Wohnt man in Berlin und nutzt das öffentliche Nahverkehrsnetz, so ist man tagtäglich damit konfrontiert, dass einen Obdachlose um ein wenig Geld bitten. Und so stellt sich die Frage, welche moralischen Verpflichtungen ich als Einzelner gegenüber diesen Obdachlosen habe. G.A. Cohen hat in dem Aufsatz „If You’re An Egalitarian, How Come You’re so Rich?“ (und ausführlicher noch in dem gleichnamigen Buch) auf unterhaltsame Weise einige Argumente aufgeführt, die in diesem Kontext relevant sind und an denen ich mich lose orientieren möchte.
Das erste Argument lautet, dass ich eine, wie Rawls es nennt, „natürliche Pflicht zur Gerechtigkeit“ habe, auf gerechte Institutionen hinzuarbeiten. Konkret verstehe ich dies so, dass ich darauf hinarbeiten sollte, dass in unserer Gesellschaft kein Mensch mehr obdachlos sein muss oder dass zumindest alle Obdachlosen von öffentlichen Institutionen versorgt werden. Nun gibt es am deutschen Sozialstaat viel zu bemängeln, und dennoch würde ich denken, dass es grundsätzlich ausreichend Institutionen gibt, die sich um Obdachlose kümmern. Und sofern ich mich politisch engagiere, dann doch für die politischen Kräfte, die den Sozialstaat eher stärken als schwächen wollen. Es scheint also, dass ich meine Pflicht damit getan habe.
Was aber ist mit Fällen von Obdachlosen, bei denen zumindest Auftreten und äußeres Erscheinungsbild deutlich darauf hinweisen, dass diese Menschen akute Not leiden, anscheinend auch weil sie die bestehenden institutionellen Hilfsangebote nicht nutzen? Unstrittig ist, dass es in eindeutig lebensbedrohlichen Situationen meine Pflicht ist, Hilfe zu organisieren und etwa den Rettungsdienst zu rufen. Doch was ist mit all jenen Obdachlosen, die offensichtlich verwahrlost und dennoch nicht lebensbedrohlich gefährdet sind? Gegen ein vereinfachtes Tropfen-auf-den-heißen-Stein-Argument lässt sich recht plausibel argumentieren, dass auch schon ein paar kleine Geldspenden vielleicht für ein warmes Essen ausreichen und damit ganz konkrete Hilfe bedeuten können. Dieses Argument basiert jedoch auf empirischen Annahmen, die ich nicht überblicken kann. Vielleicht trägt meine Geldspende dazu bei, dass ein Mensch in Not wieder in die Lage versetzt wird, die ersten Schritte in Richtung auf ein einigermaßen sicheres und menschenwürdiges Leben zu gehen. Vielleicht trägt meine Geldspende aber auch dazu bei, dass jemand sich, so schwer vorstellbar das scheint, noch mehr in der Obdachlosigkeit einrichtet.
Tatsächlich fühle ich mich nicht in der Lage, bei dieser Frage ein Urteil zu fällen. Eine mögliche Reaktion ist nun, im Zweifel immer zu spenden. Auch wenn dadurch nur wenigen geholfen wird, ist dies Grund genug. Dagegen jedoch spricht, dass dies bei begrenzten Ressourcen meinerseits zu einer willkürlichen Handlung wird. Ich gebe Geld, solange ich glaube, es geben zu können, und ich gebe es den Leuten, die mir zufällig auf meinem Weg begegnen. Dies führt mich wieder zurück zu institutionellen Lösungen: Letztlich scheint es doch plausibler, Institutionen zu unterstützen – vielleicht auch durch eine regelmäßige –, die sich fachkundig und systematisch um Obdachlose sorgen.
Bei nüchterner Abwägung scheint mir dies die sinnvollste Lösung zu sein. Und doch empfinde ich einen, vielleicht nicht ganz rationalen inneren Widerspruch dagegen. Denn würde ich diese zuletzt genannte institutionelle Lösung ernst nehmen, so müsste ich dann konsequenterweise den Obdachlosen, die mir täglich begegnen, kein Geld mehr geben. Meine moralische Pflicht ihnen gegenüber habe ich ja bereits erfüllt. Und doch fordert es ein nicht geringes Maß an Abhärtung gegenüber spontanen Mitleidsempfindungen, sich im Angesicht von konkretem menschlichen Unglück auf solch abstrakte Argumentation zurückzuziehen. Und so gebe ich, recht spontan und willkürlich, manchmal Geld und manchmal nicht. Und frage mich, ob dies bloß egozentrische Sentimentalität ist oder ob ich in meiner Argumentation etwas übersehen habe?
Nachtrag, November 2014: im Rahmen eines Sammelbandes zu Ehren von G.A. Cohen aus dem Jahr 2006 widmet sich Christine Sypnowich in einem Aufsatz mit dem Titel “Begging” genau der Frage, die auch mich in diesem Beitrag umgetrieben hat. Ihr Ergebnis ist ähnlich ambivalent wie meines: Einerseits sieht sie aus egalitärer Perspektive zumindest dann keine Pflicht, “Bettlern” zu helfen, wenn wir ansonsten unseren Beitrag zu einer gerechten Ordnung leisten. Andererseits bleibt aber auch bei ihr ein Unbehagen ob dieser Lösung: “The appeal to a basic humanity remains in the confrontation with people who beg on city streets. To dismiss this appeal is cruel, even if grounded in sound egalitarian principle.” (193). Spannend finde an ihren Überlegungen vor allem den Bezug zu Margalit und die Überlegung, dass “Betteln” für alle Beteiligten eine demütigende Erfahrung ist, wenn auch sicherlich in unterschiedlicher Ausprägung. Nicht zuletzt finden sich in dem Text von Sypnowich zahlreiche interessante Verweise zu weiteren Autoren von Bertolt Brecht bis Jeremy Waldron, die sich dem Problem des “Bettelns” angenommen haben.
Hallo Daniel,
ich glaube, die Frage, ob Deine moralische Pflicht erfüllt ist oder nicht, ist zu eng gestellt. Es sind m.E. nämlich nicht ausschließlich moralische Erwägungen, die unser Handeln anleiten (sollten), auch wenn wir dabei einen Vorrang moralischer Normen anerkennen.
Du schreibst, dass eine unmittelbare Begegnung mit dem Leid anderer ein „nicht geringes Maß an Abhärtung gegenüber spontanen Mitleidsempfindungen“ erfordert, will man sich hinter seiner moralischen Pflicht verschanzen. Jenseits moralischer Pflichten kann eine Spende dennoch die für Dich richtige Handlung sein. Und zwar, wenn Du es für gut erachtest, Menschen, die in Dir Mitleid auslösen, auch dann zu helfen, wenn das nicht moralisch von Dir gefordert werden kann.
Wenn es Dir nur um die unmittelbare moralische Pflicht geht – was Deine Frage nach der Schuld nahelegt, scheint mir Deine Argumentation richtig zu sein, wenn es Dir aber auf handlungsleitende praktische Deliberation ankommt, dann greift sie zu kurz.
Hallo Daniel,
auch mir geht es nicht darum moralisch zu handeln im Sinne gesellschaftlich anerkannter Normen, sondern darum mit meinem Handeln die Welt positiv mit zu gestalten. Sicherlich lässt sich argumentieren, dass ein Handeln, welches sich positiv auf die Welt auswirkt, genau aus diesem Grund auch moralisch sei.
Also nun zu der eigentlichen Frage: Wie hilft man Obdachlosen am besten?
Bei der Beantwortung dieser Frage teile ich Deine Auffassung mehr oder weniger, wobei es natürlich schwierig ist eine allgemeine Aussage zu machen, weil dass immer auch bedeutet, dass man pauschalisiert.
Nach einer negativen Erfahrung mit einem Obdachlosen, den ich über einen Zeitraum von drei Monaten besser kennen hatte, habe ich mich für eine Zeit vollkommen geweigert Bargeld an Bettler zu geben, weil ich der Ansicht war, dass es den Betroffenen damit kein Stück hilft.
Und wenn ich heute immer noch der Ansicht bin, dass die Betroffenen, um ihre Lebenssituation langfristig in den Griff zu bekommen, in erster Linie Möglichkeiten zur Resozialisation und nicht unbedingt Geld benötigen, so bin ich inzwischen auch doch wieder bereit Geld zu geben (auch wenn ich weiß, dass davon Alkohol oder andere Drogen gekauft werden). Junkies brauchen und bekommen ihren Stoff so oder so – warum also nicht solidarisch sein.
Politisches Engagement für mehr Sozialarbeiter und eine gerechtere Gesellschaft etc. ist langfristig sicherlich am sinnvollsten. Dass so etwas nur in einer globalen Demokratie möglich ist, liegt auf der Hand.
@HaukeBehr: Ich verstehe dich so, dass du meine individuellle Spende, vorausgesetzt ich engagiere mich zugleich für institutionelle Lösungen, als eine moralisch wünschenswerte Handlung begreifst, zu der ich aber nicht verpflichtet bin. Die Kantianer unter uns würden das dann wahrscheinlich eine „superogoratorische“ Handlung nennen. Die Frage, die ja von Fred auch noch mal illustriert wurde, ist aber ja gerade, ob meine Handlung diesen schwacheren Test moralischer Wünschbarkeit überhaupt erfüllt. Vielleicht tue ich ja sogar etwas moralisch verwerfliches? — Nicht ganz klar ist mir, wovon wir uns jenseits von moralischen Normen leiten lassen sollten?
@Fred: Nur um das klarzustellen, mir geht es ganz eindeutig nicht um „gesellschaftlich anerkannte Normen“, also um das, was gerade herrschender Konsens ist. Gerade mit Blick auf Obdachlose möchte ich das vielleicht auch gar nicht so genau wissen…
Hallo Daniel,
in der von Dir hier theoretisch aufgearbeiteten und mir nicht unbekannten Erfahrung drückt sich m.E. die Grenze moralischer Pflichten aus – und HaukeBehrs Kommentar legt das auch nah, da er gerade die nicht moralischen Momente des Handelns anspricht.
Man könnte doch sagen, dass sich diese Erfahrung als die Erfahrung eines Anderen der Moral bezeichnen lässt, wenn unter Moral ein System allgemein gültiger, auf konkrete Situationen anzuwendender Pflichten/Maximen verstanden wird. Die Begegnung mit dem Leid und der Hilfsbedürftigkeit es Einzelnen (mir kommt hier Lévinas Begriffs des Antlitz in den Sinn ) –, diese ethischen Aspekte lassen sich vielleicht nicht im Kontext moralischer Erwägungen abbilden, da allgemeine Pflichten grundlegend die unverfügbare Bedürftigkeit singulärer Wesen verfehlen bzw. diese nicht gerecht werden können.
Das wäre sicherlich keine befriedigende Antwort und würde bei den alltäglichen Begegnungen mit Obdachlosen eher bedingt, gar wenig helfen. Aber vielleicht ist diese Antwort ein Hinweis darauf, dass die Ausgangsfrage anders gestellt werden muss.
Viele Grüße, Markus
Lieber Daniel,
so, wie Du mich paraphrasierst, habe ich es nicht gemeint. Ich weiß nicht, mit welchem Moralverständnis Du argumentierst, aber wenn Du die bekannte Unterscheidung von Moral und Ethik akzeptierst, die Habermas, Rawls u.a. vertreten, dann lässt sich mein Beitrag noch einmal so umformulieren:
Was Du einem Bettler – moralisch gesehen – schuldest, mag schon erfüllt sein, wenn Du Dich für Institutionen einsetzt, die Deine Hilfspflicht effektiv umsetzten.
Ich meine nun, dass unter dieser Prämisse eine Spende weder moralisch falsch, noch moralisch erwünscht ist. Du bewegst Dich quasi in einem außermoralischen oder besser optionalen Raum möglicher Handlungsoptionen.
Daraus folgt aber noch lange nicht, dass Du nicht spenden solltest. Es scheint mir nämlich eine etwas merkwürdige Beschreibung handlungsleitender Überlegungen zu sein, dass man sich nur fragt, wozu man moralisch verpflichtet ist. Natürlich sollten moralische Überlegungen auch eine Rolle spielen (und ich glaube sogar eine entscheidende), aber es gibt eben auch Situationen, in denen es Dir, von einem moralischen Standpunkt aus gesehen, freisteht, was Du tun sollst.
Hier kommt es darauf an, welche Werte und letzten Ziele Du im Leben verfolgst. Wenn es, wie Du schreibst, für Dich eine kaum erträgliche Qual ist, einem leidenden Menschen keine unmittelbare Wohltat zu erweisen, dann scheint es mir gradewegs absurd zu sein, diese Qual zu ertragen, „nur“ weil Du andernfalls etwas tust, wozu Du nicht unmittelbar verpflichtet bist. Wenn Du zu dem reflektierten Urteil gelangst, dass Dir Hilfe wichtig ist, dann solltest Du sie leisten.
Ich meine, dass dies keine supererogatorische Handlung darstellt, weil Du kein Lob erwarten darfst. Es ist gerade keine allgemein erwünschte Handlung, sondern eine, die auf Deiner individuellen Konzeption des Guten beruht. Kant würde sie damit eher in den Bereich des Pragmatischen rücken müssen – des „für Dich guten“.
Hi Daniel, vielen Dank für diesen Artikel! Ich, auch in Berlin wohnend, stelle mir diese Frage oft und verfahre genau wie Du: Mal gebe ich was, mal nicht. Wenn die Leute – pardon my French – besonders abgesifft und nach Drogen aussehen, halte ich mich aber immer zurück. Hm.
Hallo Daniel.
ichreue mich, dass Du diese Diskussion angestoßen hast!
Ich denke dazu: Da wir keine allgemein gültigen Regeln zum Umgang mit Obdachlosen und/oder Bettlern (mehr) haben, hängen die Reaktionen vmeines Erachtens von zweierlei Dingen ab: dem allgemeinen sozialen Klima und dem damit verbundenen kollektiven Bildern der Obdachlosigkeit bzw. des Bettelns. Zum anderen, hier verweise ich auf Anninas Beitrag, vom individuellen Erscheinungsbild der bettelenden Person.
Ich verfolge auf meinem Blog seit Längerem das Thema Obdachlosigkeit als soziales Bild und setzte hier mal die Links auf die Beiträge.
http://www.gespenst-der-armut.org/gelesen-lucie-flebbe-%E2%80%9Efliege-machen%E2%80%9C/
und
http://www.gespenst-der-armut.org/category/texte/sozialstunden-im-untergrund/
und
http://www.gespenst-der-armut.org/obdachlosigkeit/
Herzlich: Ellke
Hmm… also ich bin in Wien zu Hause momentan und hier ist auch betteln gerade voll das Thema.
Wir haben jetzt Bettelverbote und wurden mit Duurchsagen in der U-Bahn, bzw. werden mit Plakaten dazu aufgefordert BettlerInnen nichts zu geben, sondern statt dessen an „anerkannte Hilfsorganisationen“ zu Spenden, eben um das Betteln nicht zu unterstützen und dadurch nicht „noch mehr“ BetlerInnen anzulocken (hier geht es vor allem um BettlerInnen aus dem Ausland, die nach Wien kommen, um hier Geld für ihre Familie zu erbetteln).
Ich kenne die Bettelszene in Deutschland (Berlin?) nicht, will aber zur Situation in Wien bzw. zu den „institutionen“ in Wien was sagen, nur soviel, es gibt in Wien eigentlich keine Institutionen die sich um BettlerInnen kümmert, schon gar nicht um ausländische BettlerInnen. In den meisten Notschlafstellen, man kann sagen dass die sich (auch) an BettlerInnen richten, ist meines Wissens die Vorraussetzung eine österreichische Staatsbürgerschaft, oder irgendeine Aufenthaltsbewilligung. Diese Institutionen richten sich also zumindest nicht an alle BettlerInnen. Es gibt Institutionen die Mittagessen ausgeben. Man kann sagen, das richtet sich an BettlerInnen, aber trotzdem ist damit kein Überleben gesichert. Vor allem wenn eine Mutter aus der Slowakei nach Wien kommt um hier zu betteln, weil es in ihrer Heimat keine Arbeit gibt, und damit für die nächsten Monate ihre Kinder und Eltern ernähren kann, dann hilft ihr eigentlich ein MIttagessen nicht, zumindest nicht langfristig.
Worauf ich hinaus will: an welche Institutionen willst du spenden, die dann BettlerInnen helfen?
Oder ist die Bettelszene in Deutschland ganz anders, oder gibt es dort Institutionen die BettlerInnen helfen?
Das fände ich echt interessant und spannend, vielleicht magst du posten was das für Institutionen sind und was die machen (Sowas fehlt nämlich hier in Wien, und es wäre ja gut, sich Anregungen zu holen :-)?
Ja. Also in Wien sehe ich keine Möglichkeit die Verantwortung an Institutionen abzugeben. Weil es eben keine Institutionen gibt.
Ich bin keine Philosphin, daher kenne ich den Moralbegriff nicht gut. Ich finde aber trotzdem dass ich als Angehörige der privilegierten weißen Minderheit (weltweit gesehen) in gewissem Sinne die moralische Verpflichtung habe anderen Menschen zu helfen.
Moralisch gesehen reicht es vielleicht nicht aus, BettlerInnen ein paar Cent zu geben, aber gerade in Wien, wo das „soziale Klima“ extremst BettlerInnenfeindlich ist, empfinde ich es als eine sehr wichtige Geste!
Das heißt aber für mich nicht automatisch dass ich verpflichtet bin, BettlerInnen Geld zu geben. Hmm, aber vielleicht kenne ich den Moralbegriff zu wenig.
Es tut mir leid, ich bin keine Philosophin und keine Ahnung ob du mit meinem Post was anfangen kannst… Hoffe ich hab deinen Text richtig verstanden… 🙂
Puh – das ist eine superschwierige Sache, über die ich gerade in meinen Jahren in Berlin viel nachgedacht habe.
Es gibt viele zynische Sichtweisen. Ich biete mal ein paar an.
Absolutes Ablehnen des Gebens, weil ich dadurch nur den Status Quo unterstütze. Das Geben macht das Lebensmodell Bettler erst eine Option. Gibt niemand mehr, bettelt auch keiner mehr. Alle ehemaligen Bettler gehen endlich zum Staat, der ja sowieso den Auftrag hat, sich um sie zu kümmern.
Zu diesem Dunstfeld gehört auch die Ansicht, dass in Deutschland niemand betteln muss – was nicht stimmt, da man schnell durch die Maschen des Systems fallen kann.
Man kann auch nach individueller Performance gegeben. Das Angebot an Geschichten und Schicksalen ist groß, da zählt auch, wie man es rüberbringt. Overacting kann Bonuscents bringen, aber nicht übertreiben. Ein abschließendes „und AIDS hab ich auch noch!“ kann den gegenteiligen Effekt haben.
So, erstmal genug Zynismus.
Ich fände es super, wenn ich meinen soziales Gewissen an eine Institution abgeben könnte. Ich kenne leider nur ganz schlimme Geschichten, von Städten, die Obdachlose einfach nur loswerden wollen, weil sie die Touristen stören – unter der Inkaufnahme von Opfern solcher Aktionen.
Wirklich selber damit beschäftigen möchte ich mich nicht. Ich unterstütze lieber die Menschen, die ich kenne, also Familie und Freunde, wenn sie vor dem Abrutschen stehen. Dabei auch gerne mit mehr als ein paar Cent.
ich bin heute mit deiner frage im kopf durchs einkaufszentrum gegangen. dort sitzen in der langen fußgängerstraße so viele bettler, daß mein geld nicht reichen würde, wenn ich jedem einen euro täglich gäbe. ich hätte dann selbst nichts mehr zu essen.
@Klaus Baum: Das Argument der Überforderung sehe ich ähnlich (und das taucht so ähnlich ja auch immer wieder in Debatten um globale Gerechtigkeit auf). Allerdings bleibt die Frage bestehen, ob du dann nicht wenigstens so lange noch helfen könntest, wie es für dich ohne ernsthaften Schaden deinerseits möglich ist.
@die vielen anderen Kommentare: Vielen Dank dafür, leider schaffe ich es nicht, auf alle Kommentare zu reagieren, aber ich finde die Diskussion sehr spannend!
@Klaus Baum:
Das Argument greift zu kurz. Natürlich kannst du nicht allen helfen – aber ist das ein Grund gar nicht zu helfen? Ich finde nicht.
Ich habe noch ein paar Leseempfehlungen zum Thema Obdachlosigkeit auf meinen Blog gestellt.
http://www.gespenst-der-armut.org/buchempfehlungen-obdachlosigkeit/
Herzlich: Elke
@Elke: Danke, sehr spannend, habe deine Leseempfehlungen gerade auch „getwittert“! Beste Grüße, Daniel
Ausländern gebe ich grundsätzlich nichts, weil ich es eine Unverschämtheit finde wie sie betteln. Sehr penetrant und auf Mitleid. Ich mag dieses Betteln auf Mitleidsgefühl nicht, weil da Gefühl nämlich nicht weggeht, selbst wenn ich denen 10€ oder mehr geben würde, v.a. kann ich mir nicht sicher sein, ob es nicht einfach eine Bettelbande ist, bei der nur der Anführer verdient und dann einen Mercedes fährt.
Hier in Berlin gibt es aber im Vergleich wenig Ausländer. Die meisten sprechen oder lallen deutsch. Manche sogar Gedichte. Die Motz kauf ich mir ab und zu, weil es meistens mindestens einen Artikel gibt, den ich ganz interessant finde und der sich nicht unbedingt um die Situation Obdachloser dreht.
Ansonsten gibts vielleicht manchmal tatsächlich 20ct oder so, wenn ich der Meinung bin, das könnte demjenigen ein gutes Gefühl geben, dass derjenige sich dann nicht ganz so wertlos und vergessen fühlt.
Grundsätzlich denke ich, dass ich persönlich nicht helfen kann, da es am System und v.a. an der Gier anderer liegt, dass viele einfach abrutschen oder sie hatten einfach mal Pech. Hartz4 ist in diesem Zusammenhang nur eine tickende Zeitbombe. Aus Hartz4 kommt man ja schon kaum raus ohne für umsonst zu arbeiten. Was passiert wenn das Hartz4 plötzlich nicht mehr reicht…
Daher bleiben für mich um was am System zu ändern: wählen gehen und wenn mich die Bettler mit Respekt behandeln, dann bekommen sie auch mal ein bisschen Geld. Nicht weil es hilft, sondern der besseren Laune und dem Stückchen Hoffnung wegen.
Hallo Edith, ich möchte dich sehr bitten, bei deiner Wortwahl etwas vorsichtiger zu sein. Ohne dir derartiges zu unterstellen, ist eine pauschlisierende Rede von „den Ausländern“ nicht nur in der Sache falsch, sondern auch geeignet, ausländerfeindliche Vorurteile zu schüren bzw. zu reproduzieren.
Bei Spiegel Online gibt es gerade den Hinweis auf eine Dokumentation zum Thema.
Thorsten hat mich gerade darauf aufmerksam gemacht, dass auf dem Blog „Talking Philosophy“ gerade ein sehr spannenden Text veröffentlicht wurde, in dem der Autor dafür argumentiert, dass wir eine Pflicht haben, obdachlosen Menschen eine ausreichende Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Hier der Link zum Text.
Ich denke, dass man auch sich selbst hilft, wenn man was gibt. Es ist schön etwas zu geben, ohne die Erwartung etwas zurück zu bekommen.
Nächstenliebe nennt man das.
Mal auf eine Tasse Kaffee im Café verzichten, und dafür 2,- Euro jemandem geben.
Oft geben Eltern ihren Kindern Kleingeld, das sie dann dem Bettler geben. Dadurch kriegt das Kind ein Gefühl für Nächstenliebe. Finde ich gut.
Hier ein aktueller Artikel aus der SZ mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen in München, der zwar keine ganz neuen Erkenntnisse liefert, aber doch einfühlsam vor zu schnellen Verallgemeinerungen warnt:
Für eine Handvoll Münzen. Bettler in München