Jetzt mal ganz offen… Offene Ressourcen für die Politische Theorie

Im Internet gibt es ja fast alles – und das ist wohl auch der Grund, warum wir es auch als politische Theoretiker und Nicht-Geeks fast schon beiläufig nutzen. Eben mal schnell schauen, ob das Buch was taugt, bevor man sich auf den schwierigen Weg macht, es zu besorgen. Kurz nachsehen, ob Max Weber “stählernes” oder “stahlhartes” Gehäuse gesagt hat. Noch während des Vortrages gucken, wer dieser Etienne de La Boetie genau war. Gleich den aktuellsten Artikel des Vortragenden herunterladen… kann durchaus an der nächsten Paywall scheitern. Meine Vermutung ist, dass die meisten Studierenden es ähnlich handhaben – erstmal das Thema googeln, dann den Wikipedia Artikel überfliegen, dann weiß man schon so ungefähr Bescheid.

Bei entsprechend kritischem Blick ist dagegen wenig zu sagen, manches kann sogar hervorragend sein. Aber was hat das Netz an offenen, für alle leicht zugänglichen Ressourcen für die Politische Theorie zu bieten, die gehaltvoll genug sind, um mit gutem Gewissen auch für die Lehre genutzt zu werden?

Naheliegend ist es beispielsweise, urheberrechtsfreie Versionen klassischer Texte zu suchen: Platon, Machiavelli, Marx und Engels und andere sind online zu finden – allerdings meist in alten Übersetzungen (weil neue neues Copyright erhalten) und – mit Ausnahme des Projekts Gutenberg – oft als Einzelinitiativen. Manches lässt sich auch finden, das kommentiert und aufbereitet, als Text (z.B. Blogs) oder auch Video (z.B. YouTube). Ähnlich wie bei den Texten auch, sind die passenden Ressourcen dabei selten leicht zu finden und streuen breit, was ihre Qualität angeht. Will man offene Ressourcen einsetzen, erfordert das Einsatz – den man risikoärmer in die Einrichtung eines Handapparates stecken kann, auch wenn dann die Studierenden analog lernen müssen oder die Digitalisierung einzeln selbst nachvollziehen.

Systematische Anlaufstellen für offene Ressourcen sind gerade erst im Entstehen, wobei die prominentesten von großen Konzernen getragen werden: Googlebooks, iTunesU u.a. zielen darauf ab, sich den Markt für offene Ressourcen zu erschließen und bisherige Versuche, etwa von einzelnen Universitäten, unter ihrem Dach zu sammeln. Einige Initiativen, wie Wikiversity und Wikibooks, basieren auf dem freien Prinzip der Wikis, bieten jedoch (erst) in begrenztem Maße Inhalte an. Amerikanische Eliteunis, wie MIT, Harvard und Yale stellen seit Jahren Kursmaterialien aus ihren Kursen auf eigenen, offenen Plattformen zur Verfügung – wobei sich hier mittelfristig die MOOCs (Link zu Stefans Artikel) als echte Konkurrenz erweisen könnten.

Auch in Deutschland formiert sich etwas, das man OER-Bewegung (OER = Open Educational Resources) nennen könnte. Nach einem sehr erfolgreichen OER-Barcamp 2012 in Bremen, fand 2013 die erste große OER-Konferenz statt, auf der eigentlich alle zentralen Fragen, die sich mit OER verbinden, diskutiert wurden. Und obwohl Schule einen wesentlichen Kernbereich der Debatte ausmacht, wurde 2013 auch über Möglichkeiten und Grenzen von OER für die Hochschule diskutiert.

Mit dabei war Claudia Bremer, die an der Goethe-Universität Frankfurt für das “studium digitale” zuständig ist. Ihrer Beobachtung nach sind offene Ressourcen und die Hochschule noch keineswegs selbstverständlich in Einklang zu bringen. Es fehlt an Wissen, aber auch an Rechtssicherheit, nachhaltigen Plattformen und klaren Regeln – und das schmälert letztlich Engagement und Begeisterung derer, die derartige offene Ressourcen erstellen müssten. Wir haben uns mit ihr verabredet, um zu diskutieren, welche Potentiale OER in der Hochschule hat und was sie uns bringen, wo die Probleme liegen und was wir selbst beitragen können.

 

Weiterführende Links (in den Kommentaren gern ergänzen):

 

Acknowledgements:
Herzlichen Dank an Claudia Bremer für ihre Bereitschaft zum Interview und an Kristin Narr für hilfreiche inhaltliche Hinweise, sowie an Andreas vom theorieblog fürs Schneiden des Videos aus der Aufzeichnung via GoogleHangouts On Air.

3 Kommentare zu “Jetzt mal ganz offen… Offene Ressourcen für die Politische Theorie

  1. Ein weiterer Tipp:

    Hervorragend für Sprachanalysen ist der Google N-GrammViewer!
    https://books.google.com/ngrams

    Begriffe sind wie Brillen für unser kurzsichtiges Denken. Welche Brille wann besondere Konjunktur hatte, lässt sich hier zumindest ansatzweise nachsehen!
    Aber Vorsicht, nicht alle Sprachsätze sind gleich groß und damit gleich reliabel. Für Englisch funktioniert es am Besten.

  2. Der google n-grammViewer ist in der Tat ein interessantes Werkzeug für die Übersicht über Verwendungsfrequenzen bestimmter Begriffe (Culturomics). In den Digital Humanities gibt es noch wesentlich mehr und differenziertere technische Verfahren (Kookkurrenzanalyse, Tonic Modelle, Sentimentanalyse), die allerdings alle auf die Verfügbarkeit digitaler Corpora angewiesen sind. Zeitungsarchive wären gerade für politikwissenschaftliche Fragestellungen ein toller Fundus, werden aber von den Zeitungsverlagen zu großen Teilen nur gegen horrende Gebühren zur Verfügung gestellt. Es wäre Zeit für eine Debatte, wie sich das Fach dazu positioniert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert