um analoge Normen, sondern um analoge Güter. Gibt das den Analogien ein Teil ihres Gewichts zurück?

  3. „Gibt das den Analogien ein Teil ihres Gewichts zurück?“

    Ja!
    Zumindst zunächst, die Güterwägung/-analogisierung/der Gütervergleich außerhalb der Normenanwendung, z. B. in der Normenfindung, unterliegt solchen Beschränkungen natürlich nicht so sehr.

    Insgesamt sehe ich aber das „nicht absolute Recht“ auf Migration/ internationale Bewegungsfreiheit inkl. Niederlassungsfreiheit, nicht nur als „negatives Recht“, sondern eben als „relatives Recht“, dem wie der Autor stets betont, durchaus andere (Rechts-) Güter im Wege stehen können, – und dass das wohl in aller Regel der Fall ist, und deshalb nicht je konkret ausbuchstabiert sein muß, sondern auch als generelle Regel/Norm bestand haben kann.

  4. „Bestand haben“ natürlich, sry.

    Die Beispiele/Analogien, die da herangezogen werden, passen eben dann doch nicht so, bzw. sind z. T. reichlich schräg: Bei Genf/Zürich z. B. wird reklamiert, „der Staat“ dürfe die freie Wohnortwahl nicht verhindern. Aber diese über-/umgreifende Instanz gibt es ja zw. nicht entsprechend verbundenen Staaten (Nicht-Bundesstaaten) eben nicht. Wenn man aber Genf u. Zürich als voneinander unabhängige Entitäten ansetzt, ist man genauso schlau wie zuvor.
    Und Kommunen können nach allg. Rechtsverständnis durchaus extreme Maßnahmen/Normen(ok.: -> Persistenzfrage) und Regeln in Kraft setzen, z. B. Leute, bsplw. „Bettler“, Randalierer, Obdachlose des Ortes verweisen und ad-hoc, via Polizeiakt „ausschaffen“, wie es im Schweizerischen heißt, können notfalls Mitbewohner zuweisen usw. – zunächst scheinbar alles eine Frage der Güter- und dann doch eben der Normen-Abwägungen.
    Aber nur das Betreten z. B. von riesigen Naturparks, so z. T. im Bayerischen Wald, kann schon verboten sein, auch wenn keine unmittelbare Gefahr, sondern nur sehr theoretische Schädigungen zunächst weniger gewichtiger „Güter“, wie die territorial sehr begrenzte Existenz „ungestörter Tier- u. Pflanzenwelt“, drohen, – die Normierung ist zunächst FREI, und kann hohe Rechtsgüter wie die Bewegungsfreiheit auch ohne äquivalentes Gegengewicht beschränken/verhindern.
    Die deontische Unzulänglichkeit des analogischen Verfahrens, das der Abwägung zugrundeliegt, und das deshalb in besonders empfindlichen Bereichen (v. a. in der StrafrechtsENTSCHEIDUNG zum Nachteil eines Angeklagten) keine Anwendung finden soll/darf, holt auch die Sphäre der Normenbegründung/-findung letztlich immer wieder ein, egal wie man die Schraube immer weiter dreht: So könnte man sagen, das Gut der Bewegungsfreiheit werde durch das Betretungsverbot im Naturpark ja nur marginal beschränkt, schließlich bleibe ja noch soundsoviel „Freiraum“ zum Aufenthalt andernorts usw. , aber da ist man wieder im m. E. treffend zerlegten Optionsansatz:
    Dann könnte Genf ja auch sagen, „hier nicht!“, denn es gibt ja noch vielmehr andere Optionen …

    Ich meinte beim Autor auch zunächst eher moralische Absichten vernommen zu haben (Einleitung?), – die können aber nicht über „begründende“ Versuche, warum RECHTLICH zunächst die „Grenzen offen“ sein sollen, sofern nicht (ge-) wichtige Gründe mal dagegensprechen, zum Erfolg führen.

    Und was z. B. die Widerlegung des Arguments mangelnder demokratischer Beteiligung der potentiellen o. tatsächlichen Migranten angeht, weil auch demokratische Entscheidungen ja illegitim sein können, so fehlt mir der Hinweis auf die regelmäßig ja realiter fehlende Gegenseitigkeit, wonach die Aufnehmenden dann auch in den anderen Staaten mitregieren können müssten. Das kann/sollte man alles vertragsweise anstreben können/dürfen/sollen, aber es begründet weder nennenswerte Güter noch Normen. Das kann letztlich nur Moral, die begründungsmäßig sich als subjektiver Haltepunkt im sonst endlosen Begründungsregreß manifestiert (Transzendentalpragmatik).

  5. „Im öffentlichen Recht, zudem das Migrationsrecht zählt, gilt es [das Analogieverbot] lediglich, soweit mit Analogien Eingriffe in individuelle Rechtspositionen begründet werden sollten.“

    Das mittels einer (neuen) Norm und deren analogischer Begründung aus dem „Gut der Bewegungsfreiheit“ „erzwungene Leben mit Migranten“ kann sehr wohl ein Eingriff „in individuelle Rechtspositionen“ sein, – die sich z. B. auch aus der Zirkularität der „Bewegungsfreiheit“ ergeben, wonach z. B. erst ein Ort gesucht wird/werden darf, an dem keinerlei Fastenrücksichten in Schul- u. a. Kantinen, Mensen usw. genommen werden, was diese Position weiter festigt, die aber über das „Gut der Bewegungsfreiheit“ wieder aufgehoben werden soll …

  6. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank an Stefan Schlegel für seine wohlwollende Rezension. Er kritisiert nicht ganz zu Unrecht, dass ich in meinem Buch nicht genau genug darlege, welches Gut bei der Einwanderungsfrage eigentlich auf dem Spiel steht. Gerne möchte ich deshalb versuchen, hier kurz zu präzisieren, wie meine diesbezüglichen Aussagen gemeint sind – und ich bin gespannt, was Stefan Schlegel selbst in seinem in Kürze erscheinenden Buch (https://www.mohr.de/buch/der-entscheid-ueber-migration-als-verfuegungsrecht-9783161548727) dazu zu sagen hat.

    Die Entscheidung zwischen unterschiedlichen Mobilitätsregimes verstehe ich zunächst als eine Entscheidung zwischen unterschiedlichen Verteilungen territorialer Ansprüche, wobei ich zwischen territorialen Ansprüchen erster Ordnung (sich an bestimmten Orten aufzuhalten) und territorialen Ansprüchen zweiter Ordnung (darüber zu entscheiden, wer sich an bestimmten Orten aufhalten darf) unterscheide. Damit soll nun allerdings nicht impliziert sein, dass das Gut, mit Blick auf dessen Verteilung die Entscheidung letztlich zu fällen ist, (ausschließlich) die natürliche Ressource „Land“ ist – genau das scheinen mir Blake und Risse vorauszusetzen, deren Ansicht ich als verkürzt kritisiere.

    Was, wenn nicht (nur) Land, soll dann gerecht verteilt werden? Meine Antwort lautet: Rawls’sche Grundgüter – also all diejenigen Güter (einschließlich Rechten und Freiheiten), die dafür wichtig sind, ein nach den jeweils eigenen Maßstäben gelingendes Leben führen zu können. Zwischen beidem – dem zu verteilenden Gut (territorialen Ansprüchen) und den Gütern, an denen sich letztlich die Gerechtigkeit der Verteilung bemisst (Rawls’schen Grundgütern), liegt nun die Unklarheit, die Stefan Schlegel an meinem Ansatz kritisiert: Welche „vermittelnden“ Güter determinieren den Einfluss territorialer Aufenthaltsansprüche auf die Verteilung von Grundgütern?

    Dass ich darauf keine einfache Antwort zu geben vermag, hat damit zu tun hat, dass Migrantinnen ganz unterschiedliche (auf unterschiedliche Güter bezogene) Gründe haben können, sich an einem bestimmten Ort niederlassen zu wollen. Vielen geht es zweifellos um den Zugang zu funktionierenden Institutionen, andere migrieren in erster Linie, um mit bestimmten anderen Menschen zusammenleben zu können, und wieder andere (wenn auch sicher nur eine kleine Minderheit) könnten auch einfach Zugang zu einer schönen Landschaft suchen. Wer wie ich ein *allgemeines* Recht auf globale Bewegungsfreiheit verteidigen möchte, tut meines Erachtens gut daran, hier nicht einen bestimmten Fall für paradigmatisch zu erklären – sonst stellt sich die Frage, weshalb das Recht auf Bewegungsfreiheit dann für alle und nicht bloß für die entsprechende Gruppe gelten soll (also beispielsweise nur für Menschen, die Zugang zu funktionierenden Institutionen suchen). Die Liste der „vermittelnden“ Güter wird also mindestens den Zugang zu (verschiedenen Arten von) Institutionen, den Zugang zu privaten Interaktionen, aber auch den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie einer schönen Landschaft umfassen.

    Zugegeben: Wenn sich zeigen liesse, dass mit Blick auf *sämtliche* relevanten Güter entweder Ausschließbarkeit oder Nichtrivalität im Konsum besteht, dann wäre das eine oder andere meiner Argumente überflüssig. Immerhin hätten die Einwohnerinnen eines potenziellen Einwanderungslandes dann (jedenfalls ökonomisch) schlicht keinen vernünftigen eigeninteressierten Grund, Menschen von einem Territorium fernhalten zu wollen. Denn es wäre dann entweder möglich, Menschen den Zugang zu den entsprechenden Gütern vorzuenthalten, ohne sie vom Territorium fernzuhalten (Ausschließbarkeit), oder aber es könnte Zugang zu den entsprechenden Gütern gewährt werden, ohne dass die bisherigen Bürgerinnen etwas verlieren (Nichtrivalität). Offene Grenzen wären dann schlicht eine Pareto-Verbesserung, und aufwändige Gerechtigkeitsargumente wären überflüssig.

    Ich befürchte allerdings, dass jedenfalls nicht *alle* relevanten Güter eine dieser Eigenschaften haben. Ausschließbarkeit scheint mir aus normativen Gründen nur selten gegeben zu sein. (Natürlich wäre es *möglich*, Migrantinnen z.B. den Zugang zur Rechtspflege zu verweigern, aber es wäre moralisch nicht vertretbar. Es mag legitim sein, bestimmte staatliche Leistungen wie z.B. Rentenansprüche an eine gewisse Beitragsdauer zu knüpfen; darüber hinaus glaube ich aber, dass „Neuankömmlinge durch Einwanderung“ dieselben Ansprüche auf institutionell bereitgestellte Güter haben wie „Neuankömmlinge durch Geburt.) Es bleibt dann die komplexe Frage nach der Rivalität der relevanten Güter. Stefan Schlegel hat sicher recht, dass diese weniger oft und in geringerem Maß besteht, als gemeinnhin angenommen wird (immerhin bezahlen Migranten Steuern, was oft genügen dürfte, um die Mehrkosten zu decken, die dadurch entstehen, dass z.B. die Rechtspflege nun für zusätzliche Personen gewährleistet werden muss). Aber es scheint mir keinen Grund für die Annahme zu geben, dass mit Blick auf *alle* relevanten Güter *überhaupt keine* Rivalität im Konsum besteht (man denke beispielsweise an knappen Wohnraum in Kontexten, in denen nicht beliebig neu gebaut werden kann, oder an die Migration von mittellosen Menschen mit wenig Bildung in einen Staat, der aufgrund des hohen Vermögens und Einkommens seiner bisherigen Bürgerinnen ein hohes Niveau staatlicher Leistungen mit tiefen Steuersätzen verbinden kann). In solchen Fällen scheint mir ein echtes Verteilungsproblem zu bestehen, dem mit Effizienzüberlegungen alleine nicht beizukommen ist.

  7. Ein Recht auf Migration kann es nicht geben. Es entsteht der Eindruck, daß dieser Ansatz der aktuellen Neigung entspringt, Migration als etwas prinzipiell Harmloses zu betrachten.
    Das ist falsch, eine anarchistische (und nicht freiheitliche) Migration hätte, genauso wie ansässige Bevölkerungen und Staatsgemeinschaften, die Neigung, zum Recht des Stärkeren zu greifen.

    Unter entsprechenden Voraussetzungen führt das zwangsläufig zu gewalttätiger Landnahme, schleichender Unterwanderung, Respektlosigkeit gegenüber der aufnehmenden Kultur usw.usw.

    Und dazu, daß sich die noch recht neuen Einheimischen abschotten gegen jede neue Zuwanderung.

    Historisch erfolgreich war z.B (über lange Zeit) das römische Reich, das sehr genau darauf achtete, Immigration gut zu verwalten, mit dem Ergebnis, daß es lange Zeit auch ziemlich offen bleiben konnte.

    Gegenbeispiel England im 5.Jhd. ff. Daß heute von „angelsächsisch“ gesprochen wird, geht auf eine Immigration zurück, die völlig unorganisiert und katastrophal aus dem Ruder gelaufen war, und die fast totale Entfernung der vorherrschenden Kultur zur Folge hatte.

    Migration muß klug organisiert werden, und das können aktuell nur die Staaten. Was aber möglich ist, ist die Erweiterung dessen, was zum Staat dazu gehört. Würde die EU nicht gerade durch den Neoliberalismus zerstört, wäre sie ein gutes Beispiel für eine solche Entwicklung.

  8. Danke für deine Antwort, Andreas.
    Einige kurze Dupliken.
    Während der territoriale Anspruch erster Ordnung einfach in die Sprache von Gütern zu übersetzen ist (das dauernde oder vorübergehende Recht zur Mitbenutzung eines Territoriums ist ein Gut) ist es bei territorialen Ansprüchen zweiter Ordnung schwieriger. Hierbei handelt es ich um ein politisches Recht, eine politische Kompetenz mit auszuüben. Diese hat einen gewissen Wert und ist daher auch ein Gut.

    Wie dir sind aber auch mir die Rawl’schen Grundgüter eigentlich wichtiger, als das Territorium. Die Frage ist: Wer kann diese Güter zur Verfügung stellen? Die Antwort darauf ist wohl: Ordentlich funktionierende Settings öffentlicher Institutionen. Wenn man das Pech hat, ausserhalb eines solchen Settings geboren worden zu sein, dann ist dem Zugang zu Rawl’schen Grundgütern daher der Zugang zu einem Setting aus funkionierenden Institutionen vorgelagert. Diese Gut – Zugang zu einem funktionierenden institutionellen Setting – ist eine Vorbedingung für den Zugang zu diesen Grundgütern und es ist dieses vorgelagerte Gut, das durch Migrationspolitik und durch Migrationsrecht in erster Linie verteilt wird. Es ist also nicht nur die Unklarheit zwischen dem Zugang zu Territorien und der Verteilung der Grundgüter, die ich kritisiere, sondern die unklare Beziehung zwischen dem vorgelagerten Gut „Zugang zu Institutionen“ und den Gütern (wie Freiheit und Sicherheit), die von diesen Institutionen zur Verfügung gestellt werden können.

    Um mit der Vielfalt von Migrationsereignissen und -biographien umgehen zu können und den verschiedenen Bedürfnissen verschiedenen Migrierender gerecht werden zu können, bietet sich das Konzept der Rechtebündel an. Wenn Rechte die Möglichkeit sind, Güter zu kontrollieren, dann lässt sich die Rechtsstellung des Einzelnen an Hand des individuellen Rechtebündels beschreiben, das teilweise durch den ausländerrechtlichen Status von Individuen determiniert ist und durch dessen Änderung oder durch Änderung des geltenden Rechts umgestaltet werden kann. Je nach ausländerrechtlichem Status liegt ein anderes typisches Rechtebündel vor (das eine gibt nur vorübergehenden Aufenthalt, das andere nicht, das eine gibt Zugang zum Arbeitsmarkt, das andere nicht, das eine gibt Zugang zu Familiennachzug das andere nicht, etc.). Ein ideales Migrationsrecht könnte den Menschen je nach dem, welche Bedürfnisse sie haben, Zugang zu unterschiedlichen Rechtebündel geben, insofern ist auch die Diversität der Migrationsereignisse aus der Perspektive der Güter, zu denen sie Zugang geben, erklärbar.

    Wenn es dann darum geht, diese Güter unter dem Gesichtspunkt von Rivalität und Ausschliessbarkeit zu charakterisieren, ist wichtig, dass es sich dabei um eine graduelle Charakterisierung handelt, nicht um eine binäre Einteilung. Der Grad der Rivalität und der Grad der Ausschliessbarkeit müssen auf einem Kontinuum verortet werden, nicht in einer entweder-oder Einordnung. Darum können auch sämtliche Güter nach diesen Kriterien charakterisiert werden (Zugang zu Gerichten ist zwar u. U. rival, aber nicht sehr, zwar eigentlich ausschliessbar, aber nur zu einem hohen (moralischen und praktischen) Preis, etc.). Alle Güter können in einem Koordinatensystem zwischen den beiden Polen Rival/Nichtrival auf der einen Achse und Ausschliessbar/nicht Ausschliessbar auf der anderen Achse verortet werden. Dass es bei Migration um Zugang zu einem Bündel von ganz verschiedenen Gütern geht, die in diesem Koordinatensystem an ganz unterschiedlichen Orten zu verzeichnen wären, macht die Sache zwar komplizierter aber nicht weniger unentbehrlich, soll mit den zunehmend wichtigen institutionellen Argumenten gegen ein Recht auf Migration umgegangen werden.
    Ich bin auch der Meinung, dass eine solche Charakterisierung nicht nur für Effizienz-orientierte Argumente notwendig ist, sondern dass sich für jede normative Zielgrösse die Frage stellt, mit welchen Gütern – oder genauer, mit welchem Bündel von Gütern wir es zu tun haben. Wir würden dann nämlich feststellen, dass das wichtigste Gut, um das es uns geht, das vorgelagerte Gut „Zugang zu Institutionen“ ist. Es entscheidet darüber, ob und bis zu welchem Grad jemand Zugang zum setting öffentlicher Institutionen eines Staates erlangt und damit zu allen anderen Gütern, zu denen Migration möglicherweise Zugang verleiht. Es ist das Verfügungsrecht über jemandes Migration in einen bestimmten Staat und das Gut, um dessen Zuteilung es hier zuerst und eigentlich geht. Dieses Gut aber ist rival – wenn ich über deine Migration entscheiden darf kannst du nicht mehr – und ausschliessbar – wenn ich über deine Migration zu entscheiden das Recht habe, dann kann ich Zwangsmittel einrichten, die dich davon abhalten, den Entscheid selber an die Hand zu nehmen. Die Zuordnung dieses vorgelagerten Gutes ist daher in jedem Fall eine Verteilungsfrage, die in jedem Fall Gerechtigkeitsprobleme aufwirft.

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