Die politische Visualisierung von Einheit und Macht ist mittlerweile hervorragend erforscht – wie aber verhält es sich mit der politischen Ikonographie von Differenz und Pluralität? Ein Sonderheft des „Leviathan“ wird 2017/2018 – herausgegeben von den Theorieblog-Redakteuren Sebastian Huhnholz und Eva Hausteiner – dieser Frage nachgehen und sucht nach passenden Beiträgen. Vorschläge aus den Politikwissenschaften, insbesondere der Politischen Theorie und Ideengeschichte, aber auch aus relevanten Nachbardisziplinen, sind bis zum 15. April willkommen, alle weiteren Infos nach dem Klick.
„Politische Ikonographie zwischen Identitäts- und Differenzrepräsentation“ – Call for Papers für Sonderheft des Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaften
hg. von Dr. Eva Marlene Hausteiner (Humboldt-Universität zu Berlin/Sonderforschungsbereich 644 „Transformationen der Antike“), Dr. Sebastian Huhnholz (LMU München)
Die visuelle Repräsentation politischer Herrschaft ist seit der Antike mehrheitlich durch Bilder von Macht und Einheit geprägt. Von autoritärer Einschüchterungsikonographie über elitäre Repräsentationsästhetik bis zu selbstherrlicher Glorifizierung freier Bürgerverbände sind die Varianten, in denen politische Identität als eine Funktion der einenden Integration von Großgruppen dargestellt werden, bestens untersucht.
Weniger gut untersucht als derlei „Identitätsrepräsentation“ ist die politisch oft besonders produktive Seite von „Differenzrepräsentation“. Einigkeit und Eintracht zu repräsentieren ist nur nötig, wo Dissens existiert – und wo Differenzen oder Unterschiede überhaupt zulässig oder sogar unvermeidlich sind. In diesem Sinne hat Ernst Vollrath, von dem die Begriffe der Identitäts- und der Differenzrepräsentation übernommen sind, eine Kritik Carl Schmitts durch eine normative Umwidmung vollzogen. Während für Schmitt politische „Repräsentation“ im Sinne von Stellvertretung den Gegenpol zur substantialistischen „Identität“ bildete und Repräsentation gewissermaßen synonym mit einem denunziatorischen Differenzbegriff war, stellt Vollrath lapidar fest: „Die Differenzrepräsentation ist konstitutiv für den Typus der Verfassungsdemokratie“. Vollrath begreift die visuelle, formale, sei es prozedurale oder spontane Repräsentation von Differenz ostentativ als „eine Weise der Machtteilung“. Um dieses normative wie organisatorische Qualitätsmerkmal soll es mit dem vorliegenden Schwerpunkt zur politischen Ikonographie gehen.
Wir gehen davon aus, dass sich die im Zeichen der Moderne und Postmoderne ohnehin wachsenden politischen Bedürfnisse für zunehmend komplexere Arrangements von „Differenz-“ als „Identitätsrepräsentation“ auch in den etablierten ikonographischen Formen politischer Kommunikation reflektieren, die dadurch erzeugte und genutzte Ambivalenz und mimetische Rivalität dabei aber, anders als herkömmliche Interpretationen nahelegen, die Integrations- und Innovationsfähigkeit der politischen Bild- und Zeichensprache erweitert und vertieft – mit einem Wort: pluralisiert. Gerade die visuelle Integration von Differentem, Apartem oder vordem Exkludierten in ein vermeintlich festes Identitätsensemble stellt dessen vorgebliche Geschlossenheit produktiv in Frage und öffnet den politischen Reflexionsraum mittels Zugriff auf stärker affektive, emotionale und imaginäre Repräsentationsmuster, wodurch die Rationalität, Formalität und Prozeduralität politischer Prozesse gleichermaßen unterlaufen wie ergänzt und intensiviert werden.
Ziel des Sonderheftes ist es, die Hypothese zunehmend produktiver Differenz- als Identitätsrepräsentation anhand von älteren und tradierten, aber auch modernen und transformierten visuellen Ausdrucks- und Gestaltungsmitteln zu untersuchen – anhand von Beispielen also, die einerseits tendenziell bereits seit der Antike im Repräsentationsrepertoire politischer Herrschaft entwickelt, andererseits aber im Zuge des langen historischen Wandels zur politischen Moderne ihrerseits transformiert worden sind, sodass in ihrer jeweiligen Offenheit gegenüber der Integration von Differenzen ein wesentlicher Erklärungsfaktor für ihre erfolgreiche Beharrungsstärke, also ihre Verwendung und Popularität zu finden ist.
Gerade an Repräsentationstransformationen zwischen Antike und Moderne lässt sich dann beispielsweise auch die Spannung zwischen demokratischer Diversitätsikonographie und undemokratischen, wenn nicht autoritären Vorspiegelungen von Zugeständnissen an heterogene Bevölkerungsgruppen sehr viel eindeutiger und verlässlicher hervorkehren als bislang. Dies gilt nicht zuletzt für Kontexte gewollter Ungleichheit: Da Differenzrepräsentation immer wieder zur Dynamik der Stigmatisierung der Abweichenden missbraucht worden ist und bisweilen auch heute entsprechend benutzt wird, gilt es, identitäre Differenzrepräsentation von jener zu unterscheiden, durch deren Visualisierung Abweichung erst erzeugt oder suggeriert und sie zum sichtbaren Ziel von Repression gemacht wird.
Für die Aufnahme in das Sonderheft begrüßen wir Themenvorschläge aus den Politikwissenschaften – insbesondere der Politischen Theorie und Ideengeschichte –, der Soziologie, Geschichtswissenschaft, Architektur- und Kunstgeschichte sowie den Kunst- und Kulturwissenschaften sowie relevanten Nachbardisziplinen. Sowohl grundlegende Überlegungen zur politischen Ikonographie und Medialität der Differenzrepräsentation als auch theoretisch aufschlussreiche Fallstudien sind willkommen.
Vorschläge (ca. 500 Wörter) werden bis zum 15. April erbeten an eva.hausteiner@sowi.hu-berlin.de und sebastian.huhnholz@gsi.uni-muenchen.de. Etwaige Zusagen werden spätestens Anfang Mai verschickt, die Einreichungsfrist für die Erstfassung begutachtungsfähiger Beiträge im Umfang von nicht mehr als 60.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) ist der 1. Oktober 2016.
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