theorieblog.de | Quo vadis, gute Lehre? Diskussionsbericht vom DVPW-Kongress

26. Oktober 2012, Wallaschek

Ausgehend von einer Kritik einer Bonner Professorin im Frühjahr 2012 über „wassertrinkende“ Studierende in ihrer Veranstaltung und der darauffolgenden Diskussion unter Lehrenden organisierten Sybille de la Rosa und Stefan Skupien auf dem 25. DVPW-Kongress in Tübingen eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: „Gute Lehre – Was tun? Variationen der Lehre in den Politikwissenschaften“. Für das Podium waren Kai-Uwe Schnapp (Hamburg), Astrid Lorenz (Leipzig), Stefanie Walter (Heidelberg) und Julia Kümper (Osnabrück) vertreten. Im Vordergrund standen die zu verbessernde Schreibfähigkeit der Studierenden, eine strukturiertere und geschultere Lehre sowie der Austausch der Studierenden untereinander.

Kai-Uwe Schnapp betonte, dass im Studium die zentrale Fähigkeit das Textschreiben sei und die Lehrenden dies fördern müssten. Ebenso sei er sich wohl bewusst, dass die Lehre bei Stellenausschreibungen eine zu geringe Bedeutung einnehme und die Dozierenden zu schwach didaktisch geschult seien. Stefanie Walter zielte in die gleiche Richtung und hob drei Kompetenzen hervor, die sie den Studierenden in ihren Lehrveranstaltungen zu vermitteln versuche: Analytisches Denken, kritisches Denken und das Vermögen der Studierenden, ihre Fähigkeiten praktisch anzuwenden. Astrid Lorenz forderte in ihrem Beitrag von den Lehrenden, die zu vermittelnden Inhalte vorher klar zu benennen und auch Lernziele auszugeben. Zudem sei es sehr wichtig, Feedback – sowohl positives als auch negatives – für Präsentationen und Referate zu geben, um bei den Studierenden einen Lernprozess zu bewirken. Julia Kümper kritisierte, dass Studium und Forschung noch zu weit von einander entfernt seien und der studentische Austausch zu schwach sei. Deshalb gründete sie mit KommilitonInnen in Osnabrück Anfang 2011 die Deutschen Nachwuchsgesellschaft für Politik und Sozialwissenschaft (DNGPS), um die Studierenden in der Bundesrepublik besser zu vernetzen und eine Plattform für studentische Forschung zu schaffen.

In der anschließend regen Diskussion ging es um Einzelprojekte, die an den verschiedensten Universitäten existieren. Lernförderwerkstätten oder Projektarbeiten, ermöglichten es etwa, dass Studierende unter Anleitung der Dozierenden längerfristige Projekte entwickeln und durchführen können. So könnten zum einen Studierenden verschiedener Fachsemester zusammenarbeiten, was den studentischen Austausch unter den Studiengängen befördern würde. Zum anderen könnten die Lehrenden Projekte entwickeln (lassen), die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und ggf. auch finanziell gefördert werden könnten. Diese Vermischung aus theoretischer und empirischer Arbeit wäre eine Möglichkeit die übliche starre Seminarkonzeption aus Referaten und „Frontalunterricht“ durch die Dozierenden aufzubrechen. In Seminaren könne zudem den Studierenden die Rolle von ExpertInnen gegeben werden, um so die Diskussion anzuregen und tiefer in die (wissenschaftliche) Materie eintauchen zu können. Auch die oft mangelhafte oder gar fehlende Ausbildung in Didaktik und/oder Pädagogik kam zur Sprache: Nicht nur fehle der Austausch mit den Erziehungswissenschaften, um sich dort Anregungen für eine zeitgemäße Lehre zu holen. Auch die bestehenden Weiterbildungs- und Zertifizierungskurse für bessere Lehre würden von vielen nicht wahrgenommen, weil sie sich davon keine höhere wissenschaftliche Reputation versprächen; letztlich besuchten in der Regel die prekär-beschäftigten WissenschaftlerInnen diese Kurse und nicht z. B. die ProfessorInnen. Der Stellenwert der Lehre müsse in der Universität und in der Wissenschaftspraxis massiv aufgewertet werden – gerade angesichts der Zunahme des Lehrumfangs durch die Bologna-Reform und der damit verbundenen steigenden Studierendenzahl. Auch gute Lehre müsse honoriert werden, indem dafür Drittmittel vergeben werden müssten (wie z. B. die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert).

Die stete Lehrevaluation wurde zwar allgemein begrüßt, doch wurde zum einen kritisch angemerkt, dass die Studierenden „evaluationsmüde“ werden, weil sie jedes Semester zahlreiche Bögen ausfüllen müssten. Zum anderen merkten ZuschauerInnen der Podiumsdiskussion an, dass v. a. die offenen Antworten der Studierenden zu, was gut oder schlecht an der Veranstaltung sei, aufschlussreich seien und einen weiter bringen würden. Hier müsste demnach die Evaluationspraxis reflektiert werden, und vielleicht böten sich weniger standardisierte Evaluationsbögen an. Interessant war die Frage aus dem Plenum, ob es nicht sinnvoll sei, im Instituts-Lehrkollegium den Dialog unter den WissenschaftlerInnen zu suchen und so einen Austausch über gute und schlechte Lehre zu ermöglichen. Die überwiegende Mehrheit der darauf Antwortenden sah dies eher kritisch, weil erstens viele daran nicht interessiert seien, zweitens der Austausch über die jeweilige Sub-Disziplin hinaus eher schwach sei und auch drittens die zeitliche Gebundenheit häufig verhindere, die Lehrerfahrungen des Instituts im Ganzen zu reflektieren.

In den Abschlussstatements wurde von Schnapp und Walter nochmals hervorgehoben, dass die Lehre nicht stets und ständig innovativ sein müsse und auch eine klassische Vorlesung und Referate ihre Berechtigungen im Lehrbetrieb haben. Gerade das Präsentieren von wissenschaftlichen Arbeiten sei schließlich neben dem eigentlichen Schreiben eine grundlegende Fähigkeit für WissenschaftlerInnen. Hier sei angemerkt, dass nicht nur Studierende dies erlernen müssen, sondern – dies zeigte der DVPW-Kongress teils überdeutlich – auch einige WissenschaftlerInnen ihre Präsentationstechniken, u. a. das Verhältnis von Zeitbegrenzung und Umfang des vorzutragenden Textes, kritisch reflektieren sollten.

Astrid Lorenz betonte hingegen die Vorteile von Unterschieden zwischen Referats- und Seminartypen, weil sich in einem Seminar auch Studierende mit verschiedenen Lern- und Auffassungsstrategien befinden. Julia Kümper insistierte in ihrem Schlussstatement auf die strukturelle Machtasymmetrie zwischen Studierenden und Lehrenden und dass dies unbedingt zu reflektieren sei, um dem Bias aus dem Anspruch der Lehrenden und dem Vermögen der jüngeren Studierenden, was ihre Kritik- und Lernfähigkeiten angeht, zu begegnen.

Auch wenn es sehr viele interessante Überlegungen für eine verbesserte Lehre gibt, scheinen sich doch in Relation zu der Anzahl der KongressteilnehmerInnen noch eher wenig WissenschaftlerInnen explizit für eine andere Lehre zu interessieren. Hier müssen Prozesse angestoßen werden, um nicht nur die Vernetzung in der Forschung zu fördern, sondern ebenso in der Lehre. Angeregt wurde z. B., ob man nicht ein Wiki o. ä. schaffen könne, um einen Wissens- und Lehrpool zu schaffen, wo die WissenschaftlerInnen neue Lehrideen eintragen bzw. sich Anregungen holen können.  Der Vorschlag, ein „Forum Lehre“ wie in anderen Fachzeitschriften in der Politischen Viertelsjahresschrift (PVS) als einen Bereich der Zeitschrift zu etablieren, fand nicht nur im Publikum anklang, sondern auch bei Astrid Lorenz als Redaktionsmitglied der PVS. Zudem schlug Lorenz vor, dass bei der nächsten Tagung der Sektion „Vergleichende Politikwissenschaft“ in Leipzig ein zusätzliches Panel zum Thema Lehre veranstaltet werden könnte.

Stefan Wallaschek studiert im Master Politikwissenschaft an der Universität Bremen; seine Schwerpunkte liegen in der modernen politischen Theorie und politischen Philosophie. Zudem ist er Mitglied im Vorstand der DNGPS.


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