Bericht: Sommerkurs zur Begriffsgeschichte in Helsinki

Vom 4. bis zum 19. August 2010 fand im Rahmen der Helsinki Summer School bereits zum sechsten Mal die vom internationalen Forschungsnetzwerk CONCEPTA ausgerichtete „Introduction to Conceptual History“ statt. Der Kurs stellt ein Herzstück der Arbeit des Netzwerkes dar, das sich in Ergänzung zu den Aktivitäten der History of Political and Social Concepts Group die methodische Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Feld der Erforschung von politischem und sozialen Bedeutungswandel zum Anliegen gemacht hat. Im Mittelpunkt des für Doktoranden der Sozial- und Geschichtswissenschaften konzipierten Kurses stand die Begriffsgeschichte Koselleck`scher Prägung. Martin J. Burke (New York) und Jan Ifversen (Arhus) leiteten die ersten, sehr lektüreintensiven Seminare zu den „Geschichtlichen Grundbegriffen“, Kosellecks Theorie historischer Zeiten und anderen Theorien der Erforschung von Bedeutungswandel, wie der Cambridge School oder dem französischen Diskurstheoretiker Jacques Guilhaumou. Der gemeinsame Grundgedanke der Erklärung von Bedeutung politischer und sozialer Ausdrücke aus den Kontexten ihres konkreten Gebrauchs wurde in seinen unterschiedlichen Ausformungen veranschaulicht, in seinen konkurrierenden ontologischen, epistemologischen und anthropologischen Prämissen diskutiert und auf seine methodische Operationalisierbarkeit hin befragt. Im weiteren Verlauf des Kurses standen Ansätze im Mittelpunkt, die von Kosellecks Projekt ausgehen, dieses jedoch entscheidend modifizieren. Neben Michael Freedens Ideologiegeschichte und Kari Palonens Bemühungen um eine Synthese von Begriffsgeschichte und Cambridge School betraf dies vor allem die Verwendung begriffsgeschichtlicher Ansätze im Bereich der Post-Colonial-Studies. João Feres Júnior (Rio de Janeiro) zeigte, wie sich Kosellecks Konzept asymmetrischer Gegenbegriffe als Ausgangspunkt für eine Analyse der Konstruktion „Lateinamerikas“ als Gegenmodell zu den USA im populären und wissenschaftlichen Diskurs eignet. Margrit Pernau (Berlin) thematisierte Transfer- und Verflechtungsprozesse im Bedeutungswandel und ging dabei auch besonders auf Probleme der Übersetzung ein.
Darüber hinaus gab es sogenannte Visiting- und Alumni-Lectures von externen Forschern bzw. ehemaligen Teilnehmern des Kurses. Das Programm wurde komplettiert durch Work-in-Progress-Sessions, in denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre eigenen Forschungsvorhaben unter methodischen Gesichtspunkten zur Diskussion stellen konnten. Die letzte Sitzung wurde schließlich in ein Treffen der CONCEPTA-Gruppe integriert, was ermöglichte, weitere Kontakte zu knüpfen und Forschungen aus dem Feld der Conceptual History kennen zu lernen.
Auch wenn die Qualität der einführenden Einheiten wie auch der Alumni- und Visiting Lectures recht stark schwankte, bot der Kurs doch insgesamt eine fundierte und umfangreiche Einführung in das (überraschend) weite Feld der Conceptual History, und eröffnete Perspektiven auf die europäische und globale Forschungslandschaft. Der Rahmen der Summer School eröffnete durch die zeitliche und personelle Kontinuität die Möglichkeit zum intensiven und nachhaltigen Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmenden. Positiv hervorzuheben ist ferner die umfangreiche Lektüre grundlegender methodischer Texte, handelt es sich hierbei doch um ein im wissenschaftlichen Alltag allzu schnell vernachlässigtes, gleichwohl unverzichtbares Unterfangen.

Niels Hegewisch promoviert bei Prof. Erk Volkmar Heyen an der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald. Er untersucht die Stellung der Verwaltung in der Gewaltenteilungslehre des Vormärz.

Rieke Schäfer ist Doktorandin am Institut für Politikwissenschaft der Universität Hamburg. Ihr Dissertationsvorhaben fragt nach der Rolle von Spiel- und Theatersemantik im politischen Denken.