CfP: Frühjahrstagung über „Animal Politics“

Die Frühjahrstagung der Sektion für Politische Theorie und Ideengeschichte in der DVPW findet vom 12. bis 14. März 2014 in Hamburg statt und wird sich unter der Überschrift „Animal Politics“ mit Mensch-Tier-Verhältnissen in der Politischen Theorie beschäftigen. Die Organisatoren Peter Niesen und Bernd Ladwig bitten um Vortragsvorschläge bis Ende November – alles Weitere nach dem Klick.

„Das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ist heute in mehr als einer Hinsicht zu einem zentralen Gegenstand politischer Auseinandersetzungen geworden. Politische Akteure antworten damit auf die immer weiter wachsende Bedeutung nichtmenschlicher Tiere für Nahrungsgewinnung und wissenschaftliche Forschung. Obgleich es Landwirtschaft und Tierforschern weithin gelingt, ihren Umgang mit Tieren der öffentlichen Wahrnehmung zu
entziehen, nehmen die Konflikte um das Ob und Wie der Tierhaltung an Intensität zu. Sie reichen vom Konsumboykott über zivilen Ungehorsam bis hin zu gewaltsamem Widerstand. Aggressive Tierschutzwerbung und Holocaust-Vergleiche rufen Fragen der Meinungsfreiheit und ihrer Grenzen auf den Plan. Auch die globale ökologische Herausforderung ist nicht zuletzt eine Frage des Mensch-Tier-Verhältnisses, da die Tierhaltung ein wesentlicher Faktor
anthropogener Klimaveränderung ist.
Die politische Theorie tut sich dennoch schwer damit, Tiere in ähnlicher Weise in ihre Betrachtungen einzubeziehen, wie dies in den Kulturwissenschaften, in der Philosophie und in der Soziologie längst der Fall ist. Selbst der utilitaristische animal liberation-Ansatz, den Peter Singer in den 1970er Jahren in Analogie zur politischen Emanzipation von Sklaven und Frauen entwickelt hat, hat weniger als Befreiungs-, denn als philanthropischer Ansatz breite
Resonanz gefunden. Auch der animal rights-Ansatz, der in der Moralphilosophie inzwischen wohl etabliert ist, hat rechtspolitische Bedeutung bisher nur marginal, und nur im Hinblick auf die Rechte anderer Primaten gewinnen können. Innerhalb der politischen Theorie sind beide Ansätze bislang randständig geblieben.
Für einen genuin politischen Blick auf das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren wirbt nun das Buch Zoopolis von Sue Donaldson und Will Kymlicka. Zoopolis geht über den älteren animal rights-Ansatz zugunsten eines citizenship-Ansatzes hinaus. Kymlicka und Donaldson machen ganz unmetaphorisch von einem politischen Vokabular Gebrauch und schreiben verschiedenen Kategorien von Tieren Mitbürger-, Koexistenz- oder auch Souveränitätsansprüche zu. Donaldsons und Kymlickas bahnbrechendes Buch wird im Winter 2013 /14 auf deutsch erscheinen und auch hierzulande eine ausgedehnte Diskussion auslösen. Sue Donaldson und Will Kymlicka werden Ihren Ansatz auf der Tagung vorstellen und auf Einwände reagieren.
Der citizenship-Ansatz ist aber nur eine Möglichkeit, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier unter dem Gesichtspunkt politischer und nicht bloß moralischer oder rechtlicher Normativität zu betrachten. Ein anderer Debattenstrang richtet sich auf die Frage, ob Tiere als Subjekte der Gerechtigkeit in Frage kommen. Jüngere Diskussionen konzentrieren sich darauf, welcher Typ von Theorien politischer Gerechtigkeit Anknüpfungspunkte für die
Inklusion von Tieren bietet: der Kontraktualismus, der Schicksalsegalitarismus oder etwa Nussbaums capabilities-Ansatz? Um welche Grundgüter geht es, wenn Gerechtigkeit für Tiere eingefordert wird? Eine weitere Diskussion ist demokratietheoretischer Natur. Sie kreist um die Frage, ob die Interessen von Tieren politisch repräsentiert werden sollten und in welchen Formen dies geschehen könnte.

Neben der normativen politischen Theorie sollen auch gesellschaftstheoretische und ideengeschichtliche Zugänge zu Animal Politics auf der Tagung diskutiert werden. So haben sich die Human-Animal Studies als neues, teils poststrukturalistisch geprägtes Forschungsfeld herausgebildet. Auf diesem Feld erfolgt heute eine rege interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der kulturellen Bedeutung nichtmenschlicher Tiere sowie gesellschaftlich eingespielter Mensch-Tier-Verhältnisse, wenngleich der Bezug zu politischen Ordnungen bisher oft implizit blieb.
Auf einer anderen konzeptionellen Grundlage haben verwandte Fragen bereits die ältere Kritische Theorie beschäftigt, die einen systematischen Zusammenhang zwischen Aufklärung, Naturbeherrschung und Herrschaft von Menschen über Menschen vermutet hat. In jüngerer Zeit sind zudem bahnbrechende Arbeiten zum Gewaltverhältnis zwischen Menschen und Tieren erschienen, das in Studien zu Grausamkeit und Gewalt bisher nur am
Rande eine Rolle spielte.

Ideengeschichtlich betrachtet spielen Tiere seit jeher eine symbolische Rolle. Die Fabel ist eine wichtige Textgattung; Bienenstock, Wolf und Leviathan sind bekannte Figuren der politischen Zoologie. Auf der Tagung soll es allerdings weniger um die Interpretation der Tiermetaphorik gehen. Was uns stärker interessiert, ist die Frage, wie die animal nature des Menschen seit der frühen Neuzeit Eingang findet in politische Ordnungsmodelle. Eine Reihe von Klassikern des modernen politischen Denkens reflektiert die Tiernatur des Menschen vor jeder Vergesellschaftung. Allererst zu thematisieren wäre aber die Frage, ob die Reflexion eines Mensch-Tier-Verhältnisses innerhalb des Menschen selbst als Inspiration für die Integration nicht-menschlicher Tiere in politischen Ordnungen dienen kann.
Schließlich kann die Frage nach politischen Mensch-Tier-Verhältnissen es ermöglichen, ökologische Ansätze der politischen Theorie (green political theory) erneut aufzunehmen und über die Legitimität und Effektivität von policies nachzudenken, die von der Reform der landwirtschaftlichen Tierhaltung bis zu globaler Umweltpolitik reichen.

Vortragsvorschläge bitte mit abstract bis zum 30. November 2013 an Prof. Dr. Peter Niesen, Universität Hamburg, und Prof. Dr. Bernd Ladwig, Freie Universität Berlin:
peter.niesen@wiso.uni-hamburg.de; berndladwig@hotmail.com

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